Für Mexikos ökologische Zukunft: Präsidentin Sheinbaum setzt auf erneuerbare Energien

Analyse

Mexiko wird seit Oktober von der Klimawissenschaftlerin Claudia Sheinbaum regiert: Im Wahlkampf versprach sie eine nachhaltige Entwicklung für das Land und bei Amtsantritt kündigte sie an, erneuerbare Energien massiv auszubauen. Auf der internationalen Bühne betont sie Mexikos Engagement für den Klimaschutz. Aber wie viel ökologischer Fortschritt ist von ihr wirklich zu erwarten?

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Blick auf Windräder, die in einem Windpark in Chile stehen.

Auf ihre Wahlkampfplakate druckte Sheinbaum „Energiesouveränität für nachhaltige Entwicklung“, bei ihrer Amtsantrittsrede sprach sie davon erneuerbare Energien zu fördern – Mexiko wird seit Anfang Oktober 2024 von der Klimawissenschaftlerin Claudia Sheinbaum regiert. Sie ist die erste Frau im mexikanischen Präsidentenamt – und viele verknüpfen mit ihr die Hoffnung das Land grüner zu machen. Sheinbaum folgt in dem Amt auf Andrés Manuel López Obrador (kurz AMLO) und in vielen Bereichen will sie seine Politik fortsetzen. Beide gehören der sozialdemokratischen Partei Nationale Erneuerungsbewegung (Movimiento Renovación Nacional, Morena) an. Kann Claudia Sheinbaum Mexiko unter diesen Vorzeichen auch grüner machen? 

Ihre politische Karriere begann die promovierte Physikerin Sheinbaum 2000 im mexikanischen Umweltministerium. 2018 wurde sie Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt. Umwelt war in dieser Zeit nicht unbedingt ihr Schwerpunkt, aber sie konnte einige Fortschritte in der Klimapolitik machen: So ließ sie viele Busse elektrifizieren und stattete den riesigen Lebensmittelmarkt „Mercado de Abastos“ mit Solarzellen aus. Außerdem arbeitete Sheinbaum an zwei Berichten des International Panel on Climate Change (IPCC) mit. Weil sie als nüchterne Politikerin gilt, die ihre Politik stark an Wissenschaft ausrichtet, bezeichnen manche sie auch als „Lateinamerikas Angela Merkel“. Sheinbaum kommt aus einer jüdischen Familie von Einwander*innen aus Litauen und Bulgarien, über ihr Privatleben ist wenig bekannt. Im vergangenen Jahr entschied sie dann das Rennen um die Präsidentschaft für sich. 

Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit Anfang Oktober 2024 machte Sheinbaum ein großes, grünes Versprechen: Bis 2030 soll Mexiko nach dem 100-Punkte-Plan ihrer Regierung 45 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen, aktuell sind es erst etwa 23 Prozent.

Bisher ist das Land nicht für ambitionierten Klimaschutz bekannt. Mexiko habe die „schwächste Klimapolitik der G20“, titelte das Online-Portal Energy Monitor. Mexikos aktueller nationaler Klimaschutzbeitrag (Nationally Determined Contribution, NDC) wird vom Climate Action Tracker mit der schlechtesten Kategorie „kritisch unzureichend“ bewertet. Auf der Klimakonferenz COP29 hatte die mexikanische Delegation der neuen Regierung im vergangenen Jahr dann verkündet, dass die nächsten NDCs des Landes, die Anfang 2025 veröffentlicht werden sollen, mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sein sollen.

Ambitionen treffen auf knappe Kassen

Trotz dieser Ankündigungen werden keine größeren Änderungen in der Klimapolitik erwartet: Der Haushalt in Mexiko ist aktuell sehr knapp. Viele Mittel sind schon fest verplant. Im Umweltministerium wurde stark gekürzt, für viele Projekte gibt es schlicht nicht genug Geld oder Personal. „In den ersten Jahren der Präsidentschaft von Sheinbaum gibt es da nicht viel Spielraum für große Projekte“, meint Hilda Salazar von der Nichtregierungsorganisation Mujer y Medio Ambiente. Im ganzen Bundesstaat Michoacán habe beispielsweise die Umweltschutzbehörde bloß fünf Inspektoren, um ihre Vorhaben durchzusetzen – so Leticia Merino und verdeutlicht damit, was diese knappen Mittel bedeuten. Die Wissenschaftlerin Merino forscht seit mehr als 30 Jahren zu Wäldern und Ökosystemen in Mexiko und gehört auch zu den lautesten Stimmen von Mexikos Umweltbewegung.

Das fossile Erbe von López Obrador

Außerdem muss Sheinbaum mit einem „verfluchten Erbe“ von López Obrador umgehen, meint Hilda Salazar. Der frühere Präsident López Obrador setzte vor allem auf „Energiesouveränität“ – und strebte eine Selbstversorgung Mexikos mit Energie an.

Die sah er auch in Zukunft hauptsächlich in fossilen Energieträgern. Größtes Beispiel dafür ist die Öl-Raffinerie „Olmeca“ des staatlichen Ölkonzerns Pemex in Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco. Baustart des Projekts war 2020, in Dos Bocas wurde damit die erste neue Raffinerie im Land seit 40 Jahren gebaut, mit dem Ziel 340.000 Barrel Öl am Tag zu verarbeiten und daraus Kraftstoff zu produzieren. Beim Bau gab es allerdings immer wieder Verzögerungen. Zwar weihte López Obrador die Anlage bereits 2022 ein, aber auch Ende 2024 wurde dort noch immer kein Kraftstoff hergestellt. Nun muss Claudia Sheinbaum sich der Raffinerie annehmen – und damit mit einem teuren, fossilen Projekt in ihre Präsidentschaft starten. Die Raffinerie einfach fallen zu lassen, sei keine Option, meint Salazar. Dafür sei in den vergangenen Jahren schon viel zu viel Geld in das Projekt investiert worden. 

Erneuerbare Großprojekte

Erneuerbare Energien trieb der Ex-Präsident López Obrador vor allem mit dem „Plan Sonora“ voran. Damit sollten Windparks in verschiedenen Bundesstaaten gebaut und auch der Lithiumabbau angeschoben werden. Das Aushängeschild soll aber die Entstehung des „größten Solarparks Lateinamerikas“ mit einer Fläche von 2.000 Hektar in der Nähe von Puerto Peñasco im Bundessaat Sonora sein. Das Ziel ist eine Belieferung mit Strom in Höhe von einem Gigawatt bis 2027. Dieses Projekt ist allerdings auch umstritten: Indigene Gemeinden und Umweltaktivist*innen protestieren gegen das Megaprojekt und vor allem gegen die Stromtrassen, die den Strom dann in die dichter besiedelten Gebiete des Landes bringen sollen. 

„Diese riesigen Projekte sind auch eine Form von Extraktivismus, wenn es um Erneuerbare geht“, meint Hilda Salazar. Großprojekte haben aus ihrer Sicht auch immer viele Nebenwirkungen. Oftmals hätten sie eher die Symbolwirkung als das Wohlbefinden der Menschen im Blick. Claudia Sheinbaum hat angekündigt, am Ausbau der erneuerbaren Energien festzuhalten – und will damit auch den Plan Sonora weiter voranbringen. 

Problempunkt - Wasser

Bei den Projekten zum Lithiumabbau gibt es auch Bedenken zum Wasserverbrauch. Wasser und Wasserrechte polarisieren in Mexiko stark. In den vergangenen Jahrzehnten waren Wasserrechte oftmals privatisiert und an große, internationale Konzerne vergeben worden. Wasser für die mexikanische Bevölkerung ist darum teuer, die Versorgung vieler Haushalte ist schlecht und immer größere Teile des Landes leiden unter anhaltender Dürre. „Die Situation ist wirklich schlimm“, meint Leticia Merino. Ein großes Problem ist aus ihrer Sicht auch, dass Teile des Wassers vom organisierten Verbrechen kontrolliert werden. Sheinbaum hat in ihrem 100-Punkte-Regierungsplan verkündet, dass sie das System der Wasserrechte reformieren will.

Durch die Energiewende spitzt sich die Wasserknappheit zu. So wird dafür beispielsweise viel Kupfer benötigt, dessen Abbau braucht aber viel Wasser. Darum blickt Leticia Merino mit Sorge auf den Bergbau für die Energiewende und seine Auswirkungen auf Mexikos Wasserhaushalt. Zusammen mit der Initiative CambiémoslaYa hatte Merino es geschafft, dass das Bergbaugesetz in Mexiko geändert wurde – die Änderungen wurden aber noch nicht umgesetzt. Sie hofft, dass das unter der neuen Regierung nun eine höhere Priorität bekommt. 

Durchwachsene Zukunftsaussichten 

Allgemein sieht Hilda Salazar in Sheinbaums Politik beispielsweise bei den Themen Inklusion von Frauen und Umwelt Fortschritte – sie begrüßt auch ihre Ankündigungen zur Aufforstung von Wäldern, aber die ökologische Zukunft des Landes sei trotzdem durchwachsen. „Es gibt in Mexiko keinen echten Plan zu einer Energiewende“, meint sie. Erneuerbare Energien würden nur parallel zu fossilen Energieträgern ausgebaut, es gebe aber keinen Plan, wie fossile signifikant reduziert werden könnten. Die bevorstehende Präsidentschaft von Donald Trump wird aus der Sicht von Salazar negative Auswirkungen auf die Umwelt- und Klimapolitik Mexikos haben. 

Außerdem habe Sheinbaum einen sehr technischen Blick auf die Klimakrise und die Energiewende, da fehle eine ganzheitliche Perspektive, die auch andere Aspekte mit einbezieht. Auch Merino denkt, dass Sheinbaum einige Themen zu sehr als „Ingenieurin“ betrachtet. „Die neue Regierung hat zwar gute Absichten“, fasst die Wissenschaftlerin zusammen. „Aber aktuell fehlen an allen Enden die finanziellen Mittel“. Um das langfristig zu ändern, wäre aus ihrer Sicht sowohl eine umfassende Steuerreform als auch ein entschiedener Kampf gegen das organisierte Verbrechen nötig, um Mittel für eine sozialökologische Transformation im Land freizusetzen.