Ein Paradebeispiel unter der Lupe: Die Europäische Bürgerinitiative "right2water"

"Right2water" ist die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative und hat es geschafft, das Thema Wasser in aller Munde zu bringen. Was macht den Erfolg dieser Initiative aus und was können andere davon lernen?

Den Anstoß für die Bürgerinitiative "right2water" gaben zwei Entwicklungen: Erstens die Enthaltung mehrerer EU-Mitgliedstaaten, als das Menschenrecht auf Wasser in der UN-Grundrechtcharta verankert wurde. Zweitens die wiederholten Liberalisierungsversuche der EU-Kommission in Bezug auf den Wassersektor, zuletzt im Rahmen der Konzessionsrichtlinie. Dem sollte ein Ende gesetzt werden. Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware. Wasserversorgung hat deshalb nichts im Binnenmarkt zu suchen. Sie ist national öffentlich zu organisieren mit dem Ziel, allen Bürgerinnen und Bürger tatsächlich Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung zu verschaffen. Es waren die Mitgliedsgewerkschaften des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den öffentlichen Dienst (EGÖD), die die Europäische Bürgerinitiative für das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung initiiert haben und diese auch koordinieren. In Deutschland hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Federführung übernommen.  

"Right2water" ist die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitative (EBI), sie hat es geschafft, innerhalb der gesetzten Fristen mehr als eine Millionen Unterschriften in mehr als sieben  EU-Ländern zu sammeln. Die erste Hürde wurde ein halbes Jahr vor der Frist (im Februar 2013) genommen: 1 Millionen Menschen EU-weit hatten zu diesem Zeitpunkt die EBI unterstützt. Nur drei Monate später wurde die zweite Voraussetzung erfüllt: in mehr als sieben Ländern wurde das Mindestquorum erreicht. Im Juli haben sogar insgesamt zwölf Länder das Quorum überschritten, Ende Juli waren es schon über 1,7 Millionen Unterschriften. Ziel ist bis zum Enddatum am 9. September die zwei Millionen-Grenze zu erreichen.

Jetzt schon erfolgreich: Wasser bleibt öffentliches Gut

"Right2water" hat bereits vor Beendigung der Jahresfrist bedeutende politische Siege errungen. Als eine Million Unterschriften überschritten waren, signalisierten sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundesregierung erstmals Bereitschaft, über Ausnahmeregelungen für die Wasserwirtschaft in der Konzessions-Richtlinie zu sprechen. Es ist der immens starken bürgerschaftlichen Beteiligung an der Initiative zu verdanken, dass in den Verhandlungen auf EU-Ebene zur Konzessions-Richtlinie am 25. Juni der Wassersektor aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen wurde. Ein großer Erfolg, der der Forderung der Initiative nach Nicht-Liberalisierung der Wasserwirtschaft nach kommt.

Nachdem der Erfolg von "right2water" nach Prüfung aller Unterschriften durch nationale Behörden im Dezember formal bescheinigt werden wird, werden das Europäische Parlament und die Europäische Kommission die Initiator/innen zu einer Anhörung einladen. Bei dieser Anhörung werden von unserer Seite sehr konkrete Vorschläge für die EU-Gesetzgebung vorgetragen, die das Menschenrecht auf Wasser garantieren und das öffentliche Gut Wasser dauerhaft schützen sollen.

Zu diesen Vorschlägen muss die Kommission bis März 2014 in Form einer Mitteilung Stellung nehmen. Erst dann werden wir wissen, welche Wirkung dieses Instrument der Bürgerbeteiligung tatsächlich entfalten kann. Aber unabhängig von der Stellungnahme der Kommission: Die Kandidat/innen für die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2014 werden sich im Wahlkampf zu den Forderungen von "right2water" ebenfalls positionieren müssen. Damit fördern wir eine öffentliche europäische Diskussion zu diesem Thema. Ein zweiter politischer Nutzen der Bürgerinitiative.

Was macht den Erfolg von "right2water" aus?

Die formalen Hürden für das Gelingen der seit April 2012 eingeführten Europäischen Bürgerinitiative sind hoch, die EBI ist deshalb nur für wenige erfolgreich nutzbar. Die Initiative "right2water" konnte nur deshalb so erfolgreich sein, weil die Initiator/innen auf europaweite Strukturen zurückgreifen und über haupt- sowie ehrenamtliche Mitglieder des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den öffentlichen Dienst in die Fläche der Mitgliedstaaten reichen konnten. Auch die gute finanzielle Ausstattung war Voraussetzung für die Kampagne. In Deutschland, das mit über 1,36 Millionen den Löwenanteil der Unterschriften ausmachte, war zudem die starke Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen (BUND, attac, BBU, DGB, GIB, Grüne Liga und viele andere) und z.T. von Branchenverbänden extrem wichtig, da diese das Anliegen der EBI in die Breite der Gesellschaft trugen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema Wasser, zu dem die Menschen im allgemeinen eine positive emotionale Bindung haben. So haben sich viele Menschen entschlossen, nicht nur selbst zu unterschreiben, sondern auch aktiv zu werden und Unterschriften zu sammeln. Für Deutschland war das Aufgreifen des Themas durch die breitenwirksame Medien bedeutend, insbesondere die Monitor-Sendung im Dezember 2012 und „Erwin Pelzig“ in „Neues aus der Anstalt“ im Januar 2013.

Es gibt viele Hürden zu überwinden

Initiator/innen, die nicht auf bereits funktionierende EU-weite Strukturen zurückgreifen können, werden nur sehr schwer beide formalen Hürden von einer Million Unterschriften in mindesten sieben Ländern (mit Mindestquoren) innerhalb der Jahresfrist erfüllen können. Das spiegelt sich bei den derzeit laufenden 16 EBIs wider. Allein die Anti-Abtreibungs-Kampagne der Katholischen Kirche, also auch einer sehr finanz- und mitgliederstarken Organisation, hat Chancen, erfolgreich zu sein.

Gleichzeitig ist ein Jahr eine lange Zeit, wenn es darum geht, ehrenamtlich eine Kampagne am Laufen zu halten. Erschwerend kommt hinzu, dass die nationale Ungleichzeitigkeit öffentlich diskutierter Themen ein erhebliches Problem bei der Erreichung der Mindestquoren in sieben Ländern darstellt. Ein großes Problem ist auch die Fehlerquote bei den Unterschriften auf Papier. Aus Datenschutzgründen können diese Listen nicht einfach ausgelegt werden und auch wegen der vielen abgefragten Daten ist hier eine intensive Betreuung nötig.

Vielen Bürger/innen muss der Unterschied zwischen den Online-Petitionen der verschiedensten Plattformen (wie zum Beispiel change.org) und der Europäischen Bürgerinitiative erläutert werden. Schließlich muss das Thema der EBI nicht nur formal europäisch sein, sondern auch tatsächlich die Bürger/innen EU-weit so berühren, dass sie sich dafür engagieren. Die Öffentlichkeitsarbeit von EBI-Initiator/innen muss dann darauf abzuzielen, in allen Medien zu erscheinen, sowohl im Politik- als auch im Kulturteil, sowohl national als auch regional.

Fazit: Was können Europäische Bürgerinitiativen tatsächlichen bewirken?

Berührt das Thema der EBI einen aktuellen Gesetzgebungsvorgang in der EU, kann sie das Verfahren schon vor ihrem Abschluss beeinflussen, wie das bei "right2water" in Bezug auf die Konzessions-Richtlinie der Fall war.
Die starke Unterstützung in der (deutschen) Zivilgesellschaft für "right2water" hat viele Kommunalparlamente, Länderparlamente, Bundestag und Bundesrat dazu gebracht, das Thema Wasser als öffentliches Gut auf die Tagesordnung zu setzen. Abgesehen vom Bundestag haben alle das Anliegen der EBI durch Beschlüsse unterstützt.

Viele Bürger/innen haben sich erstmals dafür interessiert, wie ihre Wasserversorgung organisiert ist. Viele von ihnen fordern jetzt engagiert ein, die gute öffentliche Wasserversorgung in Deutschland zu schützen. Dieses Einmischen in öffentliche Belange ist gut für unsere Demokratie und hat auch zu einer europäischen Öffentlichkeit beigetragen.Es hat uns sehr ermutigt zu sehen, wie viele Menschen Erwartungen an Europa haben und bereit sind, sich zu engagieren.