Simbabwe vor dem Ende der Mugabe-Ära?

Interview

In Simbabwe scheint Präsident Mugabes autoritäre Herrschaft über Nacht beendet. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen ist es ein Militärputsch, stellt die Büroleiterin der Stiftung in Südafrika, Layla Al-Zubaidi, im Interview fest.

Robert Mugabe auf dem Flughafen in Juba 2011
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Robert Mugabe steht aktuell unter Hausarrest

Was ist die gegenwärtige Situation in Simbabwe?
Das Militär ist mit Panzern in der Hauptstadt Harare eingerollt, hat strategische Orte wie den nationalen Fernsehsender und Flughafen unter seine Kontrolle gebracht und versperrt den Zugang zu Gerichten und Parlament. Präsident Mugabe und seine Frau Grace scheinen unter Hausarrest zu stehen; unbestätigte Gerüchte besagen, dass die Frau des Präsidenten bereits ins Ausland geflohen sei. Das Militär verneint jedoch, dass es sich um einen Putsch handelt. In einer am 15. November ausgestrahlten Rede versicherte der Sprecher, Major General SB Moyo, dass sich der Präsident in Sicherheit  befände. Es ginge lediglich darum, kriminelle Personen aus seinem Kreis, die eine soziale und wirtschaftliche Krise im Land verursacht hätten, zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Layla Al-Zubaidi leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Südafrika

Wie glaubwürdig ist es, dass es sich nicht um einen Coup handelt?
Das simbabwische Militär ist sich bewusst, dass ein Putsch in der Region und international wenig populär ist. Die Rede des Militärsprechers wandte sich direkt an die Justiz, das Parlament und die Medien, und unterstrich, wie wichtig es ist, dass sie ihre jeweiligen Rollen ausfüllen. Er sprach von der Wiederherstellung eines Klimas, das „Investitionen, Entwicklung und Wohlstand erlaube“. Es war nicht die Rede von der Ausrufung eines Notstands oder davon, die Verfassung außer Kraft zu setzen. Stattdessen machte Moyo klar, dass das Militär sichergehen will, dass die Situation sich bald normalisiert. In Simbabwe diskutiert man gerade, um was für einen Putsch es sich handelt. Jenseits der Semantik ist jedoch Fakt, dass das Militär deshalb eingeschritten ist, weil es die unehrenhafte Absetzung des Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa vor einer Woche nicht billigte. Es handelt sich also in jedem Falle um einen Putsch.

Was hat das Militär bewogen einzuschreiten?
Der Befreiungskämpfer und als Haudegen bekannte Mnangagwa, auch das „Krokodil“ genannt, ist ihr bevorzugter Kandidat für die Nachfolge Mugabes. Mugabe hatte seinen Vize jedoch zunehmend als Konkurrent gesehen und stattdessen seine eigene Frau Grace als potentielle Nachfolgerin gehandelt. Unbeliebt war die extravagante Grace Mugabe, die ihrerseits keinerlei Rolle in der Befreiung des Landes vom Kolonialismus spielte, insbesondere unter den Kriegsveteranen. Diese sind eine wichtige Säule der regierenden ZANU-PF Partei und der Armee. Mugabe provozierte den Ärger der Veteranen nicht nur mit seinen dynastischen Nachfolgeplänen, sondern auch weil er sie in den vergangenen Jahren immer häufiger umging, wenn es um die Besetzung wichtiger Posten ging. 

Ist es wahrscheinlich, dass Mugabe an die Macht zurückkehrt?
Zurzeit ist noch alles offen. Das Militär könnte daran interessiert sein, eine gewisse Legalität herzustellen. Denkbar ist, dass die Armee Mugabe eine temporäre Rückkehr ermöglicht, um Mnangagwa offiziell erneut zum Vizepräsidenten zu ernennen, und dann selbst zurückzutreten. Mnangagwa würde dann laut Verfassung übergangsweise die Geschäfte übernehmen können und sich auf dem Parteikongress im Dezember zum Parteipräsident ernennen lassen. Wenn die ZANU-PF nächstes Jahr als stärkste Partei aus den Nationalwahlen hervorgehen würde, wäre er Präsident. Auch in einem solchen Szenario wäre Mugabes Rolle jedoch darauf beschränkt, einen geordneten Übergang einzuleiten. 

Ist mit Mnangagwa denkbar, dass sich Simbabwe bald demokratisiert?
Die Frage ist zunächst, ob sich das Militär tatsächlich bald wieder zurückzieht oder sich ohne demokratisches Mandat weiter daran beteiligen will, die Geschicke des Landes zu lenken. Man muss sich auch fragen, wie das Militär regiert, falls die ZANU-PF mit Mnangagwa an der Spitze nächstes Jahr die Wahlen nicht gewinnen sollte. Da die Opposition derzeit sehr schwach und fragmentiert ist, ist dies nicht zu erwarten. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass es Simbabwe schon lange wirtschaftlich sehr schlecht geht und die Menschen wegen der politischen Misswirtschaft unter extremer Armut leiden. Im vergangenen Jahr gab es breite Proteste. Diese sind aufgrund der mangelnden Koordinierung der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bewegungen eingeschlafen, aber teilweise auch brutal von der Regierung niedergeschlagen worden. Das Militär ist jedoch erst jetzt eingeschritten, als es darum ging, die eigenen Interessen zu schützen. Dies lässt daran zweifeln, ob das Militär die geeignete Kraft sein kann, einen demokratischen Übergang zu moderieren.

Ob sich Simbabwe demokratisiert hängt des Weiteren davon ab, ob Mnangagwa bereit sein wird, die Macht zu teilen, sollte er tatsächlich die Präsidentschaft übernehmen. Hier werden die regionalen Organisationen, wie die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika sowie auch die internationale Gemeinschaft willens sein müssen, Druck auszuüben, damit die Opposition in eine Art Übergangsregierung oder Regierung nationaler Einheit einbezogen wird. Mnangagwa gilt bisher eher als Hardliner und hat sich nicht gerade als Champion für Demokratie und Menschenrechte hervorgetan. Auch gab es bereits ein solches Arrangement zur Machtteilung, das daran gescheitert ist, dass die ZANU-PF echte Reformen und eine Demokratisierung der staatlichen Institutionen nicht zugelassen hat. Es ist daher Vorsicht geboten, auch wenn sich verständlicherweise viele Menschen in Simbabwe freuen, dass die Ära Mugabe tatsächlich zu Ende gehen könnte.