Das Internet im Dienste der Meinungsfreiheit in Afrika

Auf dem Congoblog «Ba Leki» berichten neun KongolesInnen aus ihrem Land. Das Congoblog hat international große Anerkennung gefunden und wurde u.a. mit dem Preis der Deutschen Welle für den besten frankophonen Blog ausgezeichnet.

19. April 2010
Von Cédric Kalonji Mfunyi

Versucht man sich ein Bild zu machen von Politik und Gesellschaft in verschiedenen Ländern Afrikas, können sich Blogs als wahre Goldmine erweisen. Vor allem lokal betriebene Blogs bieten eine Fülle von Informationen, die dank ihrer Nähe zum Geschehen häufig authentischer und aussagekräftiger sind als solche, die man in traditionellen Medien findet. Durch den Zuwachs an Internetnutzern auf dem afrikanischen Kontinent schaffen diese persönlichen Plattformen Freiräume, sie werden zu einem virtuellen arbre à palabre, einem Treffpunkt an dem sich über Themen wie Demokratie und Korruption ausgetauscht wird.


Das erste Blog der Demokratischen Republic Kongo


Im September 2005 geht mit http://cedric.uing.net/ das erste Blog der Demokratischen Republik Kongo online. Es entsteht aus dem Bedürfnis mich zu dem, was um mich herum geschieht, zu äußern. Ausgestattet mit einem kleinen Fotoapparat fange ich auf den Straßen Kinshasas Szenen des täglichen Lebens ein, in jener Stadt in der ich geboren und aufgewachsen bin. Mit Tausenden Webnutzern aus aller Herren Länder – Kongolesen in der Diaspora oder schlicht Neugierigen, die mehr über den Kongo erfahren wollen - teile ich diese kleinen trivialen Momente. Viele von ihnen kommentieren meine Texte, Ausdrücke meiner Stimmung, geprägt von Wut, Bitterkeit und manchmal Humor. Damals entdeckte ich wie viel Freiheit das Verfügen über ein eigenes Medium - und damit die Möglichkeit die Themen seiner Wahl anzusprechen – mit sich bringt. Gleichzeitig wird mir die partizipative Dynamik eines Blogs bewusst: Während manche loben « Danke, dass Du mit uns den Alltag gewöhnlicher Kongolesen teilst !», beschweren sich andere : «Hören Sie auf nur über das zu reden, was schief läuft im Land. Es gibt durchaus Dinge die positiv sind.» Es ist ein stürmischer Austausch, manchmal entgleist er etwas – aber zumindest kann man von wahrhaft kontroversen und demokratischen Debatten sprechen.
 

Eine Alternative zu den traditionellen Medien, die sich häufig den Autoritäten fügen
 
In Dakar findet sich ein ähnliches Pioniervorhaben, das Blog politique du Sénégal . Der Autor der Website mit dem Pseudonym Naomed kürt sein Blog zur «einzigen Zeitung ohne diplomierte Journalisten, Praktikanten, Politologen oder Intellektuelle». Und dennoch kann er sich durchaus messen mit zahlreichen Blättern der senegalesischen Presse. Naomed lädt ein auf eine sehr kritische Reise durch den Senegal, abseits der ausgetretenen Pfade. Durch das Land, das die Touristen so lieben wegen seiner Gastfreundschaft und Sicherheit.

Im Senegal, wie anderswo auf dem afrikanischen Kontinent dienen viele Journalisten als Sprachrohr politischer und religiöser Bewegungen, deren Diskurs sie bereitwillig reproduzieren. Die Idee bürgerlichen Engagements wird erstickt durch politische Instabilität und  die Bedrohung, denen Mitarbeiter kritischer Medien häufig ausgesetzt sind. Außerdem wird der Beruf des Journalisten wenig wertgeschätzt. Armut und verschwindend niedrige Gehälter treiben viele Journalisten dazu, sich an den oder die Meistbietende/n zu verkaufen. An dieser Stelle kommen die Blogger ins Spiel: Quasi ehrenamtlich tätig, erlauben sie dem Leser zeitweilig auszubrechen aus den Fluren der Präsidentenpaläste, den Salons der Minister und den Buschcamps der Rebellengruppen. Stattdessen laden sie ein in die Straßen, zu den einfachen Menschen, deren Stimme selten Gehör in den traditionellen Medien findet, obwohl sie häufig mehr zu erzählen haben, als die renommiertesten Politologen. 

So offenbart sich zum Beispiel die Elfenbeinküste auf avenue225.com, einem Portal für Bürgerjournalismus, das es sich zum Ziel gesetzt hat «vom Alltag in der Elfenbeinküste zu erzählen». Was anfing als persönliches Blog Israël Yorobas ist heute eine Plattform, auf der um die zehn junge Freiwillige aus ihrer Umgebung berichten, sei es aus dem Herzen Abidjans oder aus anderen Städten des Landes. Hier erfährt man zum Beispiel vom Wiederanstieg der Cyberkriminalität oder von den Schwierigkeiten, die die ständigen Stromausfälle kleinen und mittleren Unternehmen bereiten.

«Dort wo zwei Elefanten sich streiten, leidet das Gras. Neben den Frauen, die häufig Opfer sexueller Gewalt werden, sind es die Kinder die die Kosten des Krieges tragen, der im Osten des Kongo tobt », ruft Joy, die aus Bukavu bloggt, uns ins Gedächtnis. Sie erzählt vom Leben einiger Familien in dieser seit Jahren von bewaffneten Konflikten heimgesuchten Gegend.


Computerfreaks entdecken das Internet als Kanal für ihre Meinung

Blogs und andere internetbasierte soziale Medien bieten eine ungekannte Chance sich außerhalb der Grenzen des Staates auszutauschen. Das Volk ergreift das Wort, Talente werden entdeckt, neue Berufe entstehen, und die entfesselte Meinungsfreiheit bringt manche Diktaturen in Bedrängnis. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass der Großteil der Blog-BesucherInnen in Europa oder Nordamerika leben, wo der Zugang zum Internet weiterhin billiger und leichter ist als in Afrika.

So ist außerdem zu beobachten, dass die Zahl der LeserInnen von Blogs hinter der stark anwachsenden der AutorInnen hinterher hinkt. Bauern und Bewohnerinnen ländlicher Regionen sind nach wie vor von all den hitzigen Debatten im Internet ausgeschlossen, genauso wie Internet und Blog für viele Afrikaner immer noch Fremdwörter sind. Das erklärt auch, warum afrikanische Blogs bisher nur geringfügig von Zensur betroffen sind: sie werden schlicht nicht als Informationsträger eingestuft, die Massen erreichen – im Gegensatz zu Fernsehen und Radio.

Doch was wird geschehen wenn immer mehr Afrikaner diese Foren nutzen, um ihre Meinung zu äußern? Muss man befürchten dass China – zunehmend präsent auf dem afrikanischen Kontinent – neben Brücken und Straßen zukünftig auch jene Technologie liefert, die es möglich macht abweichende Stimmen ruhig zu stellen? Vielleicht. Aber solange diese Entwicklungen unklar bleiben, laden wir Sie zu einem virtuellen Besuch in unsere Heimat ein, von der wir ohne Tabu und falschem Stolz erzählen.

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Cédric Kalonji Mfunyi ist freischaffender Journalist und Begründer des ersten Blogs in Kinshasa. Das journalistische Handwerk lernte er größtenteils während seiner fünfjährigen Tätigkeit bei Radio Okapi. Inzwischen studiert er an der Ècole Supérieure de Journalisme de Lille und betreut 8 junge KongolesInnen, die auf dem von ihm geleiteten Congoblog «Ba Leki» aus ihrem Land berichten. Congoblog hat international große Anerkennung gefunden und wurde u.a. mit dem Preis der Deutschen Welle für den besten frankophonen Blog ausgezeichnet.

Aus dem Original ins Deutsche übersetzt von Niklas Amani Schäfer.


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