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Urban Gardening in Kommunen. Die Regenerative Stadt IV

Lesedauer: 13 Minuten

Die Heinrich-Böll-Stiftung organisiert mit der Serie 'Die Regenerative Stadt' eine Reihe von Tagungen mit bundesweiter Ausrichtung, deren Ziel es ist, Akteur/innen der Kommunalpolitik mit Aktiven des Feldes zusammenzubringen, um im Sinne einer best practice regenerative Kommunalentwicklung zu fördern. Das Schlüsselthema der vierten Tagung lautete 'Urban Gardening in Kommunen'. Städtisches Gärtnern ist dabei ein sehr vielfältiges Phänomen, das stetig erweitert wird und zahlreiche Assoziationen weckt: ökologische Aspekte wie Biodiversität und Nachhaltigkeit spielen eine wichtige Rolle, ebenso soziale Aspekte wie Selbstermächtigung, Gemeinschaft und Integration. Auch politische Fragestellungen aus den Bereichen Stadtentwicklung und Partizipation gehören zum Thema, darüber hinaus Aspekte wie gesunde Ernährung, Ernährungssicherheit, und auch Naturnähe und Ästhetik. Die Liste könnte leicht erweitert werden, auffällig ist jedoch, dass all diese Themen Überschneidungen bieten und nicht unabhängig voneinander zu denken sind. Ziel der Tagung war es, genau diese Schnittmengen auszuloten und die Entwicklungspotentiale des städtischen Gärtners zu diskutieren.

Exkursion 'Urbanes Gärtnern in Leipzig'

Die Tagung begann mit einer dreistündigen Exkursion, bei der die Teilnehmenden verschiedene Orte städtischen Gärtnerns besuchten und mit Akteuren dreier Projekte ins Gespräch kamen. Konzeption und Durchführung der Exkursion lagen in der Hand von Michael Berninger, der dem Stiftungsrat der Stiftung Bürger für Leipzig[1] angehört.

Die wichtigsten Stationen waren die neuen Orten des urban gardening: In einem Sanierungsgebiet zwischen Stadthäusern gelegen, existieren die Nachbarschaftsgärten seit 2004 als Gemeinschaftsgarten auf privatem Gelände in der Josephstraße in Leipzig-Lindenau. Auf 60 abgegrenzten Parzellen gärtnern hier ca. 80 Menschen, und mit verschiedenen Gemeinschaftsprojekten bildet dieser Garten einen wichtigen Treffpunkt im Quartier. Darauf folgte ein Stopp am Jahrtausendfeld, einer Brachfläche im Eigentum der Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft an der Karl-Heine-Straße. Hier kam eine der zentralen Fragen des städtischen Gärtnerns auf: Wem gehört die Fläche? In der Diskussion zeigte sich schon hier, dass der Besitz bzw. das mittel- langfristige Nutzungsrecht von Flächen eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Projekte ist.

Beim nächsten Stopp, dem Areal des Plagwitzer Güterbahnhofs, wurde dies bestätigt: Die Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs ist Eigentum der DB AG, die bei der Umstrukturierung des Geländes vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgt. Michael Berninger und Toralf Zinner von der Stiftung Ecken wecken verwiesen in diesem Zusammenhang auf die herausragende Rolle bürgerschaftlichen Engagements, so wurde die Bürgerinitiative Bürgerbahnhof Plagwitz früh in die Planung der Gestaltung der Flächen eingebunden und letztlich mit der Planung einer Fläche von 8000 m² beauftragt. Diese Beteiligung der Bürger/innen könne sich jedoch über Jahre ziehen und brauche einen langen Atem, machten beide deutlich.

Über die Alte Gärtnerei ging es weiter zum Offenen Garten Annalinde. Beide sind Projekte der Initiative für Zeitgenössische Stadtentwicklung (IFZS). Mit der Alten Gärtnerei hat die Initiative in diesem Jahr eine neue Projektfläche mit 500 m² aufgenommen, die als „Experimentierraum für urbanen Gemüseanbau“ dienen soll. Das Ziel ist, lokale Restaurants mit frischem Gemüse zu beliefern[2] und sich so ein wirtschaftliches Standbein und Arbeitsplätze zu schaffen.

Von dort aus führte die Exkursion zum Offenen Garten Annalinde, dem ersten Projekt der IFZS. Georg, einer der Akteur/innen, erläuterte das Konzept: Ca. 30 Menschen arbeiten regelmäßig in diesem Nutzgarten und Interessierte seien "eingeladen, sich zu beteiligen", deren Alter liege zwischen 20 – 40 Jahren und ihre Interessen seien durchaus vielfältig. Wie man mit Vielfältigkeit als Wesensmerkmal des gemeinschaftlichen Gärtnerns umgeht und wie Partizipation sinnvoll gestaltet werden kann, diese Fragen wurden im Gespräch mit den Beteiligten mehrfach gestellt. Der Offene Garten setzt dabei auf verschiedene Konzepte der Einbindung, u.a. durch Kinder- und Jugendprojekte, Gartendinner und Kooperationen mit Veranstaltern.

Und wenngleich Annalinde ein mobiler Garten mit beweglichen Beeten ist, würden sich die Akteur/innen über langfristige Planungssicherheit freuen, die aufgrund nur einjähriger Pachtverträge mit dem Liegenschaftsamt fehlt.

Tagung Urban Gardening in Kommunen

Die Reihe 'Die Regenerative Stadt' frage, so Sabine Drewes, Referentin für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung bei der Heinrich-Böll-Stiftung, nach der Zukunft kommunaler Stadtentwicklung. Mit der regenerativen Stadt werde das Leitbild einer Stadtentwicklung vor- und zur Diskussion gestellt, in dem Städte „neu in die sie umgebende Ökosysteme einbettet sind und sie nicht zerstören“. Genau an diesem Punkt komme ihrer Meinung nach das städtische Gärtnern ins Spiel: Dessen Motive seien, anders als beim Gärtnern im privaten Raum, sozialer und politischer Natur, so dass es hohes Stadtentwicklungspotential berge. Urban gardening stelle Fragen nach der Erhaltung und Schaffung „grüner Freiräume“ sowie nach der zukünftigen Nahrungsmittelversorgung wachsender Städte. Das Thema biete eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten im ökologischen, politischen und sozialen Spektrum, so Drewes.

Stefan Schönfelder, Geschäftsführer von Weiterdenken e.V. - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, bezeichnete urban gardening darüber hinaus als gesellschaftskritische Bewegung. Diese hinterfrage die private Aneignung von Gemeingütern und übe Kritik an Konsum und der ökonomischen Verwertbarkeit verschiedener Lebensbereiche. Darauf gründen sich die Idee der Partizipation und die nicht-ökonomische Ausrichtung vieler Projekte.

Die Regenerative Stadt

Einleitend skizzierte Stefan Schurig, Klima- und Energiedirektor des World Future Council in Hamburg, das Konzept der Regenerativen Stadt, das in Zusammenarbeit mit der UN als globale Entwicklungsperspektive entwickelt wurde. Vor dem Hintergrund von Urbanisierung (die Zahl der Menschen, die in Städten leben, ist von 1800 bis 2000 von drei auf 47 % gestiegen) und dem hohen städtischen Ressourcenverbrauch (80% der Ressourcen werden in Städten verbraucht), müssten neue Stadtkonzepte entwickelt werden, um dem Klimawandel zu begegnen. Im Gegensatz zur „Petropolis“, der von fossilen Brennstoffen abhängigen Stadt, sei die „Ecopolis“ als Regenerative Stadt Teil einer Entwicklung globaler Nachhaltigkeit, führte Schurig aus. In seiner globalen Ausrichtung enthalte das Konzept gleichzeitig die Forderung, Wandel lokal und „von unten“ anzustoßen. Schurig stellte heraus, dass es dazu sowohl einer visionären  Kommunalpolitik bedürfe als auch des Vermögens, Menschen einzubinden und Engagement anzuregen. Abschließend machte er deutlich, dass urban gardening ein wichtiger Teil der Regenerativen Stadt sei.

Urbanes Gärtnern zwischen Hightech und neuer Nähe zur Natur

Diese Runde war als Einführung in die Spannbreite des Themas angelegt. Zunächst referierte Andrea Baier, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis und Soziologin aus München, die Entstehung und die politischen Wesenszüge der Bewegung. Sie beschrieb, wie bereits früh Eigeninitiative und politische Motivationen den Drang zum Gärtnern im öffentlichen Raum geprägt haben. Mit Ursprung in den community gardens in New York City habe sich Ende der 1990er Jahre ein Selbstbewusstsein der Bewegung ausgebildet, das Gesundheits- und Do-it-yourself-Trends genauso umspanne wie den Wunsch nach politischer Einmischung und partizipativer Stadtentwicklung. Auch Recycling und  Kreativität seien wichtige Facetten des urban gardening. Davon ausgehend betonte auch Baier, dass der Politik die Aufgabe obliege, Flächennutzung langfristig planbar zu machen. Häufig hätten Projekte nur entwickelt werden können, weil sie die Unterstützung politischer Ämter gefunden hätten. Als „Plattformen, wo Stadt neu gedacht werden kann“, sehe sie großes Potential in Stadtgärten.

Anschließend stellte Rebecca Woywood, Development Managerin und Sales Managerin bei der Urban Farmers AG in Zürich, die technischen Systeme der Firma vor, sogenannte Aquaponics, die in einem zirkulären System Fischzucht und Gemüseanbau kombinieren und für die städtische Nutzung ausgelegt sind. Das Unternehmen hat in diesem Jahr sein erstes Projekt in Basel begonnen und wird auf der zukünftigen Bebauung des Holzmarkt-Geländes in Berlin ein Rooftop-Farming-Projekt realisieren. Woywood erläuterte, wie Aquaponics durch Flächeneinsparung, kurze Transportwege und Ressourceneffizienz Teil einer nachhaltigen städtischen Landwirtschaft sein könnten.

 

In der folgenden Diskussion wurde besonders Rebecca Woywood intensiv befragt: So wurde nachgefragt, wie es tatsächlich um die Ressourceneffizienz sowie das Verhältnis von Input und Output bei den Projekten stehe. Ein Teilnehmer meinte, dass Aquaponics in Herstellung und Anschaffung ressourcenintensiv seien und damit der Idee des Down-Sizing im städtischen Gärtnern widersprächen. Die Frage sei, so Baier, „Wer hat die Kontrolle und wer kann sich das leisten?“ Sie sehe beim urban gardening vor allem eine politische Motivation, bei der soziale Belange mitgedacht würden – dieser Aspekt fehle bei solchen Systemen, die industriell anmuteten. Woywood stellte daraufhin heraus, dass Aquaponics im Gegensatz zu vielen urban gardening-Projekten einen respektablen wirtschaftlichen Ertrag hätten und professionell betrieben werden könnten. Sie stellte heraus, dass das Verhältnis von Input zu Output bei dieser Art der Fleischproduktion wesentlich günstiger sei als bei traditioneller Fleischproduktion: So könne man mit ca. 1 kg Fischfutter, das rein pflanzlich sei, 800 g Fisch produzieren. Das Rooftop-farming befinde sich noch in einer wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Pilotphase, es sei aber mit weiteren Effizienzgewinnen zu rechnen. Damit rechneten offensichtlich auch viele Städte hauptsächlich in Asien, denn das Interesse dort sei groß.

Der vermeintliche Gegensatz der beiden Positionen wurde letztlich auch aus dem Publikum in Frage gestellt: Beides könne Hand in Hand gehen und Teil der regenerativen Stadt sein. Stefan Schurig brachte es auf den Punkt: Auch sein Herz schlage für romantische Naturnähe, doch rate ihm sein Verstand auch zu moderner Landwirtschaft in der Stadt, wenn er an die Mega-Städte der Zukunft denke.

Ausstellung 'Hands-on-urbanism'

Franciska Zólyom, die Leiterin der Galerie für zeitgenössische Kunst (GfZK), , führte in die Ausstellung „Hands-on-Urbanism“ ein. Als Kulturtheoretikerin, so Zólyom, verstehe Kuratorin Elke Krasny urbanes Gärtnern als eine Antwort auf die Modernisierung, die sich als bottom-up-Prozess ihren Weg gebahnt habe und dabei eine Stadtgeschichte jenseits von Großprojekten und politischem Plandenken schreibe. Die Ausstellung zeige 19 historische und vergleichende internationale Fallstudien städtischen Gärtnerns zwischen 1850 und 2012. Dabei würde sowohl auf die historischen Anfänge der Bewegung in Leipzig zurückgegriffen als auch auf das urbane Gärten in den USA, England oder in der Türkei.

Urbane Landwirtschaft, urbanes Gärtnern und Biodiversität in der Stadt

Die zweite Runde, moderiert von Stefan Schönfelder, brachte zwei Beispiele des urban gardening zusammen, die sich in Ansatz und Entstehen sehr unterscheiden. Zuerst berichtete Ulrike Linhsen, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat Andernach vom Projekt Essbare Stadt, das in dem Ort mit 30.000 Einwohner/innen seit einigen Jahren von der Stadtverwaltung verfolgt wird. Dabei wurden die Grünflächen der Stadt mit Nutzpflanzen ausgestattet, die zur freien Verfügung stehen. D.h. die Bürger/innen dürfen Tomaten und Kartoffeln ernten und sich auch Samen für ihre eigenen Gärten mitnehmen. Begonnen habe Andernach mit Tomaten. Es gebe 500 Tomatensorten, so Linhsen, und Andernach habe im ersten Jahr „Essbare Stadt“ 100 davon angepflanzt. Als Arbeitskräfte kommen Hartz-IV-Empfänger/innen und Langzeitarbeitslose zum Einsatz. „Die Idee kommt von oben“, so Linhsen, und sei nach anfänglicher Skepsis auf große Akzeptanz und Unterstützung seitens Bevölkerung und Politik gestoßen. Linhsen beschrieb, wie durch das Projekt nicht nur das primäre Ziel der Kosteneinsparung erreicht worden sei. Die Kosten für die Pflege der Grünflächen seien drastisch gesunken, weil die Stadt vermehrt Stauden angepflanzt habe und so auf die vierteljährliche Neubepflanzung verzichten kann. Auch die Biodiversität in der Stadt sei erhöht und positive soziale Effekte seien erzielt worden. Dies sei besonders einigen zentralen Akteur/innen und der Unterstützung des Bürgermeisters zu verdanken, aber auch dem Engagement der Bevölkerung, denn, so Linhsen, „die Bürger machen mit“. Andernach verfolge nun die Vision der „öko-humanen Stadt“ und werde das Konzept des städtischen Gärtnerns langsam und stetig und mit Rücksicht auf lokale Gegebenheiten weiterentwickeln, so Linhsen.

Anschließend stellte Jakob Ottilinger, einer der Gründer der Initiative für Zeitgenössische Stadtentwicklung (IFZS) in Leipzig, deren Projekte vor. Die IFZS wurde 2011 gegründet mit dem Ziel, Stadtentwicklung kritisch mitzugestalten und „sich unabhängig von wirtschaftlichen Faktoren auszuprobieren“. Leipzig, so konstatiere Ottilinger, biete als Stadt zurzeit noch viel Freiraum, eine wichtige Voraussetzung für an Nachhaltigkeit und Partizipation orientierte Projekte. Als erstes Projekt wurde der Offene Garten Annalinde mit einer Größe von 2000 m² 2011 gegründet und bilde mittlerweile, so Ottilinger, einen Treffpunkt im Kiez für Jung und Alt. Er begreife den „Garten als ein Medium, an das Verschiedenes anknüpfen kann“, so bestehen Kooperationen mit Kindergärten, Gesamtschulen und Seniorengruppen. Darüber hinaus sei den Beteiligten wichtig, durch kreative Öffentlichkeitsarbeit auf sich aufmerksam zu machen, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Galerien und der Clubszene. Letztlich wolle man so das „Öko-Image abschütteln“, um Menschen mit verschiedenen Hintergründen zu erreichen und zusammenzubringen.

 

In der darauf folgenden Diskussion wurde nach einer Definition von urban gardening gefragt. Ottilinger bezeichnete den Begriff als Modebegriff, welcher der Vielfalt des Phänomens nicht gerecht werde. Die Formen und Intentionen der Projekte seien mittlerweile sehr unterschiedlich. Dementsprechend zeigte sich auch in dieser Runde ein wesentlicher Unterschied der vorgestellten Projekte: Während die Flächensicherheit in Andernach per se gegeben ist, werden die Pachtverträge von Annalinde jährlich verlängert. Ottilinger äußerte daher den „Wunsch nach mehr Planungssicherheit mit längeren Verträgen“, denn auch wenn der Garten mobil sei, würden solche Projekte über die Zeit an Form und Gehalt gewinnen. Mobilität vertrage sich im Grunde nicht gut mit Gärtnern.

Interessant war daneben die Frage, ob nicht-kommerzielle Gartenprojekte, betrieben von Menschen in prekärer finanzieller Situation, eine Konkurrenz für normale Gartenbetriebe darstellten. Für Andernach konstatierte Linhsen jedoch nur positive Rückmeldungen seitens der ansässigen Betriebe und Ottilinger wies darauf hin, dass mit der neu erworbenen Fläche Alte Gärtnerei nur für wenige Beteiligte der Wunsch nach gesichertem Einkommen verbunden sei.

Urbanes Gärtnern auf dem Vormarsch in Kommunen?

Die Diskussion, moderiert von Marco Schrul, geschäftsführender Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen, wurde von Marta Villalba eröffnet, die über die Internationalen Gärten Dresden (IGD) referierte. Diese wurden 2005 nach Vorbild der Göttinger Internationalen Gärten ins Leben gerufen. Mit dem Projekt, so Villalba, wolle man AsylbewerberInnen und Migrant/innen einen Ort der Selbstverwirklichung bieten, im Vordergrund stehe deshalb die Förderung von Eigeninitiative, Integration und sozialer Entfaltung. In Dresden-Johannstadt gelegen, einem Stadtteil mit hohem Migranten-Anteil, sei dieser interkulturelle Garten ein „Sozialprojekt“ und werde von zahlreichen gemeinsamen Aktionen begleitet. Villalba merkte an, dass die IGD keine Unterstützung seitens der Stadt erhielten und die jährlich anfallende Pacht den Verein sehr belaste. Aufgrund der unsicheren finanziellen Situation befinde sich das Projekt in einem „steten Existenzkampf“. Sie zeigte sich dennoch optimistisch, dass der Garten durch das Engagement und die Ideen der Beteiligten weiter wachsen könne.

Aufgrund der kurzfristigen Absage von Inge Kunath, Leiterin des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, Stadt Leipzig, fehlte in der Podiumsdiskussion die Sicht der Kommunalverwaltung. Andrea Baier fand das symptomatisch: Es gebe zwar ein grundsätzliches Interesse von Kommunalverwaltungen an dem Thema, jedoch fehle die strukturelle Unterstützung von urban gardening-Projekten. Allerdings nannte Baier auch positive Beispiele wie die Stadt Hamburg, wo es seit Kurzem eine Gärtnerbeauftragte gebe. „Es bewegt sich was, aber langsam und mit Widerständen“, sagte sie, entscheidend sei die Frage „Finden sich Leute, die sich stark machen?“ Ihr pflichtete Rebecca Woywood bei, die Gründung ihrer Firma sei nur durch staatliche Förderung und private Finanzierung ermöglicht worden. Aus unternehmerischer Perspektive sehe sie jedoch ein wachsendes Interesse an städtischem Gärtnern, unter anderem durch ein verstärktes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Gesundheit.

Im Anschluss an die Tagung wurde das Buch 'Die Stadt der Commonisten' (2013) vorgestellt, herausgegeben von Andrea Baier, Christa Müller und Karin Werner.[3] In großem Format gebunden, präsentiert das Fotobuch verschiedene urban gardening-Projekte, dabei werden die Fotos von Inge Kerber ergänzt durch lexikonartige Einträge zu allem, was die DIY-Bewegung ausmacht. Das Buch fußt auf mehrjährigen Kontakten und der intensiven Begleitung der Projekte und bietet eine ästhetische und persönliche Annäherung an das Thema.


Fußnoten:

[1]     Die Stiftung Bürger für Leipzig ist u.a. beteiligt am Leipziger Garten Programm, einer Initiative, die die Gärten der Stadt bündelt und fördert. Auf ihrer Internetseite findet sich u.a. eine Liste der Gemeinschaftsgärten der Stadt.

[2]     Der Gastronom Carl Fauser, der in der Nähe ein Restaurant betreibt, war durch den Kauf der Fläche maßgeblich an der Entstehung des Projekts beteiligt.

[3]     Andrea Baier, Christa Müller und Karin Werner (2013): Die Stadt der Commonisten. Neue urbane Räume des Do it yourself. Bielefeld: Transcript.


Videomitschnitt der Veranstaltung