Abschaffung der EU-Förderung von Biosprit würde globale Nahrungsmittelpreise senken und Importabhängigkeit vermeiden

Berlin, 11. Dezember 2013. Die heute von Oxfam und der
Heinrich-Böll-Stiftung vorgelegte Studie zu den Auswirkungen von
Biokraftstoffen auf globale Agrarpreise und Klimawandel belegt:
Bei einem Wegfall der EU-Förderung von Biosprit im Jahr 2020
würden netto 27 Millionen Tonnen weniger Getreide und Ölsaaten
in die EU importiert. Dadurch würde die globale Nachfrage nach
Biomasse abnehmen und die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel
würden spürbar sinken. Der Nutzen von Biokraftstoffen ist ohnehin
hoch umstritten. Denn Biokraftstoffe leisten – wenn überhaupt –
nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz.

 

„Eine Korrektur der fehlgeleiteten EU-Biokraftstoffpolitik ist längst
überfällig. Die politische Förderung von Biokraftstoffen aus Ackerpflanzen
wie Getreide oder Ölsaaten sollte in den nächsten Jahren auslaufen“,
erklärt einer der Autoren der Studie, Prof. Dr. Harald Grethe von der
Universität Hohenheim.
 

Würde die politische Förderung von Biosprit im Jahr 2020 wegfallen,
sänken die Weltmarktpreise bei pflanzlichen Ölen gegenüber einer
Situation mit Beibehaltung der gegenwärtigen Politik um 16 Prozent.
Bei Ölsaaten würden die Preise um zehn und bei Weizen um etwa vier
Prozent fallen. „Ein Minus an Biosprit ist ein Plus für die Ernährungssicherheit.
Niedrigere Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe können die Preise in Regionen,
in denen viele Menschen unterernährt sind, sinken lassen. Menschen in Armut
könnten davon profitieren“, erklärt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam
Deutschland. „Die Bundesregierung muss beim EU-Energieministertreffen am
12. Dezember in Brüssel ein Zeichen für die Ernährungssicherheit setzen und
sich dafür einsetzen, Biosprit aus Nahrungsmitteln auf fünf Prozent zu
beschränken und langfristig ganz abzubauen“, fordert Marita Wiggerthale.
 

„Wenn die EU an der bisherigen Förderung von Biokraftstoffen festhält,
müssen wir uns darauf einstellen, künftig 85 Prozent der dafür benötigten
Rohstoffe zu importieren – eine enorme Importabhängigkeit“, ergänzt
Christine Chemnitz, Referentin für internationale Agrarpolitik bei der
Heinrich-Böll-Stiftung.
 

Und auch in Sachen Klimaschutz stellt die Studie Biokraftstoffen und der
europäischen Förderungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus: „Das
Hauptargument für Biokraftstoffe, nämlich ihr Beitrag zu einer emissionsarmen
und damit klimafreundlichen Mobilität, stimmt spätestens in dem Moment nicht,
 in dem indirekte Landnutzungsänderungen und Intensivierungseffekte einbezogen
werden“, sagt Christine Chemnitz. „Keines der in der Studie ausgewerteten
Produktionsverfahren für Biodiesel würde dann die von der EU festgelegten
Nachhaltigkeitsschwellenwerte für die Emissionsreduzierung erfüllen.“
Dabei machte Biodiesel im Jahr 2010 fast drei Viertel des gesamten
Biokraftstoffverbrauchs im europäischen Verkehrssektor aus.

Hintergrundinformation zur Entscheidung im Energieministerrat
Die Europäische Kommission hatte im Oktober 2012 vorgeschlagen, nur die
Hälfte des Zehn-Prozent-Ziels für erneuerbare Energien im Verkehrssektor über
Biokraftstoffe aus Nahrungsmitteln zu erfüllen. Das Europaparlament hatte sich
am 11. September für eine Obergrenze von Biosprit aus Nahrungsmitteln in Höhe
von sechs Prozent ausgesprochen. Indirekte Landnutzungsänderungen
(Indirect Land Use Change, ILUC) sollten zwar bei den Berechnungen der
Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden, aber erst ab 2020 und nur in
der Kraftstoffqualitätsrichtlinie. Nach der Ratsentscheidung am 12. Dezember
werden die Verhandlungen vermutlich erst nach den Europawahlen fortgesetzt.

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Universität Hohenheim
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Interviews mit Dr. Christine Chemnitz und Marita Wiggertahle über die
Pressestellen der Heinrich-Böll-Stiftung und Oxfam.