Depositum Milan Horáček

„Milan Horáček. MdB mit dem tschechischen Akzent“ hieß eine Radiosendung vom 14. Januar 1985. Osteuropa und Menschenrechtsfragen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine politische Laufbahn. Milan Horáček war Stadtverordneter, Bundes- und Europaabgeordneter und viele Jahre Leiter des Prager Büros der Heinrich-Böll-Stiftung . Sein Vorlass kann nun im Archiv Grünes Gedächtnis genutzt werden.

Milan Horáček
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Milan Horáček in der Heinrich-Böll-Stiftung

Zur Person

„Milan Horáček. MdB mit dem tschechischen Akzent“ hieß eine Radiosendung vom 14. Januar 1985. Nicht selten begann Milan Horáček seine Reden im Römer in Frankfurt am Main oder im Bundestag mit dem Hinweis, dass er aus Tschechien komme. Osteuropa und Menschenrechtsfragen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine politische Laufbahn. Milan Horáček war Stadtverordneter, Bundes- und Europaabgeordneter und nicht zuletzt viele Jahre Leiter des Prager Büros der Heinrich-Böll-Stiftung.

Milan Horáček ist am 30. Oktober 1946 in Velké Losiny, einem mährischen Kurort, geboren. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Elektromonteur verbrachte er von 1965 bis 1967 zwei Jahre wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ in einer Strafkompanie. Zehn Tage nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Paktes überquerte er Ende August 1968 illegal die österreichische Grenze.

In der Bundesrepublik ließ er sich in Frankfurt am Main nieder, arbeitete u.a. in den Farbwerken Höchst und bei der IG Metall, holte von 1973 bis 1976 am „Seminar für Politik“ die Hochschulreife nach und sammelte Erfahrungen als Erzieher in einem Kinderladen. Seit Anfang der 1970er Jahre engagierte er sich in der Gruppe „Listy“, einer Gruppe von tschechoslowakischen Exilanten. Von 1974 bis 1979 war er der Herausgeber der Exilzeitschrift „Listy“, der Zeitschrift der tschechoslowakischen sozialistischen Opposition. Parallel dazu pflegte er intensive Kontakte mit den Mitgliedern der Freien Internationalen Universität und bekannten Personen wie Heinrich Böll, Josef Beuys, Rudi Dutschke, Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer. Milan Horáček war eng in den Entstehungsprozess der Grünen involviert und ist Gründungsmitglied der hessischen Grünen.

1980 wurde Milan Horáček endgültig aus der ČSSR ausgebürgert. Zehn Jahre später wurde seine Ausbürgerung durch den ersten nichtkommunistischen Staatspräsidenten der Tschechoslowakei, Václav Havel, zurückgenommen.

Seine politische Karriere bei den Grünen begann Milan Horáček als Stadtverordneter in Frankfurt am Main (1981-83) und als Ortsbeirat von Bockenheim-Westend-Kuhwald. Von 1983 bis 1985 gehörte er dem Deutschen Bundestag an und war Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Sein Mandat gab er nach zwei Jahren aufgrund der Rotationsregel der Grünen an seinen Nachrücker Ulrich Fischer ab. Danach war er bis 1991 als Referent der Bundestagsfraktion der Grünen für Außen- und Sicherheitspolitik, Menschenrechte und Osteuropa tätig. Er bereiste nicht nur die Länder hinter dem Eisernen Vorhang, sondern besuchte auch zusammen mit Ulrich Fischer Afghanistan.

Von 1991 bis 2004 leitete er das Prager Auslandsbüro der Heinrich-Böll-Stiftung. Neben vielen Veranstaltungen und Projekten war der Öko-Solar-Pavillon in Prag ein wichtiges  Vorzeigeprojekt. Seine weitere politische Karriere führte Milan Horáček nach Brüssel, wo er von 2004 bis 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament war. Als Europaabgeordneter beschäftigte er sich vor allem mit dem Yukos-Prozess in Russland, der Osterweiterung der EU und allgemeinen Fragen der Menschen- und Minderheitenrechte.

Akten & Bestand

Dieses politisch bewegte Leben hat viele Spuren hinterlassen. Beinahe alle Etappen seiner politischen Karriere sind gut mit Dokumenten belegt. Diese Unterlagen wurden als unsortiertes Konvolut bei Milan Horáček abgeholt. Insgesamt handelte es sich um etwa 25 Umzugskisten. Während der Bearbeitung wurden eine Klassifikation des Bestands entworfen und 260 Archivalieneinheiten gebildet. Dabei wurden Plastik- und Metallteile entfernt. Die Namen wurden in das Personenregister aufgenommen und die wichtigsten Inhalte verschlagwortet. Den Schwerpunkt des Bestandes bildet u.a. die redaktionelle Arbeit für die Exilzeitschrift „Listy“. Gut dokumentiert sind außerdem die Arbeit des Prager Büros der Heinrich-Böll-Stiftung mit zahlreichen Veranstaltungen und der Europawahlkampf 2003-2004.

Klassifikation

  1. Korrespondenz, chronologisch sortiert von 1973 bis 2009.
    Briefe von Gretchen Dutschke und Petra Kelly wurden jeweils separat verzeichnet.
    Außerdem befinden sich jeweils in den anderen Klassifikationsbereichen wie zum Beispiel dem Prager Büro umfangreiche Schriftwechsel (häufig E-Mail), die nicht in den allgemeinen Schriftwechsel eingegliedert wurden.
  2. Eigene Texte und Reden, chronologisch sortiert. Die Reden sind jeweils nach den Plenarreden im Römer, Bundestag und im Europäischen Parlament eingeteilt. Außerdem existieren zahlreiche Vortragstexte, die nicht während der Ausübung eines politischen Amtes entstanden sind.
  3. Presseresonanz, chronologisch sortiert, 1976-2008.
  4. Die Unterlagen des „Seminars für Politik“ enthalten vor allem Texte, Protokolle und Hausaufgaben.
  5. Redaktion „Listy“: die Ausgaben der Zeitschrift „Listy“, Redaktionsunterlagen und umfangreicher Schriftwechsel, außerdem Exilzeitungen und Informationsmaterial zu Charta 77.
  6. Engagement bei den Grünen, beinhaltet Unterlagen aus der Gründungszeit der Grünen, Informationsmaterial zu hessischen Grünen und Strana Zelenych (tschechische Grüne).
  7. Mandate: Unterlagen und Schriftwechsel als Stadtverordneter, Mitglied des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments.
  8. Heinrich-Böll-Stiftung: Unterlagen und Schriftwechsel des Prager Büros und von 1998 bis 1999 des Bonner Büros.
  9. Einladungen zu Veranstaltungen, chronologisch sortiert, 1973 – 2009.
  10. Persönliche Unterlagen: Visitenkarten und Listen mit Adressen, Finanzunterlagen, außerdem Video- und Audiokassetten.
  11. Textsammlung, alphabetisch nach Autoren sortiert.
     

Zur Nutzung

Die Archivalien können im Archiv Grünes Gedächtnis genutzt werden.