Yvonne Albers, Philipps-Universität – Marburg

Das libanesische Avantgarde-Magazin "Mawaqif" und das Projekt einer Erneuerung des ästhetischen Denkens nach 1967

Die enorme Flut künstlerischer Artikulationen im Zuge des „Arabischen Frühlings“ hat ein altes Thema neu auf den Tisch gebracht: Was ist die Rolle der Kunst in Zeiten des politischen Umbruchs? Worin besteht die Verantwortung der Künstlerin? Und an wen richtet sich das Kunstwerk? Zuletzt hatte ein anderes politisches Ereignis die Debatte arabischer Künstler_innen im Nahen Osten vergleichbar angeheizt, deren radikale Neupositionierungen bis in gegenwärtige ästhetische Diskurse nachwirken: Die Niederlage gegen Israel im Junikrieg 1967.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Transformationen in der arabischen Welt seit 2011 widmet sich mein Forschungsvorhaben den Auswirkungen dieser historischen Umbruchphase ab 1967 auf die ästhetische Ideengeschichte anhand des Kulturmagazins Mawaqif (1968-1998). Ziel ist es, den Beitrag dieses bedeutenden Periodikums für die radikale Neubewertung ästhetischer Paradigmen und damit als Beitrag zu einem arabischen Diskurs über die gesellschaftliche Funktion der Kunst/Literatur nach 1967 zu untersuchen.

Anhand des Konzepts der Avantgarde wird Mawaqif sowohl als ideologisches Projekt verstanden, dessen Ziel in der Verwirklichung einer arabischen Moderne durch eine ästhetische Revolution besteht; als auch als ein soziales Netzwerk im Sinne einer Gruppe von Künstler_innen und Intellektuellen, die im Rahmen eines spezifischen Produktions- und Wirkungszusammenhangs interagieren. Indem Mawaqif als paradigmatisches Beispiel einer postkolonialen arabischen Avantgarde begriffen wird, leistet das Forschungsvorhaben zudem einen Beitrag zu einer dezentralen Geschichtsschreibung der modernen Ästhetik.

 

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