Green Power for Europe

Europa ist reich an erneuerbaren Energien, wie z. B. Wind an den Küsten. Bild: The Sean & Lauren Spectacular, Quelle: Flickr; Lizenz: CC-BY

24. April 2013
Michaele Schreyer
Die gesamte EU steht vor der Herausforderung der großen Transformation ihrer Ökonomie. Alle Staats- und Regierungschefs der EU Mitgliedstaaten haben sich auf ihrem Gipfel im Oktober 2009 zu der Verpflichtung bekannt, bis zur Mitte des Jahrhunderts ihre Treibhausgasemissionen um 80–95 Prozent unter den Stand von 1990 zu senken. Das bedeutet für den gesamten Energiesektor in der EU, dass er in nur 4 Jahrzehnten CO2 frei werden muss. Die Energiewende hin zu erneuerbaren Energiequellen und höchstmöglicher Energieeffizienz ist deshalb kein spezifisch deutsches, sondern ein gesamteuropäisches Thema. Für die Grünen und für alle Mitgliedstaaten, die Atomkraft ablehnen, heißt dies konkret, die Energieversorgung in der EU auf 100 Prozent Erneuerbare umzustellen. Dabei sollten die Grünen als proeuropäische ökologische Partei dafür plädieren, die vielfältigen Vorteile der politischen und wirtschaftlichen Integration in der EU zu nutzen, damit dieses große Projekt grüner Transformation gelingt. Die Energiewende als europäisches Projekt anzugehen bedeutet, es weder allein europapolitisch noch allein national zu betrachten, sondern die Handlungen auf allen Ebenen auf das gemeinsame Ziel hin zu orientieren. Im Sinne eines ‚Mehrebenenwahlkampfes‘ mit horizontaler und vertikaler Vernetzung ist die Energiewende eines der zentralen Themen, bei denen die Wähler und Wählerinnen auf nationaler wie auf europäischer Ebene zwischen klaren Alternativen entscheiden können.

Europas natürliche Vielfalt nutzen

Es liegen mittlerweile genügend Studien vor, die belegen, dass Europa kein energiearmer Kontinent ist, sondern im Gegenteil:  Europa ist aufgrund seiner natürlichen Vielfalt äußerst reich an erneuerbaren Energiequellen und verfügt über die Technologien, um diese Quellen zu erschließen.[*] Es kann nicht nur der Strombedarf regenerativ gedeckt werden, sondern auch die Energienachfrage der anderen Sektoren Verkehr und Wärme/Kälte, deren Energieversorgung in der Zukunft sehr viel stärker als heute integriert werden muss. 100 Prozent regenerative Energieversorgung in der EU ist keine Utopie, sondern eine realisierbare Vision.

Naturbedingt sind die erneuerbaren Energiequellen räumlich unterschiedlich über die EU verteilt: hohe Konzentration von Wind an den Küsten, nutzbare Wasserkraft in Skandinavien und der Alpenregion und Sonne in den Ländern nahe am Sonnengürtel. Daraus ergeben sich je nach Standort Kostenvorteile, die in einem Verbund genutzt werden können. Vor allem aber braucht eine sichere Energieversorgung, die zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energiequellen beruht, einen optimalen Mix, um die Fluktuation im Angebot von Windkraft und Photovoltaik auszugleichen. Je besser die Ausgleichsmöglichkeiten sind, desto geringer ist der Bedarf an Speicher- und Back-up-Kapazität. Nationale Grenzen behindern diesen optimalen Mix. Deshalb sollten gerade die Grünen sich nicht von diesen Grenzen einengen lassen, sondern für die optimale Nutzung der natürlichen Vielfalt Europas plädieren.

Weichen für eine europäische Energiewende weiterbauen

Mit der Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen von 2001 wurde eine wichtige Weiche für den europäischen Zug in Richtung regenerativer Energien gestellt. Mit der Richtlinie zur Förderung der Nutzung aus erneuerbaren Energiequellen von 2009 hat er an Tempo kräftig zugelegt. Das Ziel: ein Anteil von 20 Prozent regenerativer Energie am Gesamtendenergieverbrauch der EU bis 2020. Das Instrument: Ein für jeden Mitgliedstaat im europäischen Gesetz verbindlich festgelegtes nationales Ausbauziel, bei dem der Staat vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden kann, wenn er es nicht erreicht. Der Zielwert ist für Malta mit 10 Prozent am geringsten, weil das Land von Null im Jahr 2005 startet, für Deutschland mit 18 Prozent leicht unter dem Zielwert von 20 Prozent für die gesamte EU, für Frankreich mit 23 Prozent leicht über dem Durchschnitt und für Schweden aufgrund des dank der Wasserkraft hohen Ausgangswerts in 2005 mit 49 Prozent für 2020 am höchsten. Vieles kam in dieses Gesetz durch grüne Initiativen hinein.

Diese Gesetzgebung – verbunden u.a. mit der Einführung des europäischen Emissionshandelssystems – hat einen beträchtlichen Ausbau der regenerativen Energiegewinnung ausgelöst: Im Zeitraum von 2000 bis 2010 ist die installierte Leistung in der EU für Windkraft von 12 GW auf 84 GW und für Solarenergie von 0,2 GW auf 30 GW gestiegen. Nach den nationalen Aktionsplänen, die gemäß der Richtlinie aufzustellen sind, wird es in der Dekade 2010 bis 2020 eine Zunahme bei der Windkraft um 143 Prozent und bei der Solarkraft um 249 Prozent geben. Die EU ist auf gutem Weg, ihr Ziel zu erreichen und wird es umso leichter schaffen, je besser Energieeffizienzmaßnahmen greifen.

Im Jahr 2020 wird aber erst ein Fünftel der Wegstrecke  von 100 Prozent erneuerbarer Energie zurückgelegt sein. Der längere Teil der Strecke ist in nur drei Dekaden zu gehen. Das heißt: Das Tempo des Ausbaus muss beschleunigt werden. In der EU sollten deshalb schnellstmöglich für 2030 das gemeinsame Ziele und nach dem bewährten Rezept ‚common but differentiated‘ die nationalen Ziele verbindlich festgelegt werden. Die Grünen schlagen als Zielwert 45 Prozent vor.

Vernetzung der Netze

Nach wie vor hapert es in der EU an transnationalen Verbindungen zwischen den national ausgerichteten Stromnetzen. Je weniger diese gegeben sind, desto mehr wird Atomkraft als „sichere“ nationale Versorgung gerechtfertigt.

Die Anforderungen an das Stromnetz der Zukunft, das eine sichere Versorgung mit rein grünem Strom garantiert, sind hoch: Es muss den Strom dort abholen, wo sich die erneuerbare Energiequelle befindet; es muss eine Vielzahl von dezentralen und zentralen Erzeugungsanlagen integrieren und fluktuierende Angebote ausgleichen; es muss sowohl das Stromangebot als auch die Stromnachfrage und den Stromfluss in zwei Richtungen managen, d. h. Flexibilität gewährleisten. Das sind hohe Anforderungen auf der Verteiler- und auf der Übertragungsebene. Deshalb erfordert die Europäisierung des Stromnetzes nicht nur, Verbindungen zwischen den Übertragungsnetzen zu schaffen, sondern ganz wesentlich auch einheitliche Netzcodes festzulegen.

Bedeutet die Europäisierung des Stromnetzes und die Schaffung eines Binnenmarktes für grünen Strom dann, dass fast nur noch die erneuerbaren Energiequellen aus Regionen mit hoher Konzentration genutzt werden und der erzeugte Strom mittels neuer Netzautobahnen über maximale Entfernungen transportiert wird? Nein, es bedeutet, dass die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen nicht durch nationale Grenzen begrenzt ist, sondern Stromnetze miteinander verbunden werden, um eine optimale Nutzung erneuerbarer Energie zu gewährleisten und eine sichere Versorgung aus 100 Prozent regenerativem Strom, unabhängig von nationalen Grenzen sicherzustellen. Die Netzplanung für die Energiewende, die das angestrebte Tempo nicht ausbremst, sondern ermöglicht, ist koordinationsintensiv. Das erleben derzeit alle Beteiligten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in Deutschland. Mit dem Anspruch einer Europäisierung der Energiewende kommen weitere horizontale und vertikale Abstimmungen hinzu.

Wie koordinationsintensiv die Abstimmung der Planung einer Netzentwicklung ist, die das angestrebte Tempo der Energiewende nicht ausbremst, sondern ermöglicht, erleben derzeit viele grüne Politikerinnen und Politiker auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in Deutschland. Mit dem Anspruch einer Europäisierung der Energiewende kommen weitere horizontale und vertikale Abstimmungen hinzu. 

Mit dem sogenannten 3. Energiepaket von 2009 wurde der institutionelle Rahmen für die Koordination der Entwicklungsplanung auf der EU-Ebene geschaffen: das Netzwerk der Übertragungsnetzbetreiber für Strom und Gas (ENTSO-E und ENTSO-Gas) und die Europäische Energieregulierungsagentur ACER mit Sitz in Ljubljana für die Zusammenarbeit mit den nationalen Regulierungsbehörden. Zudem wurden die nationalen Übertragungsnetzbetreiber zur Aufstellung von Zehn-Jahres-Netzentwicklungsplänen (TYNDPs) verpflichtet, die dann zu einem TYNDP für die EU kombiniert und abgestimmt werden. Somit ist die Netzentwicklungsplanung nun ein Mehrebenenprozess, bei dem auf jeder Ebene Bürgerbeteiligung, demokratische Kontrolle und die Zielsetzung der Energiewende sichergestellt werden müssen. Das ist zweifellos auch eine neue Anforderung an die Koordination und Abstimmung zwischen grünen Akteuren und bedarf in nicht wenigen Fällen neuer Ideen, um Konfliktlösungen zu finden..

Für den europäischen TYNDP im Stromsektor wurden vier vorrangige Korridore gebildet: 1. Offshore-Netz in den nördlichen Meeren; 2. Verbindungsleitungen Südwesteuropa; 3. Verbindungen in Mittelost- Südosteuropa; 4. Verbundplan Ostseeraum. Hieraus werden nach öffentlicher Konsultation die Projekte von gemeinsamem Interesse festgelegt, die zukünftig auch aus dem EU Budget aus der neuen ‚Connecting Europe Facility‘ oder als Projektbonds  (gemeinsame Anleihen) oder Krediten der EIB gefördert werden können.

Aus dem TYNDP für die gesamte EU werden nach öffentlicher Konsultation die Projekte von gemeinsamem Interesse festgelegt, die zukünftig auch aus dem EU-Budget aus der neuen ‚Connecting Europe Facility‘ gefördert werden können. Den Vorschlag der Europäischen Kommission, diese für den Energiebereich mit  9 Milliarden € für den Sieben-Jahre-Zeitraum 2014 – 2020 auszustatten, hat der Europäische Rat allerdings auf 5 Mrd . € zusammengestrichen. Umso bedeutsamer wird das neue Finanzierungsinstrument der Projektbonds (gemeinsame Anleihen) und von Krediten der Europäischen Investitionsbank für eine Kofinanzierung der Netzentwicklung sein.

Atomausstieg – ein Kernthema für den grünen Europawahlkampf  

Die Entscheidung, ob ein Mitgliedstaat der EU AKW betreibt oder nicht, wird rechtlich als eine rein nationale Angelegenheit behandelt, so als wären die Risiken der Atomkraft per se auf das nationale Territorium begrenzt.  
Derzeit wird in 14 Mitgliedstaaten Atomstrom in 132 Reaktoren erzeugt. 13 Mitgliedstaaten betreiben kein AKW (Dänemark, Estland, Griechenland, Italien, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Zypern). Der Beschluss in Deutschland, aus der Atomkraft auszusteigen, ist also keineswegs so exzeptionell oder experimentell, wie die Atomkraftbefürworter ihn darstellen wollen.

Die Anzahl der betriebenen Reaktoren, die installierte Leistung und die Atomstromerzeugung in der EU sind erfreulicherweise seit Jahren rückläufig. 1989 wurden noch 189 Reaktoren betrieben. Das war die historische Höchstzahl. Die installierte Kapazität ist auf 121 GW zurückgegangen (2012), wovon 12 GW in Deutschland genutzt werden. 2005 wurden 1108 TWh Atomstrom erzeugt (historisches Maximum), im Jahr 2012 ist die Menge au 840 TWh gesunken. Davon wurden 94 TWh, also 11Prozent in Deutschland erzeugt. Damit ist Deutschland nach Frankreich weiterhin der zweitgrößte Produzent von Atomstrom in der EU.

Auch daraus rührt eine hohe Verantwortung, sich für höchstmögliche EU-weite Sicherheitsstandards und für Gesundheitsschutz einzusetzen. Die nach der Katastrophe von Fukushima durchgeführten Stresstests haben eine Mängelliste ergeben, deren Beseitigung mit Kosten von 10 – 25 Milliarden € veranschlagt wird. Dabei haben die Tests vieles ausgelassen, z.B. Risiken durch menschliches Versagen oder Materialschäden, wie sie jetzt an belgischen Reaktoren aufgefunden wurden. Die Konsequenzen, die aus der vorliegenden Mängelliste zu ziehen sind, ist ein gesamteuropäisches Thema wie auch die Frage, wie es weitergeht mit dem EURATOM-Vertrag. Die grundlegende Veränderung des EURATOM-Vertrages ist überfällig. Es sollte ein grünes Wahlkampfthema sein, denn CDU und FDP verstecken sich, trotz Ausstiegsbeschluss in Deutschland, auf europäischer Ebene hinter der Bestimmung, dass jedes Land seinen Energiemix selbst bestimmen kann.

Der EURATOM-Vertrag ist seit seiner Unterzeichnung 1957 in seinen Inhalten unverändert geblieben. Aber die Einstellung weiter Teile der Bevölkerung hat sich geändert – auch in Frankreich. Es gibt nicht mehr den Konsens, dass die „Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt“ und „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie geschaffen werden sollen“ – wie es in der Präambel des EURATOM-Vertrages heißt.  

Aus dem Vertrag sollten alle Bestimmungen zur Förderung der Kernindustrie gestrichen werden und damit auch die immensen Beträge, die aus dem EU Budget dafür zur Verfügung gestellt werden. Alleine für das Forschungsprojekt des Fusionsreaktors ITER waren es 2012 über 1,1 Milliarden €. Der Zweck des Vertrages sollte auf Sicherheitsfragen und Verantwortlichkeiten beim Betrieb von AKWs und im Umgang mit Kernmaterial und Atommüll konzentriert werden. Zudem muss endlich das demokratische Defizit beseitigt werden: Das Europäische Parlament sollte das volle Mitentscheidungsrecht für Gesetze erhalten, die auf der Basis dieses Vertrag beschlossen werden und die Bevölkerung das Recht bekommen, in allen Angelegenheiten des Vertrags eine europäische Bürgerinitiative zu ergreifen.
 
Den einseitigen Ausstieg Deutschlands – als dem zur Zeit noch zweitgrößten Atomstromproduzenten – aus dem EURATOM-Vertrag zu fordern, ist dagegen – abgesehen von der im höchsten Maße streitigen Frage, ob dieses rechtlich überhaupt möglich ist – das falsche Signal. Es würde die  Renationalisierung aller Angelegenheiten bedeuten, die derzeit im EURATOM-Vertrag für alle Atomstromproduzenten in der EU gemeinsam verbindlich geregelt sind, und steht in völligem Gegensatz  zu der gerade von Grünen hervorgehobenen Tatsache, dass die Risiken der Atomkraft nicht vor nationalen Grenzen Halt machen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise – ein Rückschritt für die europäische Energiewende?

Die gegenwärtigen Krisen wirken sich in mehrfacher Hinsicht auf die Bedingungen der europäischen Energiewende aus. Die in mehreren Mitgliedstaaten rezessionsbedingt gesunkene Energienachfrage und der auch dadurch induzierte Verfall der Preise für Emissionszertifikate mindern den Anreiz, in EE zu investieren. Die Kreditklemmen in einigen Mitgliedstaaten und die damit immens gestiegenen Finanzierungskosten für Investitionen machen z.T. die Standortvorteile z.B. für Photovoltaik in den südlichen Mitgliedstaaten zunichte. Rekapitalisierung der Banken und Verfügbarkeit von Krediten sind eine Voraussetzung für die Transformation des Energiesektors. Zudem spielen öffentliche Fördermöglichkeiten, auf der EU-Ebene durch die EIB und das EU-Budget eine wichtige Rolle, und es sollte auf allen Ebenen dafür Sorge getragen werden, dass die Mittel aus den EU Strukturfonds auch für die Energiewende genutzt werden.

Für die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie ‚Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum‘ ist die Energiewende von zentraler Bedeutung. Mittlerweile sind EU-weit über 1,1 Millionen Menschen im Bereich EE tätig. Der Ausbau der EE hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Außenhandelsbilanz. Das BMU beziffert die Einsparungen im Jahr 2011 bei fossilen Energieimporten alleine für Deutschland auf 7,1 Mrd. €. Zudem sinken die Börsenpreise für Strom mit der zunehmenden Einspeisung von grünem Strom. Die Transformation des Energiesektor verfolgt eben die drei Ziele gleichermaßen: Klimaschutz, Energiesicherheit und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und ist damit ein Schlüsselprojekt für die Überwindung der Wirtschaftskrise in der EU.

Eine europäische Gemeinschaft für erneuerbare Energie – Impuls für die europäische Integration
Kann die EU überhaupt das Ziel 100Prozent EE festlegen, immerhin ist es das Recht der Mitgliedstaaten, über ihren Energiemix zu entscheiden (Art. 194 AEUV). Andererseits ist die Förderung der EE als ein Ziel der Energiepolitik der Union und die Bekämpfung des Klimawandels als Ziel ihrer Umweltpolitik im Lissabon-Vertrag festgelegt. Allerdings muss dann, wenn ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission den Energiemix „erheblich“ berührt, der Rat einstimmig entscheiden. Wenn allerdings kein Konsens zustande kommt, können die Staaten, die in diese Richtung gehen wollen, entweder einen neuen Vertrag für diesen Zweck schließen oder auf der Basis des Lissabon-Vertrages in verstärkter Zusammenarbeit als Avantgarde vorangehen. Dabei könnten solche Zusammenschlüsse auch für Makroregionen erfolgen, die Bausteine auf dem Weg zu einer europäischen Union für erneuerbare Energie bilden.

Als die Heinrich-Böll-Stiftung 2008 hierzu erste Vorschläge vorgelegt hatte, hieß es aus Brüssel und den nationalen Hauptstädten, dass man nach den Schwierigkeiten mit dem Lissabon-Vertrag nun vertragsmüde sei. Kurze Zeit später wurde dann aber für die Eurorettungsschirme und zur Eindämmung der Staatsverschuldung ein neuer Vertrag nach dem anderen geschlossen, und mit der Finanztransaktionssteuer wird nun bei einem auch für grüne Politik finanzpolitisch bedeutsamen Projekt der Weg der verstärkten Zusammenarbeit beschritten. Das sollte die Grünen beflügeln, für die Energiewende in Europa eine Europäische Gemeinschaft für Erneuerbare Energien – ERENE – vorzuschlagen. Gerade in der jetzigen Krise, in der viele Menschen in der EU sich der Vorteile des gemeinsamen Weges nicht mehr sicher sind, kann das ein neues großes Integrationsprojekt sein, das den Wert verdeutlicht, den gemeinsames Handeln für die Zukunftsfähigkeit Europas hat.


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Dr. Michaele Schreyer ist Vizepräsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland und Dozentin an der FU. Von 1999–2004 war sie EU-Kommissarin für den Haushalt.

Dieser Text erschien in - einer kürzeren Version - in Böll.Thema 1/2013: Es grünt.


Anmerkung
* Beispielhaft seien zwei Studien des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums genannt:  In seiner Studie „Trans-Mediterranean interconnection for concentrating solar power“  von 2006 schätzt das DLR das ökonomische Potenzial für Strom aus erneuerbaren Energiequellen der EU-Mitgliedstaaten, der Nachbarstaaten Norwegen und Schweiz und der Kandidatenstaaten zusammen auf 5780 TWh/a (ohne offshore Wind) geschätzt. Dem stand ein Stromverbrauch in diesen Staaten von zusammen 3800 TWh/a gegenüber. In seinem für den Sachverständigenrat für Umweltfragen erstellten Bericht „Möglichkeiten und Grenzen  verschiedener regenerativer Energiequellen zu einer 100% regenerativen Stromversorgung bis zum Jahr 2050 in der Bundesrepublik Deutschland“  von 2010 wird das regenerative Stromerzeugungspotential für die Region Europa-Nordafrika auf 105 000 TWh/a geschätzt.