Von roten Rosen bis zum Frauentausch

Pari Niemann arbeitet seit über 20 Jahren beim NDR. Zur Zeit ist sie beim NDR Niedersachsen für die Charta der Vielfalt und den Juliane Bartel Medienpreis zuständig. Bei der Heinrich-Böll-Stiftung war sie im Rahmen der Veranstaltung „JournalistIn werden“ zu Gast.

Frau Niemann, Sie beschäftigen sich mit der Vermittlung von Frauenbildern in den Medien. Wie hat sich die Repräsentation von Frauen verändert?

Pari Niemann: Große Umwälzungen beobachte ich nicht. Die Repräsentation von Frauen verändert sich nicht von heute auf morgen, dafür muss erst einmal mehr journalistisches Bewusstsein geschaffen werden. Das heißt: sorgfältige Recherche, alle relevante Personen zu Wort kommen lassen, die Wirklichkeit der Gesellschaft abbilden, kreativ sein und immer wieder nach interessanten Geschichten suchen. Das ist guter Journalismus. Wenn JournalistInnen das täten, würden sie nicht die Frauen und ihre Geschichten vernachlässigen.

Gibt es denn trotzdem konkrete positive Entwicklungen?

Sicher! Das ZDF zum Beispiel zeigte am 13. Mai eine ganze Sendung mit hundertprozentiger Frauenquote – vor und hinter der Kamera nur Frauen, ebenso in der Technik. Vor einigen Jahren hätte man noch gefragt: „Was soll das?“

Und beim NDR?

Beim NDR läuft unter anderem die Telenovela „Rote Rosen“ mit vielen starken Frauenrollen. Die sind in den meisten seichten Telenovelas nicht vertreten.

Wie kann ein positives Frauenbild in den Medien gefördert werden?

Viele Medienstrukturen müssen grundlegend verändert werden. Frauen brauchen Führungspositionen und Sitze in Gremien. Und Redaktionen müssen ihre JournalistInnen unbedingt stärker zum Thema Gender und Diversity ausbilden. Außerdem brauchen wir in den Medien die Frauenquote. Frauen stellen die Hälfte der Gesellschaft, sind aber in vielen Bereichen und Ebenen der Medienunternehmen die Minderheit.

Sie sprechen von Diversity. Wie steht es denn um die Repräsentation von Minderheiten?

Wir stehen beim Thema Diversity dort, wo wir beider Gleichstellung vor 20 Jahren waren. Es passiert also leider nicht viel. Genauso wie man früher vor Gleichstellung zurückschrak, schreckt man heute vor Diversity zurück.

Trägt eine zunehmende Förderung von JournalistInnen mit Migrationshintergrund wie im Programm „Medienvielfalt, anders“ zur Verbesserung der Situation bei?

Natürlich, jeder Schritt ist toll. Solche Förderprogramme und auch Mentoring spielen eine große Rolle für die zukünftige Medienlandschaft. Vielfalt im Journalismus wird immer wichtiger. Aber in diesem Bereich passiert gerade wenig. Beim NDR gibt es interkulturelle Fortbildungen für JournalistInnen und VolontärInnen. Vorreiter für solche Integrationsmaßnahmen war der WDR.

Wozu dienen solche Fortbildungen?

Um mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu gewinnen, reicht es nicht, wenn die Medienunternehmen sie einstellen, aber die restliche MitarbeiterInnen nicht für ein interkulturelles Arbeitsumfeld schulen. Deshalb werden die Fortbildungen angeboten. Und ProgrammmacherInnen können mit interkultureller Kompetenz ein besseres Programm für ein breiteres Publikum gestalten.

Gibt es in Hinblick auf Gender und Diversity einen qualitativen Unterschied zwischen Print-, TV-, Radio- und Online-Medien?

Das ist unterschiedlich. Die öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehsender achten stark auf political correctness, die politische Korrektheit. Bei den privaten Sendern läuft das nicht immer so schön. Bei Printmedien hängt es meist vom Blatt ab. Aber auch von den einzelnen Redakteuren. Jeder Mensch schreibt schließlich abhängig von seiner Sozialisation.

Sie sind als Vor-Jurorin an der Vergabe des Juliane-Bartel-Medienpreises beteiligt, der besondere Fernseh- und Hörfunkbeiträge zum Thema Gleichstellung auszeichnet. Nehmen die privaten Sender auch an diesem Wettbewerb teil?

Alle Sender bekommen die Ausschreibung, aber von den privaten Sendern kommt nicht viel. Die haben in diesem Bereich offenbar wenig Material. Ein Mal wurde zum Beispiel eine Frauentausch-Folge eingesandt. Die hat es nicht mal bis zur Nominierung geschafft.

Liegt das fehlende Interesse am Publikum der privaten Sender?

Viele Medien unterschätzen ihre Zuschauer und erwarten gar nicht, dass das vielleicht etwas ändern würde. Sender müssen meiner Meinung nach immer neues Publikum suchen. Und dabei ist auch zu beachten, dass Medien die Menschen mit ihren Programmen beeinflussen. Die eigentliche Frage ist doch: Welche Botschaft wollen wir an unser Publikum senden?

Interview: Federica Guccini