Podcast: Social Bots

Hinter manchen Tweets stecken keine Menschen, sondern Computerprogramme, sogenannte Social Bots. Können sie eine Wahl wirklich beeinflussen? Und wie teuer ist eine Armee von digitalen Helfern? ➢ Jetzt die Podcast-Reihe anhören!

Was ist ein Social Bot?

 

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Ein Gedankenspiel: Frauke Petry hält eine Woche vor der Bundestagswahl eine Rede. Teile davon werden in Windeseile und hunderttausendfach unter dem Hashtag „afdwins“ auf Twitter verteilt. Zuerst landet der hashtag auf Platz eins der Twitter Trends. Schnell wird diese Rede dann auch bei Google zum Trending Topic. Journalisten berichten vermehrt über die AfD und ihre scheinbare Beliebtheitssteigerung. Doch nicht Wähler und Fans der Partei sind dafür verantwortlich, sondern sogenannten „Social Bots“.

Filterbubble und Echokammern, Social Bots und Trollarmeen und natürlich auch das präzise Ausspielung von politischen Botschaften durch Microtargeting verändern die Art und Weise wie Wahlkampf gemacht wird.

Eine Podcast-Reihe mit vier Folgen Jetzt anhören!


Die Technik hinter Social Bots

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Social Bots“? Eine erste Definition gibt Markus Reuter von Netzpolitik.org:

„Ein Social Bot ist ein automatisiert gesteuerter Account in einem sozialen Medium. Das kann ein Twitter-Account sein, das kann ein Facebook-Account sein. Und es steckt nicht ein Mensch, sondern ein Programm dahinter, welches diesen Account steuert. Das kann ganz einfach aussehen. Wenn man sich jetzt Twitter anschaut, dann könnte ich mir einen Bot vorstellen, der sagt: Immer wenn auf Spiegel Online ein neuer Artikel kommt, dann gehe hin, nehme dir die Überschrift und das Beitragsbild und poste es.“

Das klingt erst einmal harmlos und kann im Grunde auch zu Werbezwecken, für die Verbreitung wissenschaftlicher Untersuchungen oder zur Richtigstellung von Falschmeldungen genutzt werden. Doch oft werden „Social Bots“ instrumentalisiert, um Meinungen zu generieren und Debatten zu verzerren.

Social Bots können als künstliche Wahlhelfer gefährlich werden

In den USA ist das bereits passiert. Die Bots sind dort zu künstlichen Wahlhelfern avanciert, die sowohl Donald Trump, als auch Hilary Clinton bei ihrem Wahlkampf unterstützt haben. Eine Studie der Oxford University hat gezeigt: Jeder dritte Follower der beiden, ist kein realer Mensch. Dazu Professor Martin Emmer:

„Social Bots kann man wohl am ehesten in Verbindung bringen mit dem, was man als künstliche Intelligenz bezeichnet, als selbstständig, automatisiert handelnde Agenten im Netz. Es kann sein, dass man deren Macht momentan ein wenig überschätzt. Die, die man so kennt, sind eigentlich immer noch simple Produkte, die relativ blind, Hashtags, Links oder Likes verbreiten. Natürlich steckt da noch Potential drin. Aber je leistungsfähiger Algorithmen werden, je stärker man Big Data Analysen in Echtzeit da einbinden kann, desto mehr kann man mit solchen automatisierten Kommunikationsagenten natürlich machen.“

Martin Emmer ist Kommunikationswissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Die Social Bots können also Fan- und Followerzahlen nach oben treiben oder auch bestimmten Themen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Der Hamburger Politikberater und Blogger Martin Fuchs sagt dazu:

„Oder dass sie automatisiert auf bestimmte Keywords springen, die in Postings stehen und darauf dann die Gegenmeinung artikulieren. Und Links schicken. Das hatten wir bei Klimaleugnern in den USA zum Beispiel. Die sind auf alle Tweets gestürzt, die irgendetwas mit Klimawandel zu tun hatten und haben gesagt: 'Das ist alles Unfug. Hier ist eine Studie, da ist der Link, dass es keinen Klimawandel gibt.'“

Aber noch eine Überlegung spielt in dieser Debatte eine entscheidende Rolle: Was kann man mit 100 Euro im Wahlkampf machen? Ein paar Plakate kleben und vielleicht noch ein paar Stifte bedrucken. Im Digitalen Wahlkampf gibt es allerdings laut Markus Reuter von Netzpolitik.org günstigere Alternativen:
 
„Von diesen Bots, wenn man jetzt eine mittlere Qualität nimmt, Twitter Bots beispielsweise, bekomme ich 1000 Stück für 100 Euro. Dazu brauche ich dann noch, wenn ich das ordentlich machen will, einen Programmierer, der mir die steuert. Das ist für nicht viel Geld zu haben.“

Mit unter 1000 Euro könnte man so locker den digitalen Wahlkampf um einen Sitz im Bundestag befeuern.

Social Bots sind leicht zu erkennen – wenn man aufmerksam ist

Nach der Debatte um den Wahlkampf in den USA scheint die Gefahr von Fake News und Social Bots extrem groß. Was so ein Bot mit einem selbst anstellt, ist allerdings noch nicht eindeutig erforscht, betont der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer:

„Es ist natürlich so, dass man aus der Kommunikationsforschung grundsätzlich weiß, wie Menschen mit Informationen in solchen Debatten umgehen. Da ist es so, dass für so eine Art der Kommunikation vor allem solche Leute ansprechbar sind, die nur ein geringes Involvement in die verwendeten Themen haben. Sobald Menschen ein stärkeres Interesse an einem Thema haben, haben sie auch ein höheres Wissen und eine höhere Motivation sich mit Fakten und Informationen auseinander zu setzen. Und dann wird es schnell schwierig. Interessanter sind solche Bots in Kontexten, bei denen es darum geht, mal eben schnell, nebenbei viele Leute zu mobilisieren. Und das ist vor allem auf Facebook der Fall. Facebook als Medium, als Plattform für private Alltagsmobilisation, ist für Social Bots ausgesprochen attraktiv, weil man da zwischen dem Austausch von netten Bildchen und einem Chat mit ein paar Freunden, mal auf ein Like klickt und dann mal eben nebenbei solchen Dingen auf den Leim gehen kann.“

Nutzer und Nutzerinnen sollten also besonders aufmerksam sein und ihr eigenes Verhalten in den sozialen Netzwerken reflektieren. Häufig sind Bots gar nicht so schwer zu erkennen. Viele haben zum Beispiel keine richtigen Profilbilder; sie posten nichts von allein, sondern retweeten nur und vollführen bis zu 200 Aktionen am Tag auf sozialen Netzwerken.

Ein Verbot gegen Social Bots ist Hysterie

Doch können die User von sozialen Netzwerken den Kampf gegen die Social Bots alleine aufnehmen? Oder sollte die Politik Plattformen in die Pflicht nehmen? Karolin Schwarz, eine der Migründerinnen der Hoaxmap sagt dazu:

„Ich glaube nicht, dass Nutzer das verhindern können. Das ist eigentlich eine Aufgabe für die Plattformbetreiber, solche Dinge automatisiert zu erkennen und dann diese Accounts abzuschalten. Bots sind vor allem bei Twitter aktiv. Twitter hat generell ein Problem, auf all die Dinge, die falsch laufen, zu reagieren. Insofern liegt die Verantwortung dort, doch inwiefern die Plattformen dieser Verantwortung nachgehen, ist fraglich."

Die Plattform Hoasxmap kümmert sich darum, dass Falschmeldungen über Geflüchtete entlarvt werden. Auch Bildblog oder Botswatch beschäftigen sich regelmäßig mit „Social Bots“ und der Weiterverbreitung von sogenannten „Fake News“.

Diese generell zu verbieten bzw. sie zu zensieren, hält Markus Reuter von Netzpolitik.org für falsch:

„Der Begriff der Fake News, der erst seit ein paar Monaten existiert, ist jetzt schon so entwertet, weil er alles heißt, dass man ihn jetzt schon wieder begraben sollte. Es ist wichtiger zu sagen: Ok, das ist eine Lüge, das ist ein Gerücht. Es also wieder so zu benennen. Und das Thema führt insgesamt zu Regelungsforderungen. Ein CDU-Politiker hat gerade gefordert, dass man Fake News zensieren sollte, wenn es staatlich gelenkte Propaganda sei. Was auch immer das sein soll, es ist alles so unbestimmt. Das kann eben dazu führen, dass Presse und Meinungsfreiheit beschnitten werden. Ich glaube das ist gerade eine sehr gefährliche Konstellation. Denn diese Hysterie führt dazu, dass da Regularien gefunden werden, die schädlich sind für die Demokratie.“

Was lernen wir aus Social Bots?

Jede und jeder einzelne sollte also stärker hinterfragen, was er/sie retweetet, liked oder wem er/sie in den sozialen Netzwerken seine/ihre Aufmerksamkeit schenkt. Außerdem schadet es nicht, unseriös erscheinende Meldungen selbst einmal unter die Lupe zu nehmen. Auch dabei gibt es Hilfe im Netz.  

Der Politikberater Martin Fuchs betont:

„Das allerwichtigste, dass man mitnehmen kann, ist, dass man keiner Hysterie verfallen sollte. Das ist das, was ich in den letzten Wochen sehr stark wahrgenommen habe. Über Jahre hinweg, also Social Bots ist ja auch im Netz kein neues Thema. Es gibt seit drei, vier Jahren Fälle, die bekannt sind. Da wurde das überhaupt nicht von der Politik aufgegriffen. Und jetzt gab es eine Rede von Angela Merkel auf dem Parteitag der Jungen Union in Paderborn und seitdem habe ich das Gefühl, dass die Politik wie ein kopfloses Huhn durch die Gegend rennt und ganz hysterisch sagt: Wir müssen irgendetwas machen gegen Social Bots.“

Insgesamt wird deutlich, dass die Experten ein Verbot für sinnlos und falsch erachten. Vielmehr sollten Plattformen selbst mehr Verantwortung übernehmen und Falschmeldungen und Social Bot-Aktivitäten kennzeichnen. Aber auch die Nutzer und Nutzerinnen sollten jede Meldung kritisch hinterfragen, vor allem, wenn eine Kontrollinstanz fehlt.