Wiebke Nowack, Humboldt-Universität - Berlin

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Die Rolle von Landwirtschaft in unserer Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Dem zu Grunde liegt ein Agrarstrukturwandel, welcher von Spezialisierung auf einzelne Betriebszweige oder Produktionsschritte, Betriebsaufgaben und Größenwachstum der verbleibenden Betriebe sowie durch die Mechanisierung von Produktionsmethoden gekennzeichnet ist. Die beschriebenen Veränderungsprozesse sind mit zahlreichen, sowohl positiven als auch negativen Folgen für Mensch und Umwelt einhergegangen. Insbesondere die negativen Auswirkungen haben in den letzten zwei Jahrzehnten dazu geführt, dass die Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie deren Umsetzung in Deutschland zunehmend in Frage gestellt wurde. Der alleinige Fokus der Agrarpolitik auf die Rolle von Landwirtschaft als Produktionsstätte von Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen hat sich auch im Kontext von internationalen Handelskonflikten stark gewandelt und wurde vom Konzept einer „Multifunktionalen Landwirtschaft“ abgelöst. Dieses impliziert die Anerkennung multipler Funktionen landwirtschaftlicher Aktivität für die Entwicklung ländlicher Räume sowie die Gesellschaft als Ganzes. Häufig genannte Beispiele sind der Erhalt von Biodiversität, die Gestaltung von Kulturlandschaften, die Pflege von ländlichen Traditionen sowie der Beitrag zur Vitalität ländlicher Räume. 

Angesichts der umfassenden und tiefgreifenden Veränderung der Aufgaben, die Landwirtschaft entsprechend dem Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft erfüllt bzw. erfüllen soll, besteht politischer Handlungsbedarf. Viele gesellschaftliche Funktionen von Landwirtschaft sind mit der Bereitstellung öffentlicher Güter oder positiven externen Effekten gleichzusetzen – also Leistungen, die auf dem Markt keinen Preis haben und in deren Zusammenhang ein Marktversagen vorliegt. Andere Funktionen, welche der Landwirtschaft zugeschrieben werden (z.B. Tourismusdienstleistungen oder dezentrale Energieversorgung) sind zwar marktfähig, also für landwirtschaftliche Betriebe unternehmerisch attraktiv, jedoch gelten sie rechtlich als nicht-landwirtschaftliche Tätigkeiten und verursachen ebenfalls Zielkonflikte.

Im Rahmen meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich mit der Frage wie die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer der Agrarstrukturwandel fortschreitet, mit dem Ziel einer Multifunktionalen Landwirtschaft vereinbar ist. Dabei untersuche ich im Speziellen den Größenstrukturwandel, also die Entwicklung hinzu immer weniger und dafür größeren Betrieben und seine Auswirkungen auf soziale Strukturen in ländlichen Räumen. Diese Dimension wird politisch immer wieder thematisiert, betrifft gleichzeitig die Frage nach der (zukünftigen) Bedeutung von Landwirtschaft in ländlichen Räumen und hat bisher von wissenschaftlicher Seite nur wenig Beachtung gefunden.