Grußwort zur Verleihung des Friedensfilmpreises 2011

Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung; Foto: Ludwig Rauch

20. Februar 2011
Ich grüße Sie alle  herzlich zur 26. Verleihung des Friedensfilmpreises. Die Heinrich Böll Stiftung ist seit 1995 mit an Bord, und jedes Jahr von neuem wächst in den Tagen davor die Spannung, welchen Preisträger uns die Jury präsentieren wird. 

Der Friedensfilmpreis ist zu einem Archiv der Zeitgeschichte geworden, in dem die politischen Krisen und menschlichen Tragödien unserer Zeit eingefangen sind: die Balkan-Kriege Anfang der 90er Jahre, der Nahost-Konflikt oder die Situation von Flüchtlingen aus Afghanistan oder dem Irak.

Diese Filme rütteln auf, sie schärfen den Blick für die Realitäten hinter den Schlagzeilen und sie vermitteln ein Gefühl der Solidarität mit anderen, die jenseits unserer Grenzen und Sicherheiten leben. Ohne Mitgefühl bleiben Menschenrechte ein leeres Wort. Empathie kann aber nicht entstehen ohne Anschauung, ohne eine Idee von dem alltäglichen Kampf, den Menschen in anderen Weltgegenden um ihr Leben und Überleben führen. 

Das ist vielleicht die größte Gabe des Mediums Film: uns entfernte Menschen nahezubringen und die großen Weltereignisse in persönlichen Geschichten zu übersetzen. Insofern ist der Friedensfilmpreis auch ein Beitrag zur Filmkultur, der die Tradition des engagierten Kinos hoch hält – ohne belehrenden Zeigefinger und platte Propaganda, aber mit einer klaren Parteinahme für Menschenrechte, Toleranz und Völkerverständigung.

Kleiner Schnörkel am Rande: Auf die Verleihung des Silbernen Bären an Ulrich Köhler für seinen Film „Die Schlafkrankheit“ sind auch wir ein wenig stolz, ist doch eine Sequenz des Films, die eine internationale Konferenz in Paris zeigt, im Hauptquartier der Böll-Stiftung in Berlin gedreht worden. Wir ermutigen alle potentiellen Filmemacher, diesem Beispiel zu folgen.

Zum Schluss noch ein Wort zu den wirklich wichtigen Ereignissen: Für einen Friedensfilmpreis wäre es ein wenig unpolitisch, nicht mit einem kurzen Blick in den Nahen Osten zu schließen, wo der Geist der Freiheit die despotischen Regimes vom Maghreb bis an den Persischen Golf ins Wanken bringt. Es ist eine ganz und gar autonome Bewegung, vorangetrieben von Millionen Menschen, die ihre Angst überwunden haben und aufbegehren gegen Willkürherrschaft, Korruption und gesellschaftliche Stagnation.

Ich möchte zwei Merkmale hervorheben, die mich hoffnungsvoll stimmen: bisher ist es eine Revolution ohne ISMUS, ohne doktrinäre Ideologie, und es ist eine zutiefst zivile Bewegung, die in vielem an die gewaltfreien Revolutionen in Mittel-Osteuropa erinnert.

Welch eine Chance für Europa (und auch für Israel), sich mit den demokratischen Bestrebungen des Nahen Ostens zu verbünden und sie nach Kräften zu unterstützen, nachdem westliche Regierungen lange dem Irrglauben gefolgt sind, man könne Stabilität auf Kosten der Freiheit erreichen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Frieden, Sicherheit und Demokratie gehören untrennbar zusammen.

Es wäre ein historisches Versagen, wenn die größte Sorge von Bundesregierung und Europäischer Union jetzt darin bestünde, die Grenzen für Armutsflüchtlinge aus dem Maghreb möglichst dicht zu halten. Europa darf nicht zu einem Kontinent werden, der sich immer stärker gegen die Außenwelt abschottet!
 
Wir grüßen diejenigen, die in diesen Tagen von Tunis bis Teheran für Freiheit und ein besseres Leben eintreten, und wir verneigen uns vor denen, die dafür ihr Leben lassen mussten.

 

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.

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