Isabelle Daniel, Technische Universität Berlin

Antisemitismus in den Medien der Weimarer Republik: Neue Medien, neue Akteure. Antisemitismus in der Propaganda radikalnationalistischer Publizistinnen und Publizisten der Weimarer Republik

Die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwälzungen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg führten auch zu einer massiven Veränderung der Medienwirklichkeiten. Die veränderten politischen Machtverhältnisse, die Einführung des Frauenwahlrechts und die mit der Gründung der Republik einhergehende Einführung der Pressefreiheit führten zu einer Umstrukturierung der Öffentlichkeit in der Weimarer Republik. In dieser Öffentlichkeit ergaben sich neue Sprechräume für politische Journalistinnen und Journalisten, die durch das Aufkommen und die Professionalisierung neuer Massenmedien zusätzlich begünstigt wurde. Wie Konrad Jarausch gezeigt hat, verlagerte sich der Journalismus in der Weimarer Republik allgemein nach rechts. Journalismus wurde nicht mehr als liberales Korrektiv verstanden, wie es im Kaiserreich traditionell der Fall gewesen war, sondern als Instanz über soziale Mobilisierungsprozesse.

Das Dissertationsprojekt untersucht die Rolle der in der Weimarer Republik neu entstandenen Medien für die antirepublikanische Propaganda der radikalen Rechten. Es wird gefragt, inwiefern neue publizistische Akteurinnen und Akteure auf der radikalen Rechten die neuen Massenmedien zum Instrument für ihre Propaganda machten, welche propagandistischen Potentiale sie insbesondere in den neuen Medien Illustrierte und Radio sahen und welche Rolle der Antisemitismus in der Propaganda dieser Akteurinnen und Akteure spielte. Ein diskursanalytischer Teil der Fragestellung bezieht sich auf die Motive und Funktionen des Antisemitismus bei radikalnationalistischen Publizistinnen und Publizisten.

Eine die Arbeit leitende These lautet, dass die antirepublikanische, radikalnationalistische Rechte mit der massiven und systematischen Unterstützung des Hugenberg-Konzerns zu Beginn der Republik eine Gegenöffentlichkeit installierte, die sich bis zum Ende der Weimarer Republik zu einem Hegemon über die öffentliche Meinung entwickelte. Dabei spielten totalitäre Vorstellungen von Meinungsherrschaft sowohl auf Seiten der deutschnational als auch auf Seiten der nationalsozialistisch eingestellten Publizistinnen und Publizisten eine herausragende Rolle.

Der empirische Teil der Arbeit basiert auf einem Quellenkorpus, das zu einem Großteil aus Zeitungs- und Radioquellen, politischen Quellen und Nachlässen besteht.

Methodisch wird biographisch, ereignisgeschichtlich und diskursanalytisch gearbeitet: An einem biographischen Sample aus vier öffentlichkeitsstarken radikalnationalistischen Publizistinnen und Publizisten wird die Bedeutung der neuen Medien für die rechte Propaganda herausgearbeitet. Die Motive und Funktionen von Antisemitismus in der radikalnationalistischen Propaganda werden, unter Berücksichtigung von Geschlechterverhältnissen und -verständnis, anhand der publizistischen Agitation dieser Akteure zu drei besonders öffentlichkeitswirksamen Ereignissen am Ende der Weimarer Republik analysiert.