Der Film „Viva Riva“, der kürzlich auf der Berlinale gezeigt wurde, erzählt die Geschichte eines jungen Mannes namens Riva, der schnelles Geld machen will und dadurch in Schwierigkeiten gerät. Was hat Sie dazu bewegt, einen Charakter wie Riva zu schaffen?
Munga: Zunächst wollte ich über Kinshasa sprechen. Ich habe versucht, den typischen Lebensstil dieser Stadt darzustellen. Diese ist gezeichnet von einem Alltag voller Freude, Spaß, Wünschen und Leidenschaft. Aber es gibt auch die andere Seite, über die niemand spricht. Hauptsächlich betrifft das die familiären Verhältnisse und die Beziehungen zu anderen Menschen. Durch die Figur Riva wird zum einen aufgezeigt, wie attraktiv und energetisch eine Stadt sein kann. Denn Kinshasa ist tatsächlich eine Stadt mit einem hohen Spaßfaktor. Aber zum anderen ist Kinshasa eine Stadt mit vielen leidvollen Erinnerungen, die durch einige historische Ereignisse bedingt sind. Die Kongolesen in Kinshasa kommen aus allen Teilen der DR Kongo. Es gibt die Leidtragenden, über die niemand sprechen möchte. Riva in seiner Beziehung zu seiner Familie symbolisiert diese komplexe Struktur der Stadt. In Rivas Charakter habe ich diese zwei Seiten Kinshasas vereint.
Obwohl „Viva Riva“ zum Genre des Gangster-Films gehört, reflektiert der Film auf vielfältige Weise die sozialen und politischen Herausforderungen der kongolesischen Gesellschaft. Welches waren die Hauptprobleme, die Sie mit ihrem Film thematisieren wollten?
Die Grundidee bestand darin, zu zeigen, dass Armut eines der größten Probleme in der DR Kongo ist und sich daraus weitere Probleme ergeben. Die Familienbeziehungen, Liebe, Geld und Habgier sind Dinge, die alle Teile der Gesellschaft beeinflussen. Zu diesen Bereichen zählen die Kirche, das Militär und auch die Ministerien. Vor allem der Einfluss der Armut auf diese Bereiche ist immens. Zwar spielen Korruption und Geldgier ebenfalls eine Rolle, aber auch dies ist unter dem Zeichen der Armut zu betrachten.
Außerdem ging es mir im Film darum, Familien- und Liebesbeziehungen aufzugreifen und zu problematisieren – und mit Liebesbeziehung ist nicht nur die Beziehung zwischen Mann und Frau gemeint, sondern auch die Freundschaft. Im Film zerbrechen diese Beziehungen. Aber auch die Kirche und das Militär versagen. Alles fällt auseinander und zerstört so auch das Leben der Figuren.
Sie arbeiten nun schon seit einigen Jahren als Produzent und Filmemacher in der DR Kongo. Was bedeutet es, in einem Land wie der DR Kongo eine Produktionsfirma zu eröffnen? Was sind Ihre Erfahrungen?
Vor allem bedeutet das, dass ich ein sehr optimistischer Mensch bin. Du würdest nicht an einem Ort eine Produktionsfirma gründen, obwohl du weißt, dass es sehr schwer sein wird, auch wenn du optimistisch bist – und optimistisch bin ich nicht nur jetzt, sondern schon seit mehreren Jahren. Wir sind eine Bevölkerung, die viel Schreckliches erleben musste. Aus diesem Grunde haben wir Probleme damit, glücklich zu sein und vorwärts zu kommen. Vor einigen Jahren, als ich den Gedanken hegte, eine Produktionsfirma zu gründen, wusste ich, dass ich das in Kinshasa machen wollte. Das war noch in einer Zeit, als es keine freien Wahlen gab und Krieg geführt wurde.
Hoffentlich wird sich das alles weiter einpendeln und wir werden uns weiter in eine demokratische Richtung bewegen. Ich für meinen Teil versuche, Filme zu machen und junge Menschen darin auszubilden. Das scheint mir wichtig in Anbetracht der sozialen Verantwortung gegenüber jungen Menschen, die mehr über das Filmemachen erfahren wollen. Diese Art von Arbeit ist in Kongo nämlich neu und die junge Generation der Kongolesen ist sehr interessiert. Sie haben zwar nicht die Möglichkeiten, die in anderen Ländern gegeben sind: das Schulsystem funktioniert schlecht, die Infrastruktur ist nicht vorhanden. Aber die jungen Menschen sind guter Dinge. Und ich kann sagen, dass die Arbeit mit ihnen zu den positivsten Dingen in meinem Alltag gehört.
Am 27. November finden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der DR Kongo statt. Sind Sie optimistisch, dass die Wahlen die so notwendigen politischen, ökonomischen und sozialen Veränderungen mit sich bringen werden?
In der Beantwortung der Frage werde ich ein wenig kontrovers sein. Ich glaube, es gibt einen Unterschied zwischen Demokratie und Wohlstand. Die Menschen denken nicht gut über die Wahlen. Sie glauben zwar, dass es eine Sache ist, die wir brauchen. Aber sie glauben auch, dass sie durch die Wahlen reich werden.
Das sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Das führt dazu, dass ein Teil der Bevölkerung enttäuscht ist, weil sie sehen, dass sich in Bezug auf ihre Situation nicht viel geändert hat und sie immer noch arm sind. Dabei berücksichtigen sie Ereignisse wie die Weltwirtschaftskrise nicht, die tatsächlich jeden getroffen hat, Arm und Reich, Europa und die USA.
Die Veränderungen sind sukzessiv zu betrachten. Wir befinden uns in einem langen Prozess. Dieser betrifft die wirtschaftliche Produktion, das Gesundheitswesen und auch die finanzielle Unterstützung der Gesellschaft. Außerdem gibt es das große Problem der Ignoranz. Dinge zum Laufen zu bringen ist ein sehr komplexes und kompliziertes Unterfangen. Das haben wir in den letzten drei bis vier Jahren gemerkt.
Wir haben nun die nächsten Wahlen vor uns und ich hoffe, dass alles gut verläuft. Ich hoffe vor allem, dass der Großteil der Kongolesen versteht, dass wir einen langen Prozess durchlaufen müssen, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Vielleicht wird es nicht mehr unsere Generation sein, denen die Ergebnisse dieses Prozesses zugutekommen.
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Das Interview führte Sevilay Karaduman