Wie geht es weiter mit dem von China gestützten Solarboom in Südostasien?

Analyse

Südostasien hat sich dank der Verlagerung chinesischer Produktionsstätten zu einem führenden Solar-Exporteur entwickelt – doch US-Zölle zeigen Wirkung.

Eine Person kniet zwischen Solarpaneelen und arbeitet mit Werkzeug auf einer schwimmenden Plattform.
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Chinesischer Hersteller haben Malaysia, Vietnam, Thailand und Kambodscha zu wichtigen Exportländern von Solarkomponenten gemacht (im Bild: Solarstromprojekt in Rayong, Thailand).

Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt hat sich Südostasien zu einem der weltweit führenden Exporteure von Solartechnologie entwickelt. Dieser Wandel ist in erheblichem Maße auf die Verlagerung chinesischer Produktionskapazitäten in die Region zurückzuführen. Inzwischen sieht sich der Sektor jedoch mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert: Die Wiedereinführung von US-Zöllen erschwert den Zugang zum bislang wichtigsten Absatzmarkt und erhöht den Druck auf einen zuvor florierenden Industriezweig.

Seit 2012, als chinesische Solarhersteller erstmal von US-amerikanischen Importzöllen betroffen waren, haben viele von ihnen ihre Produktion schrittweise nach Südostasien verlagert, um Handelsbeschränkungen zu umgehen. In den letzten Jahren hat sich dieser Prozess unter dem Einfluss von Überkapazitäten und starkem Preiswettbewerb auf dem chinesischen Binnenmarkt weiter beschleunigt.

Die Ansiedlung von Produktionsstätten führender chinesischer Hersteller wie Trina, Longi, JA Solar und Jinko Solar – gemeinsam mit neben rund 20 weiteren Wettbewerbern – hat Malaysia, Vietnam, Thailand und Kambodscha zu zentralen Standorten für die Herstellung und den Export von Solarkomponenten gemacht. Diese vier Länder vereinen mittlerweile über 40 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Solarmodule außerhalb Chinas und rund 20 Prozent der globalen Exporte.

Südostasiens Solar-Exporte waren bislang vor allem auf die USA ausgerichtet. Laut BloombergNEF stammten in der ersten Hälfte des Jahres 2024 über 80 Prozent der dort importierten Solarausrüstung aus Malaysia, Vietnam, Thailand und Kambodscha.

Dieser bislang erfolgreiche Exportpfad ist jedoch zunehmend gefährdet. Im Juni 2024 hob der damalige US-Präsident Joe Biden eine zweijährige Aussetzung von Einfuhrzöllen auf Solarmodule aus den vier führenden Produktionsländern der Region auf. Die Maßnahme richtete sich gegen Hersteller mit Verbindungen zu chinesischen Unternehmen, denen unfaire Geschäftspraktiken vorgeworfen wurden. Zusätzliche Zölle, die im November desselben Jahres angekündigt wurden, führten dazu, dass mehrere chinesische Unternehmen ihre Produktion einschränkten, zeitweise stoppten oder in Länder wie Indonesien und Laos verlagerten, die von den neuen Maßnahmen zunächst ausgenommen waren.

Diese Unsicherheit wurde durch Präsident Donald Trump weiter verschärft: Er verhängte drastische Zölle auf südostasiatische Solarhersteller – in einigen Fällen in noch nie dagewesener Höhe von bis zu 3.521 Prozent, die je nach Land und Unternehmen variieren. So wurde Trina Solar beispielsweise mit kombinierten Zöllen von 375 Prozent auf seine Produktion in Thailand belegt, während Jinko Solar auf Exporte aus Vietnam mit einem Satz von 120 Prozent rechnen muss – aus Malaysia hingegen nur mit einem geringeren Satz von 40,3 Prozent.

Im Vorfeld dieser neuen Zollrunde sprachen wir mit Expert:innen und Analyst:innen über die Rolle chinesischer Solarunternehmen in Südostasien, deren Aufnahme in den jeweiligen Ländern und die Perspektiven für eine Industrie, die zunehmend unter dem Einfluss globaler Handelskonflikte steht.

Südostasien: Chinesische Unternehmen umgehen Handelsbarrieren 

Der Solarsektor ist nur ein Teilaspekt eines umfassenderen Trends chinesischer Industrieinvestitionen, die Südostasien zunehmend umgestalten. Laut einem aktuellen Bericht der US-amerikanischen Denkfabrik Asia Society beliefen sich die Investitionen in die zehn Mitgliedsstaaten der Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) im Jahr 2023 auf 17,6 Milliarden US-Dollar. Neben dem Solarsektor zählen Elektrofahrzeuge, Batterien und Stahl zu den zentralen Bereichen.

Der Asia Society zufolge wird dieser Investitionsschub vor allem durch das Bestreben chinesischer Unternehmen angetrieben, Handelsbarrieren in Industrieländern zu umgehen, Produktonskosten zu senken und die strategische Lage Südostasiens als globales Drehkreuz auszunutzen.

Zu den bedeutenden chinesischen Solarinvestitionen zählen zwei Fabriken von Trina Solar in Vietnam, die Siliziumwafer und Solarzellen produzieren. Eine dritte Anlage im Umfang von 454 Millionen US-Dollar auf 25 Hektar Fläche wurde angekündigt. Longi investierte über 1,1 Milliarden US-Dollar in mehrere Standorte in Malaysia und beschäftigte dort bis 2023 mehr als 8.000 Menschen – obwohl einzelne Betriebe Berichten zufolge aufgrund der Zölle stillgelegt wurden.

Yang Muyi, leitender Energieanalyst beim globalen Think-Tank Ember, erklärte, dass die technologische Expertise Chinas wesentlich zur Beschleunigung der solaren Entwicklung in Südostasien beigetragen habe:

„Chinas Erfolg in der Solarindustrie kam nicht über Nacht, sondern war das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Unterstützung, darunter langfristige Investitionen, Forschungs- und Entwicklungsgelder und die Entwicklung integrierter Industriecluster“, erklärte Yang im Interview für diesen Artikel. „Selbst mit diesen starken Rahmenbedingungen dauerte es noch Jahre, bis sich chinesische Unternehmen als globale Spitzenreiter etablieren konnten.“

Von China unterstützte Projekte in Südostasien haben Kapital angezogen, Arbeitsplätze geschaffen und zur Modernisierung lokaler Industrien beigetragen, so Yang weiter.

Diese industrielle Entwicklung gehört zu den Gründen, warum die Regierungen Südostasiens „nahezu einhellig chinesische Direktinvestitionen begrüßt und aktiv gesucht haben“, wie die Autoren des Berichts der Asia Society schreiben. Die wirtschaftlichen Vorteile waren beträchtlich: Allein im Jahr 2023 erreichten die US-Solarimporte aus Malaysia, Vietnam, Thailand und Kambodscha ein Volumen von 12 Milliarden US-Dollar. Der Bericht der Asia Society warnt jedoch vor den Risiken einer übermäßigen Abhängigkeit von chinesischen Industrievorleistungen und Investitionen – insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender globaler Handelskonflikte. Diese Problematik wurde durch die unter der Biden-Regierung eingeführten Zölle unterstrichen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 zu einem drastischen Einbruch der  US-Solarimporte aus der Region führten.

Nicht alle chinesischen Investitionen stoßen vor Ort auf Zustimmung.

Doch nicht alle chinesischen Investitionen stoßen vor Ort auf Zustimmung. Putra Adhiguna, Geschäftsführer des auf Asien fokussierten Energie-Finanz-Think-Tanks Energy Shift Institute, verwies auf Kontroversen rund um ein Solarprojekt des chinesischen Unternehmens Xinyi auf der indonesischen Insel Rempang. Die Anlage, Teil eines geplanten „Ökostadt“-Konzepts, löste 2023 Proteste aus, nachdem bekannt wurde, dass tausende Anwohner:innen zwangsweise umgesiedelt werden sollten. Der Bau liegt seither auf Eis, während die Regierung weiter über Umsiedlungen verhandelt – inzwischen möglicherweise mit einem „sanfteren Ansatz“. Im März entschuldigte sich Indonesiens Transmigrationsminister offiziell bei den zuvor zwangsweise Vertriebenen.

Reaktion auf die US-Zölle: Südostasien sucht neue Absatzmärkte

Bereits vor der Zollanhebung durch die Biden-Regierung im Jahr 2024 begannen chinesische Solarunternehmen in Südostasien, ihre Strategien proaktiv anzupassen, um neuen Handelsbarrieren zuvorzukommen. Daten der auf China spezialisierten Forschungsgruppe Rhodium Group zeigen, dass sich chinesische Solarinvestitionen 2022 und 2023 deutlich in Richtung Laos und vor allem Indonesien verlagerten. Diese beiden Länder, die zuvor industriepolitisch weniger beachtet wurden, erhielten milliardenschwere Zusagen und machten in diesem Zeitraum fast die Hälfte der gesamten Solarinvestitionen in der Region aus.

Zu weiteren mit China verbundenen Projekten in Indonesien zählt unter anderem Trinas Mas Agra-Fabrik für Solarzellen und -module, die im Oktober 2024 ihren Betrieb aufnahm. Ebenfalls in Indonesien eröffnete Thornova im November eine neue Solarmodulfabrik, mit bereits angekündigten Plänen, ab Mitte 2025 in die USA zu exportieren.

Solche Ambitionen sehen sich nun jedoch erheblichen Hürden gegenüber, nachdem die Trump-Regierung eine Reihe neuer Zölle eingeführt hat.

Im Gespräch mit der malaysischen Publikation The Edge beschrieb Davis Chong, Präsident der Malaysia Photovoltaic Industry Association, chinesisch geführte Unternehmen im Land als durch frühere US-Zölle bereits nahezu „ausgelöscht“. Chong erklärte, der Verband rechne damit, dass sich weitere chinesische Hersteller vom Markt zurückziehen würden. Bereits Anfang des Monats hatten Bloomberg-Analysten ähnlich angedeutet, dass die US-Zölle „Produzenten dazu veranlassen könnten, Südostasien insgesamt zu verlassen“ und stattdessen Regionen wie den Nahen Osten ins Auge zu fassen.

Da sich der US-Markt zunehmend als unzugänglich erweist, wird die Suche nach alternativen Absatzmärkten für die Region diskutiert. „Es geht nicht so sehr darum, dass südostasiatische Länder ihre Abhängigkeit von China verringern wollen, sondern darum, ihre Abhängigkeit vom US-Markt zu reduzieren“, sagte Grant Hauber, strategischer Finanzberater für Energiethemen in Asien am Institute for Energy Economics and Financial Analysis, gegenüber Dialogue Earth.

Die kurzfristigen Aussichten für eine Diversifizierung der Exportmärkte erscheinen jedoch gemischt.

Die kurzfristigen Aussichten für eine Diversifizierung der Exportmärkte erscheinen jedoch gemischt. So bezieht die Europäische Union beispielsweise 97 Prozent ihrer Solarausrüstung direkt aus China, ohne diese Importe mit Zöllen zu belegen, wodurch südostasiatischen Produzenten nur wenig Spielraum bleibt, ihre Verluste aus dem zuvor dominierenden US-Markt rasch auszugleichen. Zwar förderte die Europäische Solar-Charta 2024 die Diversifizierung der Lieferketten und hob die Risiken der Abhängigkeit von China hervor, doch der Schwerpunkt lag hauptsächlich auf der Unterstützung europäischer Hersteller, die Schwierigkeiten haben, mit den durch die chinesische Produktion gedrückten niedrigen Preisen zu konkurrieren. Mit diesen Preisen müssen sich auch südostasiatische Solarexporteure auf dem EU-Markt auseinandersetzen.

Können lokale Märkte die Lücke schließen?

Vor dem Hintergrund anhaltender Handelsunsicherheiten zwischen den USA und China könnten die Binnenmärkte Südostasiens laut Yang eine wichtige Absicherung gegen externe Schocks bieten. Er betont, dass eine beschleunigte Energiewende hin zu sauberem Strom eine erhebliche lokale Nachfrage nach Solartechnologien und entsprechender Infrastruktur erzeugen könnte. Gleichzeitig warnt er:  „Es bleibt wenig Zeit – andere Regionen skalieren ihre sauberen Energiesysteme bereits mit hohem Tempo.“

Trotz eines deutlichen Ausbaus der Produktionskapazitäten verlief der Ausbau der Solarenergie innerhalb Südostasiens bislang uneinheitlich. „Die Entwicklung der heimischen Solarmärkte zeigt ein gemischtes Bild – das Wachstum ist unterschiedlich stark ausgeprägt und hängt stark von nationalen Politiken ab“, erklärte Adhiguna.

Vietnam nimmt eine Sonderstellung ein: Mit einer installierten Kapazität von 18,4 GW (Stand 2023) hat sich das Land innerhalb von nur zwei Jahren durch ein attraktives Einspeisetarifmodell für Solar- und Windenergie zu einem der weltweit führenden Märkte entwickelt, so Hauber.

Fachleute verweisen jedoch auf verschiedene Hürden, die verhindern, dass die Region ihre überschüssige Exportkapazität im Inland absorbiert. Ganz oben auf der Liste steht der Einfluss fossiler Energien.

Chalie Charoenlarpnopparut, außerordentlicher Professor am Sirindhorn International Institute of Technology in Bangkok, beschreibt die politischen Entscheidungsträger in Thailand als „verunsichert“ gegenüber Solarenergie – insbesondere wegen der Konkurrenz zu etablierten Erdgasinteressen. Regulatorische Hürden verzögern die Genehmigung von Solarprojekten – sowohl im großen als auch im kleinen Maßstab: „Selbst Privathaushalte oder Kleinbetriebe haben noch immer Schwierigkeiten, Solaranlagen auf ihren Dächern zu installieren“, sagt er.

Wir leiden in dieser Region unter einem fossilen Brennstoff-Kater.

In Indonesien wiederum erweist sich der Einfluss der Kohlewirtschaft als schwer überwindbar – trotz des Versprechens, die Nutzung bis 2040 zu beenden

„Wir leiden in dieser Region unter einem fossilen Brennstoff-Kater – staatliche Unternehmen und einflussreiche Personen haben ihr Vermögen und ihre Macht auf diesen Energieträgern aufgebaut. Sie hinter sich zu lassen, ist schwer“, so Hauber.

Weitere Hürden, die Hauber benennt, sind eine mangelhafte Netzinfrastruktur, hohe Logistik- und Arbeitskosten sowie die begrenzte Bandbreite an Solarkomponenten, die jeweils in einem Land produziert werden. 

„Regierungen denken, wenn sie einen Vertrag mit einem Solarpanel-Hersteller abschließen, hätten sie Solarstrom im eigenen Land. Nein – sie bekommen nur eine Komponente. Sie ist glänzend, Hightech und sieht gut aus – aber sie liefert noch keinen Strom ins Netz.“

Adhiguna bekräftigt Haubers Sicht, dass Südostasien seine Solarmärkte breiter diversifizieren müsse – innerhalb der Region, darüber hinaus oder durch stärkere Fokussierung auf den Binnenmarkt. Er empfiehlt eine tiefere Einbindung entlang der gesamten solaren Wertschöpfungskette – auch wenn dies mit erheblichen Herausforderungen verbunden sei:

 „Die Herstellung von vorgelagerten Produkten Glieder wie Polysilizium ist kapitalintensiv und unterliegt einem erbitterten Wettbewerb. Doch eine vertiefte Wertschöpfung dürfte auf lange Sicht sowohl chinesischen Unternehmen als auch den Ländern Südostasiens Vorteile bringen.“

Trotz aller Herausforderungen bleibt Adhiguna optimistisch hinsichtlich des Solarpotenzials der Region – betont aber, dass das Angebot attraktiver werden müsse, angesichts zunehmender Konkurrenz etwa aus Indien, das seine Solarfertigung verstärkt lokalisiert. „Investoren wollen eine klare Projektpipeline sehen, die sie kurz- bis mittelfristig umsetzen können – nicht nur Visionen in ferner Zukunft“, so Adhiguna.


Soraya Kishtwari und Tyler Roney haben zu den Recherchen für diesen Artikel beigetragen. Erstveröffentlichung auf Englisch bei Dialogue Earth.

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