Der Sieg der Pheu Thai und vor allem die beschämende Niederlage der Demokratischen Partei waren in ihrer Deutlichkeit für viele überraschend. Nach den vorläufigen Wahlergebnissen hat die Pheu Thai 265 Sitze, die Demokraten erreichten nur 159 Sitze und schnitten damit schlechter ab als 2007. Abhisit Vejjajiva kündigte daraufhin seinen Rücktritt als Parteivorsitzender an. Das bedeutet eine erhebliche Schwächung des konservativen Lagers. Dessen einzige Akteure, die sich halten konnten, sind das Militär und der Kronrat.
Nach einem anfänglich uneinheitlichen Auftreten scheint nun Yingluck Shinawatra tatsächlich die Führung der Pheu Thai übernommen zu haben. Wie erwartet gibt es Versuche, sowohl einzelne Pheu Thai Mitglieder als auch die Partei als solches zu disqualifizieren. Diese Versuche sind zwar zahlreich, aber kaum prominent unterstützt und daher wenig aussichtsreich.
Die Armee akzeptiert das Wahlergebnis vorerst. Oberbefehlshaber General Prayut Chan-Oocha hat angekündigt, Yingluck Shinawatra empfangen zu wollen. Sie hatte vor der Wahl um ein Treffen gebeten. Außerdem ist das Militär vorzeitig aus einer umstrittenen Taskforce zur Drogenbekämpfung ausgestiegen, die Gerüchten zufolge während des Wahlkampfs Pheu Thai und Rothemden-Aktivitäten im Visier gehabt haben soll.
Der 84. Geburtstag des Königs im Dezember wird das Ereignis sein, an dem die Pheu Thai Partei ihre Monarchieliebe unter Beweis stellen kann. Es scheint so, als hielten sich beide Seiten an ein geheimes Skript, das sie versuchen, höflich einzuhalten. Da nicht zu vermuten ist, dass hinter diesen Handlungen belastbarer Respekt steht, könnte die Situation kippen, sobald sich eine Seite nicht mehr an das Skript hält. Die Pheu Thai Partei ist dafür durch ihre demokratischen Strukturen und den Fraktionalismus prädestiniert. Das Militär hingegen ist stark hierarchisch organisiert.
Die Pheu Thai hat angekündigt, sich nun vor allem mit der Versöhnung und der wirtschaftlichen Situation zu beschäftigen. Im Rahmen der Verbesserung der Lebenssituation der einfachen Bevölkerung, war während des Wahlkampfs unter anderem ein Mindestlohn von 300 Baht pro Tag versprochen worden. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Pheu Thai von diesem Plan abweichen wird. Yingluck Shinawatra hat ebenfalls angekündigt, die Versöhnungskommission der Vorgängerregierung weiterführen zu wollen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Pheu Thai ihre groß angekündigen Wahlvesprechen auch in die Tat umgesetzt kann.
Innerhalb der Pheu Thai fordern viele regionale und personengebundene Fraktionen eigene Ministerien und Posten. Das schwächt die Partei. Geplant ist daher, die Ministerien strikt nach Qualifikationen zu vergeben. Damit wird auch nicht kategorisch ausgeschlossen, Posten an Rothemden zu vergeben. Die Rothemden selbst sind momentan durch einen Streit über ihre Führungsspitze geschwächt. Diese Uneinigkeit kommt vermutlich Yingluck zugute, die damit freiere Hand bei der Besetzung der Ministerposten und in Verhandlungen hinter den Kulissen hat.
Ein möglicher Konfliktpunkt ist die Ernennung des Verteidigungsministers. Über mögliche Kandidaten wird öffentlich spekuliert, nicht wenige sind frühere Freunde und Bekannte Thaksins. Sollte dieser wichtige Posten eigenmächtig durch die Pheu Thai besetzt werden, könnte das Militär die Kooperation bei der Aufarbeitung der Mai-Proteste vom Vorjahr verweigern und versuchen, die Regierung bei der nächsten Gelegenheit zu entmachten.
Wenn es der Pheu Thai geführte Koalition gelingt, 60 Prozent der Parlamentssitze auf sich zu vereinen, dürfte es aber selbst dem Militär und dem konservativen Lager schwer fallen, den Konflikt wieder aufbrechen zu lassen.
Thailand befindet sich in einer Zwischenphase, in der sowohl eine mögliche Versöhnung als auch erneuter offener Konflikt möglich sind. Der Weg der Versöhnung liegt näher, auch wenn er mit Hinterzimmergesprächen und Verneblung gepflastert ist.