Ein weißer Fleck wird bunt

Die Menschen in Kibera selbst halfen dabei, alle wichtigen Orte ihres Slums auf einer digitalen Karte zu erfassen. Karte: Open Street Map Lizenz: CC-BY-SA Quelle: Kibera Map

19. Dezember 2012
Katrin Zinoun
Kibera im Südwesten von Nairobi ist vermutlich einer der größten Slums in Afrika. Wie viele Menschen dort leben, weiß keiner so genau, für jedermann sichtbar sind dagegen die Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben: Sie haben kein sauberes Wasser, kein funktionierendes Abwassersystem und keine Abfallentsorgung – und sie bekommen die Kriminalität nicht in den Griff. Daten über diese Zustände gab es lange nicht, auch keine Wegweiser zu Kliniken, Geschäften, zur Polizei oder sozialen Anlaufstellen. Und das wiederum verschlechterte die ohnehin miserable Lage. « Kibera war ein weißer Fleck auf der Landkarte, warum also sollte irgendjemand hier etwas investieren?», sagte Kepha Ngito, Direktor des Projektes Map Kibera Trust, zu → Global Voices.

Das Projekt wurde geboren, als im Jahr 2009 dreizehn Jugendliche im Umgang mit einem GPS-Gerät und der OpenStreetMap-Software geschult wurden. Das nämlich brachte sie auf die Idee, ihren Slum in einer für alle im Netz zugänglichen Karte zu erfassen. Nun wissen die Menschen, wo sie Toiletten finden, welche Straßen beleuchtet sind, wo sie etwas kaufen können. Da viele von ihnen keinen Internetzugang haben, wird die digitale Karte auch gedruckt. Mundpropaganda tut ein Übriges, dass alle informiert werden.

Neben der sogenannten Map Kibera Trust gibt es mittlerweile zwei weitere Projekte. Zum einen die Voice of Kibera: Mithilfe einer Ushahidi-Plattform können Einwohner des Slums der «Voice» Informationen per
SMS zusenden – über Unfälle, Verbrechen, Krankheiten. Sie werden später von einem Team von Redakteuren geprüft und mit der Verortung auf der Karte veröffentlicht.

Zum anderen gibt es das Kibera News Network (KNN): Es informiert in seinem YouTube-Kanal über die Geschichten, die ihm von den Slumbewohnern zugetragen werden und recherchiert sie weiter. Auch dieses Projekt bezieht alle mit ein, die nicht online sein können, und zeigt die Filme in sogenannten Video Halls.  Besonders erfolgreich war ein Projekt zur Wasserknappheit: Händler begannen, sehr hohe Preise für Wasser zu verlangen, ein Film von KNN informierte darüber und plötzlich diskutierten auch die Behörden das Problem.

Seitdem wird Wasser zu einem wesentlich geringeren Preis verkauft. So haben zwei recht einfache Instrumente, die geografische Information und frei zugängliche Daten dabei geholfen, die Lebenssituation der Menschen in den Slums deutlich zu verbessern.


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Katrin Zinoun ist freie Autorin, Lektorin und Übersetzerin. In ihrem Blog dialogtexte.de beschäftigt sie sich mit Fragen der Globalisierung und des Kulturdialoges. Als Lingua Editor für Global Voices hilft sie dabei, Nachrichten, die es nicht auf Titelseiten schaffen, für deutschsprachige Leser zugänglich zu machen.

Global Voices ist ein globales Netzwerk von Bloggern und Übersetzern, die Debatten aus Blogs und Bürgermedien zusammenfassen und übersetzen, sodass sie möglichst vielen Menschen in den unterschiedlichsten Sprachen zugänglich sind. Dabei wird besonderer Wert auf die Stimmen gelegt, die normalerweise nicht in den Mainstream-Medien gehört werden. 

Magazin

Böll.Thema 3/2012: Grenzenlos vernetzt

Dieser Artikel ist Teil von Böll.Thema 3/2012 "Grenzenlos vernetzt - Chancen und Risiken für die Demokratie". Wie bereits im Heft 2/2012 geht es um digitale Demokratie, diesmal erweitert um die internationale Perspektive. Einige Beiträge gehen der Frage nach, inwiefern das Netz zur Demokratisierung und Teilhabe beitragen kann. Mit Beiträgen u.a. von Evgeny Morozov, Kirsten Fiedler, Markus Beckedahl, Katrin Zinoun, Markus Reuter, Anne Roth, Falk Lüke, Ute Straub, Jeppe Rasmussen, Malte Spitz, Marisa Elisa Schlacher und Robin Geiß.