Bidens schillerndes Klima-Versprechen – Aber kann er auch liefern?

In glamouröser Rhetorik hat Präsident Biden den Klimagipfel gestern eröffnet und das mit Spannung erwartete neue Klimaziel verkündet. Sein Versprechen an die Welt: die USA erhöhen ihr Reduktionsziel auf 50 bis 52 Prozent bis 2030 (verglichen mit 2005). Ab 1990 berechnet entspricht dies einer Senkung von 43 Prozent der Emissionen.1

Aber die eigentlich spannende Frage hinter dieser Zahl ist doch: Wie realistisch ist es, dass die USA ihre Emissionen tatsächlich reduzieren, um letztlich dieses Klimaziel zu erreichen? Eine einfache Antwort gibt es nicht. Aber eine genauere Betrachtung der Vergangenheit, des Personals, der Ankündigungen und bisherigen Maßnahmen zeigt Tendenzen auf. Und macht deutlich, was noch geschehen muss, um das Ziel zu erreichen.

Vergangenheit sieht ernüchternd aus

Verglichen mit den Werten von 1990 sind die aktuellen Treibhausgase der USA sogar um 4 Prozent höher. Der Hoffnungsschimmer zeigt sich zwischen 2007, dem Jahr der absoluten Höchstwerte, und 2017: in diesem Zeitraum fielen die Emissionen um 12 Prozent. Diese Entwicklung ist auf zwei Maßnahmen zurückzuführen: Die massiven Investitionen in Fracking, die den Umstieg von Kohle auf Gas in Gang setzten. Sowie die von der Obama-Regierung implementierten Emissionsstandards für Kraftwerke und Fahrzeuge. Dann kam der klimapolitische Dämpfer unter Trump.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die USA bisher keine nennenswerte Reduzierung ihrer Treibhausgas-Emissionen vorzeigen können. Präsident Biden muss also einen klimapolitischen Kraftakt vollziehen, um seine angekündigten Klimaziele zu erreichen. Mit seiner institutionellen und personellen Aufstellung hat Joe Biden einen ersten wichtigen Schritt gemacht und überzeugt mit seinem ressort-übergreifenden Ansatz. Die gesamte Regierung muss Klimapolitik umsetzen. Mit Kabinettsmitgliedern wie Deb Haaland, Michael S. Regan, Gina McCarthy, John Kerry, Janet Yellen und Pete Buttigieg hat er ein diverses und klimastarkes Team benannt, das eine neue Gerechtigkeitsdimension in der Klimapolitik verankern wird.

Build back better

Biden hat seine Präsidentschaft unter der Prämisse angetreten: Build back better – gestärkt aus der Krise. Für ihn gehören Wirtschafts- und Klimapolitik zusammen. In seinem American Jobs Plan beschreibt er wie Investitionen in Infrastruktur neue Arbeitsplätze und zukunftsfähige Industrien generieren sollen. Mit klarer Ausrichtung auf grüne Technologien. Über die nächsten 10 Jahre sollen 2 Billionen US Dollar aus Steuergeldern in die Sanierung von Straßen und Brücken, sauberes Trinkwasser, 500.000 Elektroladesäulen, die Förderung von Elektroautos, den Ausbau der Schiene und des öffentlichen Nahverkehrs, erneuerbare Energien, den Ausbau des Stromnetzes und schnelles Internet fließen. Am Geld soll’s nicht scheitern – soweit der Plan. Allerdings muss der Kongress dem grünen Konjunkturprogramm erst noch zustimmen.

Der nächste Schritt ist zentral: Wohin genau wird das Geld gehen? Welche Technologien werden als grün und zukunftsweisend definiert? Wo können die größten klimapolitischen Effekte erzielt und zugleich mehr Gerechtigkeit hergestellt werden? Bei diesem Diskurs sollten Stimmen aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft Gehör finden, um die nachhaltigsten Lösungen und richtigen Prioritäten zu setzen.

Zumindest hat Biden bereits angekündigt, dass 40 Prozent der Investitionen direkt in ärmere Viertel und Regionen mit hoher Umweltverschmutzung fließen sollen. Damit kommt er seinem Versprechen für Umweltgerechtigkeit nach und sorgt für mehr Selbstbestimmung der diskriminierten Minderheiten. Durch die lokale Mittelverwendung könnten zudem weitaus effizientere und effektivere Lösungen entstehen, die dem Klima dienen und sozialen Ausgleich herstellen.

Klimapolitik durch Gesetze und Sektoren-Ziele untermauern

Allerdings reichen die angekündigten Investitionen allein nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Die US-Regierung muss möglichst schnell Gesetze auf den Weg bringen, die Standards zur Emissionsminderung setzen. Solche haben bereits in der Vergangenheit Wirkung gezeigt und müssen ausgedehnt werden. Im Vergleich zu Diskreten haben sie längere Wirkungsdauer und senden klare Signale an die Wirtschaft. Außerdem muss Biden’s Kabinett Meilensteine formulieren, an denen ihr Erfolg transparent gemessen werden kann. Jährliche Ziele für jeden Sektor müssen definiert werden, inklusive Sanktionen bei Nicht-Erreichung.

Potenziale liegen im Transport- und Stromsektor

Folgende Bereiche bieten besonders großes Potenzial zur Eindämmung von Emissionen: Der Transportsektor, der derzeit ein Drittel der gesamten Emissionen verursacht, und der Stromsektor, auf den 25 Prozent der Treibhausgase entfallen.

Im Verkehrssektor ist das Land bereits auf einem vielversprechenden Pfad – Bundesstaaten wie Kalifornien haben Emissionsstandards und Quoten für klimaneutrale Fahrzeuge pro Hersteller eingeführt, die bereits Wirkung zeigen. Sie sollten landesweit Geltung haben. Technologische Entwicklungen in der Elektromobilität zeigen den Weg in die Zukunft und traditionelle Hersteller wie GM ziehen mit. Bis 2035 wollen sie keine Benziner mehr herstellen. Auch digitale Anwendungen tragen zur Mobilitätswende bei, indem sie effiziente und nachhaltige Alternativen anbieten. Mit einem massiven Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrradwegen in Städten könnten weitere Emissionen eingespart werden.

Im Stromsektor muss der Ausbau von erneuerbaren Energien durch Förderung und Quoten ausgebaut und massiv beschleunigt werden. Während Solar und Onshore-Wind in manchen Bundesstaaten schon auf dem Vormarsch sind, wird das Potenzial von Offshore-Windparks gerade erst entdeckt. Zur Erreichung eines klimaneutralen Stromsektors muss die US-Regierung zudem den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern einläuten. Dieser elementare Baustein ist noch nicht zu erkennen. Die USA fördern, verbrennen und exportieren nach wie vor in großen Mengen Öl und Gas. Hier fährt Biden einen kritischen Kurs: Er hofft auf Carbon Capture Storage (CCS) und wird in den nächsten Jahren große Mengen an öffentlichen Geldern in diese Technologie pumpen, die dann an anderer Stelle fehlen.

Ein weiteres großes Problem ist Methan. Bei der Öl- und Gasförderung entstehen weitaus höhere Methan-Emissionen als bisher angenommen. Sie steigen jährlich und sind um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2-Emissionen. Die US-Regierung muss dringend eine Strategie zur Eindämmung von Methan verabschieden. Die EPA entwirft derzeit einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, um Standards festzulegen.

Klimapolitik als Chance

Ihre tatsächliche Emissionsminderung muss die USA erst noch unter Beweis stellen. Was Biden bereits erreicht hat: Er hat ein breites Bündnis, darunter Industrie und Gewerkschaften, für seine Klimapolitik gewonnen. Mit seinem Versprechen von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und globaler Führerschaft in grünen Technologien ziehen sie mit ihm an einem Strang. Beim Entwurf seiner Klima-Agenda hat der Präsident Klima-Aktivist*innen Gehör geschenkt und einige ihrer Forderungen übernommen. Mit dieser Allianz könnten der notwendige Systemwandel und eine weitreichende Transformation möglich werden.

Der neue US-amerikanische Pathos lautet: Klimawandel nicht länger als kostspieliges Problem, sondern als wirtschaftliche und soziale Chance begreifen.

Bei der Bekämpfung der Pandemie hat die Biden-Harris-Regierung in den letzten Monaten durch mutige Investitionen, pragmatisches Krisenmanagement und den Aufruf zu bürgerschaftlichem Engagement bemerkenswerte Erfolge erzielt. Dieser Regierungsstil, gepaart mit Innovationsgeist könnte den klimapolitischen Durchbruch bringen. 


1 Im Vergleich: In ihrem Klimaschutzgesetz hat die EU für den gleichen Zeitraum eine Minderung ihrer Treibhausgase um 55 Prozent angekündigt.