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Heinrich-Böll-Stiftung zu den Vorwürfen der „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union" (FAU)

Lesedauer: 4 Minuten

Worum geht's?

Die der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung hat wie alle politischen Stiftungen den Auftrag, demokratische Bildungsarbeit zu leisten. Wir organisieren Debatten, Seminare, Konferenzen, geben Publikationen heraus und nutzen das Internet für Hintergrundinformationen und Diskussionsbeiträge aus aller Welt.

Viele Veranstaltungen finden in unserem Konferenzzentrum in Berlin statt. Für die Bestuhlung der Räume, die Konferenztechnik und die Bewirtung unserer Gäste nutzen wir die Unterstützung externer Dienstleister - wie die meisten großen Veranstalter. Auch Gebäudereinigung, Empfang und Haustechnik sind extern vergeben.

Prekäre Arbeitsbedingungen, Dumpinglöhne? Die Fakten

Unsere Arbeit wird überwiegend aus Steuergeldern finanziert. Wir sind verpflichtet, sie sparsam und wirtschaftlich einzusetzen. Das tun wir auch. Wie andere vom Bund finanzierte Einrichtungen unterliegen wir dem Zuwendungs- und Vergaberecht. Wir schreiben Dienstleistungen aus, den Zuschlag erhält das wirtschaftlichste Angebot. Selbstverständlich setzen auch wir uns für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Wir können aber nicht einfach Firmen beauftragen, die den von den Grünen geforderten Mindestlohn zahlen. Das Zuwendungsrecht sieht im Preis eines Angebots ein wichtiges Kriterium für Wirtschaftlichkeit und schreibt vor, dass Dienstleister mindestens Tariflohn zahlen müssen, wenn es einen gibt. Dem tragen wir beim Zuschlag Rechnung und achten darauf, dass die Dienstleister ihren Mitarbeiter/innen möglichst faire Bedingungen bieten. In einigen Bereichen verdienen die externen Mitarbeiter/innen sogar mehr als der Tarif für den öffentlichen Dienst vorsieht.

Warum beschäftigen wir überhaupt externe Dienstleister?

Die Arbeiten im Konferenzbereich fallen unregelmäßig an, je nach Zahl und Größe unserer Veranstaltungen. Es macht Sinn, damit externe Dienstleister zu beauftragen, die eine Vielzahl von Kunden bedienen und ihren Arbeitskräften eine kontinuierliche Beschäftigung anbieten können, was die Stiftung selbst nicht gewährleisten kann. Wir bieten unseren Mitarbeiter/innen familienfreundliche Arbeitszeiten, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung. Aber zugleich wollen wir möglichst viele Mittel in unseren Kernauftrag stecken: die politische Bildungsarbeit. Gäben wir mehr aus für Personal und Verwaltung, ginge das zu Lasten der inhaltlichen Projekte.

Haben wir Mitarbeiter/innen gekündigt, weil sie gegen uns klagen?

Diesen Vorwurf weisen wir entschieden zurück! Wir haben nicht gekündigt. Der Vertrag mit der Dienstleistungsfirma für den Veranstaltungsservice lief regulär am 31. Juli 2013 aus. Wir mussten aus zuwendungsrechtlichen Gründen neu ausschreiben und neu vergeben. Die bisherige Firma hat sich nicht wieder beworben. Die neue Firma zahlt nach dem Zeitarbeitstarifvertrag iGZ.

Und warum steht die Heinrich-Böll-Stiftung dann vor Gericht?

Drei Mitarbeiter der früheren Firma haben Klage eingereicht. Sie streiten für eine Festanstellung bei der Stiftung, weil der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (den wir anwenden) einen höheren Stundenlohn für einfache Tätigkeit vorsieht als der Zeitarbeitstarif. In den Verfahren geht es um die Frage, ob der Einsatz der externen Arbeitskräfte einem Dienstleistungsvertrag entsprach oder de facto ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen und der Stiftung begründete, ab wann dieses Arbeitsverhältnis ggf. bestand, und welche Art der Tätigkeit in welcher Entgeltgruppe ausgeübt wurde.

Und wie hat das Gericht entschieden?

Das Arbeitsgericht Berlin hat am 5. September der ersten Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Heinrich-Böll-Stiftung stattgegeben. Die Art und Weise, wie der Mitarbeiter in der Stiftung eingesetzt war, entsprach nach Auffassung des Gerichts einer Arbeitnehmerüberlassung und keiner externen Dienstleistung. Die für eine Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Lizenz fehlte auf Seiten des Dienstleisters aber zu diesem Zeitpunkt. Der zwischen Mitarbeiter und Dienstleistungsfirma geschlossene Arbeitsvertrag galt damit automatisch als mit der Stiftung geschlossen.

Was folgt daraus?

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist am 21. Oktober wird das Urteil rechtskräftig. Der Mitarbeiter ist damit rückwirkend seit April 2011 bei der Heinrich-Böll-Stiftung angestellt. Mit dem Kläger wurde daher ein Gespräch über die künftige Zusammenarbeit vereinbart.

Erhält der Mitarbeiter Lohn?

Selbstverständlich wird der Mitarbeiter rückwirkend ab Beginn des Vertragsverhältnisses seinen Lohn erhalten.

Warum verhandelt die Stiftung nicht mit der FAU?

Die Stiftung sieht keinen Grund für Verhandlungen mit der FAU. Die strittigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Stiftung, wie Eintrittsdatum in die Stiftung, Stundenumfang und Eingruppierung, werden vom zuständigen Arbeitsrichter beurteilt.

Weshalb die Grünen die falsche Adresse für Proteste sind

Wenn jetzt die FAU, eine anarcho-syndikalistische Organisation, versucht, die Grünen unter Druck zu setzen, um ihren Konflikt mit der Heinrich-Böll-Stiftung auszutragen, behandelt sie die Stiftung wie eine Untergliederung der Partei. Das sind wir aber nicht. Wir legen Wert auf unsere Eigenständigkeit und treffen unsere Entscheidungen in eigener Verantwortung. Die FAU hat einen Konflikt mit der Stiftung. Es offenbart ein merkwürdiges Demokratieverständnis, wenn sie dafür die Grünen in Haftung nehmen will.

 

Pressekontakt:

Ramona Simon

E-Mail: simon@boell.de

Fon: 030 - 285 34-202

Fax: 030 - 285 34-494

 

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