Performative Kunst und Auswärtige Kulturpolitik: Zusammenarbeit zwischen äthiopischen Künstler_innen und Goethe-Institut
In der Dissertation setze ich mich mit performativen Kunstproduktionen (Theater, Tanz, Performance Art) auseinander, die in Zusammenarbeit zwischen Künstler_innen Äthiopiens und dem Goethe-Institut entstehen.
Welche Herausforderungen und Potentiale liegen in dieser Zusammenarbeit? Welche thematischen und ästhetischen Setzungen werden in den Kunstproduktionen vorgenommen? Welche kulturpolitischen Funktionen erfüllen diese Inszenierungen - auch unabhängig von den jeweiligen Interessen der einzelnen Akteur_innen - durch die realisierte Ästhetik? Mit diesen Forschungsfragen sind die Aspekte internationale Kulturbeziehungen, auswärtige Kulturpolitik in Afrika, Umgang mit einem eurozentristischen Kunstkanon, Definition ästhetischer Wertmaßstäbe und Repräsentationsmacht sowie Universalisierung und Essentialisierung vs. Differenz und Hybridität in der Kunstpraxis verbunden.
Aus den postkolonial-theoretischen Positionen von Édouard Glissant, Stuart Hall und Homi Bhabha ableitend argumentiere ich, dass das Selbstverständnis von Organisationen/Institutionen im Feld auswärtiger Kulturpolitik besonders problematisch ist, wenn mit Redefiguren wie 'Dialog der Kulturen', 'Dialog auf Augenhöhe' oder 'Zweibahnigkeit' operiert wird. Diese Redewendungen suggerieren einen partnerschaftlichen Kulturaustausch, der historische Bedingungen des Kulturkontakts harmonisiert und aktuelle politische sowie ökonomische Machtverhältnisse leugnet. Der Begriff Postkolonialismus bezieht sich dabei nicht auf eine zeitlich oder räumlich begrenzte Entität, sondern in Anlehnung an Stuart Halls Definition auf eine etablierte, globale Machtkonstellation und auf strukturelle Ungleichheiten, die historisch gewachsen sind, sich in einer veränderten Konfiguration bis heute fortsetzen und ein hierarchisches Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Regionen begründet, „(…) in denen westliche Interessen und westliche Modelle Vorrang haben.“ (Hall, 2004, S. 192.)
Auf der Grundlage postkolonialer Kulturtheorie diskutiere ich zunächst den Begriff 'Kultur', problematisiere den in der auswärtigen Kulturpolitik präferierten 'erweiterten Kulturbegriff' und hinterfrage die Rahmensetzungen der UNESCO für internationale Kulturbeziehungen mit dessen Fokus auf die Konzepte 'Entwicklung' und 'Dialog'. Davon ausgehend reflektiere ich die kulturpolitischen und institutionellen Rahmenbedingungen der gemeinsamen Kunstproduktion und untersuche anhand des empirischen Materials welche differenten Herausforderungen die jeweiligen Akteur_innen artikulieren.
Unter Einbezug des spezifischen theaterhistorischen und kunstsoziologischen Kontexts Äthiopiens, in dem die Zusammenarbeit der Akteur_innen stattfindet und die Kunstproduktionen aufgeführt werden, analysiere ich die angewandten ästhetischen Strategien der Inszenierungen. Diesbezüglich dienen die Ästhetik des Postkolonialen nach Christine Regus, die Ästhetik des Postdramatischen nach Hans Thies-Lehmann und die Ästhetik der Hybridität nach Homi Bhabha als relevante Werkzeuge, um die künstlerischen Strategien zu reflektieren und Überlegungen zu ihren impliziten außenkulturpolitischen Funktionen anzuregen.
Für diese Untersuchung verwende ich qualitative Forschungsmethoden der empirischen Sozialforschung wie Interviews mit ca. 40 Akteur_innen und teilnehmende Beobachtungen sowie produktionsästhetische Forschungsmethoden der Theaterwissenschaft wie das Sichten von Theaterstücken, Aufführungs- und Inszenierungsanalysen sowie Beobachtungen von Proben und Produktionsprozessen.