Bei den heutigen Klimaberatungen der europäischen Umweltminister in Brüssel muss die EU endlich eine konkrete und ehrgeizige Strategie zu den Schwerpunktthemen Klimaanpassung und Resilienz formulieren. Für ein ambitioniertes Abkommen beim UN-Klimagipfel in Paris sind eine klare Linie und eine Führungsrolle der EU unerlässlich, so Barbara Unmüßig und Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung, sowie E3G-Geschäftsführer Nick Mabey in einem gemeinsamen offenen Brief.
Die EU-Umweltminister entscheiden heute auf einer EU-Umweltratssitzung die Verhandlungsposition, die die EU auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen vom 30. November bis 11. Dezember in Paris vertreten wird.
Presseinformation
Der Brief im englischen Original und in der deutschen Übersetzung:
COP21 Klimagipfel in Paris: Europa muss sich stärker für die Anpassung an den Klimawandel einsetzen
Der UN-Klimagipfel COP21, der im November in Paris stattfinden wird, rückt immer näher, und nun mehren sich die Stimmen europäischer Regierungschefs, die ehrgeizigere Ziele in den Klimaverhandlungen fordern. Die aktuelle Flüchtlingskrise zeigt, was geschehen kann, wenn Ursachen von Konflikten und inneren Unruhen nicht bekämpft werden. Frankreichs Präsident Hollande warnte nachdrücklich vor den Folgen, sollte in Paris kein Klimaabkommen geschlossen werden: „In den kommenden 20 oder 30 Jahren werden wir es nicht mit Hunderttausenden Flüchtlingen zu tun haben, sondern mit Millionen, die von überschwemmten Inseln und aus dürregeplagten Gebieten sowie vor anderen Katastrophen fliehen.“
Vor diesem Hintergrund treffen sich diesen Freitag (18.9.) die EU-Umweltminister, um die Verhandlungspositionen der Union für die COP21 in Paris festzulegen. Was aber ist zu verstehen unter ‚ehrgeizigen Zielen’, durch die man einen weltweiten Klimawandel aufhalten und mit seinen Risiken erfolgreich umgehen kann?
Am besten hat diese Ziele vielleicht John Holdren, Präsident Obamas oberster wissenschaftlicher Berater, auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Was wir brauchen ist ausreichend Klimaschutz, um einen unbeherrschbaren Klimawandel zu verhindern, und ausreichend Klimaanpassung, um mit dem unausweichlichen Klimawandel umgehen zu können.“
Effektive Maßnahmen zur Klimaanpassung und Resilienz
Selbst wenn in Paris das bestmögliche Resultat erzielt wird, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Welt um weniger als 2°C erwärmen wird. Aus diesem Grund sollte ein solches Abkommen effektive Maßnahmen zur Revision der Klimazusagen enthalten, die dafür sorgen, dass alle Länder ihre Emissionen rasch bis zur festgelegten Zielvorgabe senken.
Viel zu lange haben Klimaanpassung und Resilienz in den Klimaverhandlungen nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Die EU verhielt sich dabei so, als sei das Thema Klimaanpassung in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) nur ein taktischer Schachzug, damit sich arme und gefährdete Länder für mehr Klimaschutz einsetzen. Ein solches Kalkül beschädigt jedoch das Verhältnis zu wichtigen Verbündeten wie kleinen Inselstaaten und den am wenigsten entwickelten Ländern. Zudem entspricht es auch nicht der großen Bandbreite an Maßnahmen, auf die europäische Länder beim Kampf gegen Klimarisiken und für mehr Resilienz in aller Welt setzen.
Der aktuelle Ansatz wird wenig dazu beitragen, gefährdete Länder und Bevölkerungsgruppen, die bereits die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen, wirksam zu schützen. Zudem gibt er der Weltgemeinschaft nicht jene Mittel an die Hand, die notwendig sind, um gemeinsam mit den Klimarisiken umzugehen. Auch trägt dieser Ansatz nicht dazu bei, die bereits verursachten Schäden und Verluste auszugleichen, die in der Regel vor allem die ärmsten und am meisten gefährdeten Menschen treffen, wie insbesondere Frauen und indigene Völker.
Das Pariser Abkommen soll das globale Engagement für mehr Resilienz stärken und voranbringen. Die Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG), die diesen Monat von Staatsoberhäuptern aus aller Welt auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet werden sollen, fordern explizit zu raschem Handeln gegen den Klimawandel und für größere Resilienz auf. Klar wird dabei herausgestellt, dass Entwicklung ohne den Kampf gegen den Klimawandel unmöglich ist und die Konsequenzen des Klimawandels den Fortschritt von Jahrzehnten bedrohen.
‚Klimaflucht’ verhindern
Die Handlungsempfehlungen der G7 mit Blick auf die Gefahren des Klimawandels für Entwicklung, Außenpolitik und Sicherheit, sind wichtig, um Ressourcenknappheit und ‚Klimaflucht’ zu verhindern. Die EU hat bei den G7- und den SDG-Verhandlungen globale Führungsstärke bewiesen, und sollte auch bei den COP21-Verhandlungen und auf dem World Humanitarian Summit im Mai 2016 entsprechend auftreten.
Damit dies gelingt, muss die EU eine genauere Vorstellung davon entwickeln, wie weltweite Zusammenarbeit dazu beitragen kann, die Themen Klimaanpassung und Resilienz in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen weiterzuentwickeln. Auch sollte die EU Position beziehen, welche UN-Reformen nach dem Pariser Klimagipfel nötig sein werden, um die SDGs zu erreichen.
Die EU muss ihre Verhandlungsposition zur Klimaanpassung ändern, um auf die reale Entwicklung der globalen Erwärmung mit überzeugenden Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz reagieren zu können. Dazu könnte gehören, politisch endlich einzuräumen, was für eine gewaltige Herausforderung die Anpassung ist und welche Folgen Untätigkeit hätte. Vor allem aber muss sich die EU eindeutig hinter einen Prozess stellen, durch den sich mit den Folgen des Klimawandels umgehen lässt. Hierzu gehört auch, die Mittel für Klimaanpassung zur Verfügung zu stellen, sich zur Finanzierung nach 2020 zu erklären und bereits vor diesem Datum mehr Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen zuzusichern. Für eine transformative Anpassung spielt die Finanzierung eine wichtige Rolle. Ein Finanzpaket der EU, das gleichermaßen Mittel für Klimaschutz und Klimaanpassung vorsieht, und das einen eigenständigen, von der öffentlichen Hand finanzierten Anteil ausweist, könnte einiges dazu beitragen, die aktuellen Versäumnisse auszugleichen.
Folgen des Klimawandels innerhalb der EU
Dabei geht es nicht allein um die Folgen des Klimawandels außerhalb der EU. Auch in Europa und den angrenzenden Regionen muss mehr gegen die möglichen Auswirkungen des Klimawandels getan werden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich bei einem Temperaturanstieg von mehr als 2°C die jährliche Zahl der Hitzetoten in der Europäischen Union auf 200.000 verdoppeln würde und es zu nicht wiedergutzumachenden wirtschaftlichen Verlusten käme, wobei im Laufe dieses Jahrhunderts allein für die EU von klimabedingten Schäden in Höhe von 190 Milliarden Euro ausgegangen wird.
Der Region Naher Osten und Nordafrika in Europas unmittelbarer Nachbarschaft drohen Wasserknappheit, stark schwankende Lebensmittelpreise und ein erheblicher Anstieg der Energiekosten. Der Weltklimarat (IPCC) schätzt, dass beispielsweise 2015 in dieser Region zwischen 80 und 100 Millionen Menschen mehr als heute unter Wassermangel leiden werden. Gegen diese Probleme vorzugehen, ist in Europas ureigenem Interesse. Ein erster Schritt muss sein, dass die EU im Jahr 2016 die eigene Resilienz überprüft – und zwar vor dem Hintergrund des Pariser Abkommens sowie wahrscheinlicher Szenarien für eine zukünftige Entwicklung des Klimas.
Die Flüchtlingskrise in Europa zeigt, wie Krisenmanagement ohne Zusammenarbeit aussieht. Da immer noch viel zu wenig gegen den Klimawandel getan wird, nennt das Weltwirtschaftsforum das Versagen bei der Anpassung an den Klimawandel eines der weltweit größten Risiken. Sollte es die EU ernst meinen mit einem ehrgeizigen Klimaabkommen und dem Kampf gegen klimabedingte Schäden, dann muss sie deutlich mehr aufbieten für den Kampf gegen klimabedingte Risiken.
Nick Mabey, Geschäftsführer von E3G
Barbara Unmüßig, Vorstand, Heinrich-Böll-Stiftung
und Ralf Fücks, Vorstand, Heinrich-Böll-Stiftung