Elisa Thomaset, Humboldt-Universität zu Berlin

Patriarchale (Dis-)Kontinuitäten von gesellschaftlichen Naturverhältnissen im transnationalen Widerstand gegen grünen Extraktivismus: Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zur Rohstoffpolitik der EU

Lesedauer: 3 Minuten

Mit dem Europäischen Grünen Deal verfolgt die EU einen öko-modernen Transformationsansatz, der technologische Innovationen und wirtschaftliches Wachstum in den Mittelpunkt des ‚grünen Wandels‘ Europas stellt. Aus Sicht der feministischen Umweltforschung und Ökonomiekritik reproduziert dieser Ansatz patriarchale und (neo)koloniale Strukturen, die dem kapitalistischen Wirtschaftssystem durch die Externalisierung und Aneignung von Natur und reproduktiver Arbeit inhärent sind. Besonders deutlich wird dies am grünen Extraktivismus: Wirtschafts- und Entwicklungsmodelle, die auf der Extraktion natürlicher Ressourcen – insbesondere sogenannter ‚strategischer Rohstoffe‘1  – beruhen, werden durch den öko-modernen Diskurs als essenziell für den ‚grünen Wandel‘ legitimiert. Die sozialen und ökologischen Kosten der Rohstoffausbeutung hingegen werden vorrangig auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen im Globalen Süden ausgelagert.

Auch aus zivilgesellschaftlicher Perspektive wird dieses Modell zunehmend kritisiert. Angesichts der steigenden Nachfrage nach strategischen Rohstoffen und der begleitenden politischen Maßnahmen der EU haben sich neue zivilgesellschaftliche Netzwerke auf EU- und internationaler Ebene gebildet. In Bündnissen wie der European Raw Materials Coalition fordern Umwelt- und Entwicklungs-NGOs die EU zu Reduktionszielen und strengeren menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten auf und arbeiten mit NGOs und der lokalen Zivilgesellschaft in den Abbaugebieten zusammen.

Die bisherige Forschung zu grünem Extraktivismus konzentriert sich vorrangig auf die Analyse der lokalen Akteur*innen und die sozial-ökologischen Auswirkungen in den betroffenen Gebieten. Die Potenziale und Herausforderungen transnationaler zivilgesellschaftlicher Kooperationen sowie eine Analyse der Machtstrukturen, die die Ausarbeitung ihrer politischen Strategien prägen, werden dabei weitgehend vernachlässigt. Vor diesem Hintergrund widme ich mich in meiner Dissertation der transnationalen zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit zur Rohstoffpolitik der EU. Im Fokus steht die Analyse symbolischer, materieller und epistemologischer (Dis-)Kontinuitäten patriarchaler und (neo)kolonialer Machtstrukturen, die die Diskurse über gesellschaftliche Naturverhältnisse im Widerstand gegen grünen Extraktivismus und öko-moderne Ansätze sozial-ökologischer Transformation prägen. Zu diesem Zweck entwickle ich ein methodisch-analytisches Rahmenkonzept, das auf Ansätzen der feministischen Umweltforschung und lateinamerikanischen feministischen politischen Ökologie basiert und einen Beitrag zur kritischen Forschung über transnationale zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit leisten soll.

Kern meiner empirischen Untersuchung bilden mehrere Fallstudien zur Kooperation zwischen europäischen NGOs und Organisationen aus den Lithiumabbaugebieten im Andenraum. Als zentraler Rohstoff für die Batterieherstellung – u.a. für die E-Mobilitätswende der Automobilindustrie – hat Lithium symbolische Bedeutung für den öko-modernen Wandel der EU erlangt. Aufbauend auf einer kritischen Diskursanalyse ausgewählter NGO-Publikationen sowie von Expert*inneninterviews mit Vertreter*innen und Partner*innen der involvierten NGOs werden einzelne Elemente der partizipativen Aktionsforschung in das Forschungsdesign integriert – u.a. durch die Vorabstimmung des Forschungsdesigns sowie die abschließende Diskussion der Forschungsergebnisse in Fokusgruppen. Dieser methodische Ansatz ist auf den theoretischen Rahmen der Arbeit abgestimmt und darauf ausgerichtet, die Forschungsfragen zielgerichtet zu bearbeiten.

Stand: Juni 2025

Fußnoten
  • 1

    Als ‚strategische Rohstoffe‘ werden all jene Rohstoffe bezeichnet, die als relevant für den digitalen und grünen Wandel der EU sowie für Verteidigung und Raumfahrt gelten und deren Versorgung als kritisch eingestuft wird. Zu ihnen zählen u.a. Lithium, Nickel, Kobalt, Kupfer und Seltene Erden.

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