Anpfiff. Dribbeln, passen, treffen: „Lauft schneller! Schließt die Lücke in der Verteidigung!“ – „Auf geht’s, yalla, versucht einen Kopfball!“ – „Allez Sadaka, noch ein Tor!“ – „Doppelpass! Gib mir den Ball!“ – 1:0. In den ersten fünf Minuten weiß ich nicht, wohin ich gucken soll. Ich sehe ein Hochgeschwindigkeits-Fußballspiel, ich sehe Spielerinnen, ich sehe Spieler, ich sehe eine Tribüne mit Kindern, ihren Eltern und Großeltern, die lautstark ihre Teams anfeuern. Eine ältere Dame wedelt mit einer libanesischen Nationalflagge. „Schaut, dort ist meine Enkelin, die Nummer 9! Ich bin so stolz auf sie!“ Nummer 9 flankt, Nummer 9 passt, Nummer 9 trifft - 3:0.
Es ist ein Fußballspiel zwischen dem Frauenteam des "Al Sadaka Sporting Club" und den "Saint-Coeurs Kfarhab", dem Männerteam einer Schule in Jounieh. Sahar, 77 Jahre alt, trägt ein schwarzes Kleid und ein schwarzes Kopftuch, goldene Ohrringe – und einen grünen Fanschal. Sie klatscht rhythmisch, stolz lächelnd, alle Augen auf Rabia, ihre Nummer 9. Sahar kam zusammen mit ihrer Tochter Layla und ihrem Schwiegersohn Ali; beide sind genau so enthusiastisch wie Sahar. Ali, 55 Jahre alt, und Layla, 48 Jahre alt, fuhren die 15 Kilometer aus ihrem Dorf im Süden Beiruts, um das Spiel ihrer Tochter zu sehen. Sie kamen immer, um sich die Spiele gemeinsam mit Sahar und ihrem Ehemann Muhammad anzusehen, einem weiteren Fußballenthusiast. „Wir sind alle so stolz auf Rabia, genau wie auch Muhammad“, sagt Sahar. Der grüne Fanschal, den sie trägt, gehört ihm. „Seit seinem Tod sind wir Rabias Fantrio, und durch seinen Schal ist Muhammad immer noch hier, um Rabia zu unterstützen.“
Ali, ein Bankangestellter, sagt, dass er derjenige war, der seine Tochter ermutigt hat, mit dem Fußballspielen anzufangen. „Ich selbst habe Fußball gespielt, warum sollte dann nicht auch meine Tochter spielen? Jetzt spielt sie im besten libanesischen Team und im Nationalteam“, sagt er stolz. Layla, eine Lehrerin mit modischem Kopftuch, fügt hinzu: „Am Anfang war ich kritisch. Ich fürchtete vor allem, dass sich meine Tochter beim Fußballspielen verletzen könnte. Aber unsere beiden Söhne spielen auch Fußball, und heute ist es normal geworden, dass Rabia spielt.“ Ali betont, dass er eine Ausnahme unter den libanesischen Männern sei. „Es wird stärker akzeptiert, dass auch Frauen Fußball spielen, aber viele denken immer noch, dass es zu gefährlich für sie wäre und es nicht normal sei, wenn eine Frau Fußball spielt. Es ist eine kulturelle, keine religiöse Sache.“
Tradition, Emanzipation und die Rolle der Familien
Tradition und Emanzipation sind wichtige Pole, welche die gesellschaftliche Akzeptanz des Frauenfußballs im Libanon beeinflussen. „Je weniger altmodisch und traditionell, desto mehr Platz ist für Emanzipation“, berichtet mir Sophie, eine der Spielerinnen des "Atletico Beirut FC". Sie begann das Fußballspielen mit ihrem jüngeren Bruder – wie die Mehrheit der Frauen im Team. Sobald sich mehrere Frauen gefunden hatten, wurde ein Frauenteam ins Leben gerufen und vom männlichen Teil des Vereins getrennt. „Das Problem ist, dass dich niemand ermutigt. Du musst ihnen erst sagen, dass du wirklich Fußball spielen willst, und dann erst reagieren sie. Aber die Initiative im libanesischen Frauenfußball fehlt, weil es nicht genug Funktionäre gibt, die uns wirklich voranbringen wollen“, fügt Sophie hinzu. Atletico wurde Zweiter in der nationalen Meisterschaft. Bei Al Sadaka, dem Team Rabias, welches amtierender Meister ist, zahlt der Verein 200 bis 300 US-Dollar im Monat für die Fahrtkosten seiner Spielerinnen zu Auswärtsspielen. „Das ist alles“, schließt Sophie. Zum Vergleich: Die männlichen Spieler des Erstligateams verdienen mehrere tausend US-Dollar im Monat.
„Hey, das war ein Foul!“ Ali schreit über den Platz. Rabia fällt hin und bekommt einen Freistoß, und trifft wieder, diesmal zum 4:0. Sahar klatscht enthusiastisch und lacht laut und stolz. Ali bemerkt: „Rabia ist immer noch Studentin, und träumt von einer professionellen Karriere. Aber als Frau im Libanon musst du entweder Halbtagsjobs wählen, die es dir ermöglichen, weiterhin Fußball zu spielen, oder du hörst auf zu spielen und konzentrierst dich auf deinen Job. Und wenn dich deine Familie und Freude nicht unterstützen, wirst du nicht einmal ermuntert weiterzuspielen, geschweige denn überhaupt mit dem Fußballspielen anzufangen. Fußball ist Rabias Leben, deshalb werden wir sie niemals davon abhalten, in einem Team zu spielen.“ Dennoch ist er pessimistisch, dass Frauenfußball im Libanon jemals professionell betrieben werden wird: „Wenn es keine Sponsoren gibt, wird es eine Freizeitaktivität bleiben.“ Die Mehrheit der Spielerinnen von Al Sadaka arbeitet in Banken, Reisebüros oder Geschäften, obwohl der Klub nicht weniger als der Serienmeister der ersten Futsalliga ist. „Es gibt libanesische Investoren für den FC Barcelona, jedoch nicht für Al Sadaka.“ Helen Staude, eine deutsche Fußballjournalistin, bemerkt: „Die meisten libanesischen Fußballfans unterstützen einen Verein aus dem Ausland, weil die nationale Fußballliga nicht professionell und somit nicht attraktiv genug für Fußballfans ist. Es ist ein Teufelskreis.“
Fünf weitere Familien sind ins Stadion gekommen, um das Spiel ihrer Töchter zu sehen: ein stolzer Vater und Onkel, eine besorgte Mutter, ein gelangweilter Cousin, ein interessierter Großvater: es ist der sonntagnachmittägliche Familienausflug einer kleinen, persönlichen Fangemeinschaft.
Auf einem weiteren Fußballplatz im Süden Beiruts treffe ich eine Gruppe von 30 Spielerinnen der "Girls Football Academy" (GFA), trainierend auf ihrem Heimplatz. Nadja Assaf, die junge Gründerin der GFA, trainiert die Jugendteams der Akademie. „Traditionell ist Fußball im Libanon ein Männersport in einer Männergesellschaft“, sagt sie selbstsicher. Assaf ist überzeugt, dass ein erfolgreiches professionelles Frauenteam zu mehr Gleichheit zwischen Männern und Frauen beitragen würde. „Zu viele Männer denken, dass Frauen minderwertig sind. Fußball wird dazu beitragen, dies zu ändern.“
Bei einem Erstligaspiel der zwei Beiruter Klubs Al Ahed gegen Al Safa in Saida entdecke ich unter den 400 männlichen Zuschauern drei junge Frauen: „Wir wohnen in der Nähe des Stadions und waren bloß neugierig. Es ist das erste Mal, dass wir uns ein Spiel ansehen.“ Sie wissen nicht, dass Frauenfußball im Libanon existiert: „Ich kenne kein Mädchen, das spielt, und meine Schule bietet so etwas nicht an.“ Dies ist nicht nur eine persönliche Frage: Sogar auf der FIFA-Homepage wird die nationale Frauenfußballliga nicht erwähnt. Neben den drei weiblichen Fans sitzt eine skeptische Gruppe männlicher Fans: „Frauen und Fußball?“ Sie lachen. „Wie kann man Fußball spielen und Babies bekommen?“ Auch bei einem Spiel zwischen weiblichen Universitätsteams ist ein männlicher Student alles andere als überzeugt: „Es gibt einfach einen physischen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Es ist unterhaltsam, wenn Frauen Fußball spielen, aber die libanesische Gesellschaft wird niemals den Frauenfußball als gleichberechtigt zum Männerfußball akzeptieren.“
Saint-Coeurs Kfarhab trifft, ein Volleyschuss ins rechte Eck: 4:1. Die kleine Fangemeinschaft des Teams feiert, Ali flucht: „Khallas! Verteidigung!“ Der Trainer des Teams schaut vorwurfsvoll zu Ali; Layla, Rabias Mutter, geht dazwischen: „Yalla, Rabia!“ Drei Spielerinnen Al Sadakas sitzen zwischen den Zuschauern. Unter ihnen ist Juliet, die aufgrund einer Verletzung pausiert. Sie ist frisch verheiratet und erzählt mir, dass ihr Mann sie ermutigte, Fußball zu spielen. „Natürlich sind wir beide fußballverrückt. Dennoch bin ich eine Ausnahme. Viele Männer akzeptieren nicht, dass ihre Ehefrauen Fußball spielen.“ Eine andere Spielerin fügt hinzu: „Meine Familie kommt nie, um sich die Spiele anzuschauen. Sie lassen mich machen, aber begeistert sind sie nicht; wir sind eine sehr traditionelle Familie.“ Ich treffe Familien und Freunde, die die Spielerinnen anfeuern, sowohl Männer als auch Frauen.
Religion, Kultur und die Rolle der Schulen
„Khallas, shou hayda? Was soll das?“ Der Trainer Al Sadakas wird sauer. Einer der Spieler der Saint-Coeurs Kfarhab dribbelt, passt, trifft: 4:2. Sahar, Rabias Großmutter, schüttelt den Kopf. „Yalla, Rabia, vorwärts!“ Die Hälfte der Spielerinnen ist muslimisch, die andere Hälfte christlich.
Frauenfußball baut Brücken zwischen den verschiedenen Religionen und Konfessionen im Libanon. Hussein Dib, der Trainer des Futsal-Nationalteams der Frauen, betont, dass derjenige, der über Religion Bemerkungen macht, aus dem Team ausgeschlossen wird, so geschehen während der Auswahlspiele, als eine Spielerin aus diesem Grund disqualifziert wurde. „Mir ist egal, ob die Spielerinnen christlich oder muslimisch oder jüdisch sind. Ihre Leistung auf dem Platz zählt für mich, das ist alles“, fügt Dibb hinzu. Alle acht Teams der ersten Liga haben Spielerinnen mit verschiedenen religiösen Hintergründen, auch wenn die Vereine über konfessionelle Anbindungen bezüglich ihrer Geschichte und Sponsoren verfügen. „Uns ist es nicht wichtig, welcher Religion eine Spielerin angehört“, sagt Christina. Ihre Freundin Rana, die neben ihr sitzt, trägt ein Kopftuch; die beiden studieren gemeinsam an derselben Universität. „Wir haben uns bei Al Sadaka kennen gelernt, und wegen des Fußballs haben sich sogar unsere Familien angefreundet. Gelegentlich nach einem Spiel laden unsere Familien sich gegenseitig zum Kaffeetrinken ein“, sagt Rana. Ihre Familie ist muslimisch, und Christinas christlich. Dies ist auch bei anderen Teammitgliedern üblich. Dennoch fügt Rana hinzu, dass es einen Generationenunterschied gibt: „Es ist einfacher für die Generation unserer Eltern, und noch einfacher für meine Generation. Unsere Großeltern nehmen nur selten an solchen Kaffeenachmittagen teil. Sie sagen nie warum, aber ich bin sicher, dass sie die andere Religion nicht mögen. Der Bürgerkrieg im Libanon und die Vorurteile gegenüber Religionen sind für die Generation unserer Großeltern immer noch von Bedeutung.“ Gleichzeitig verfügen die Kader von Atletico FC und der GFA über griechisch-orthodoxe, christlich-protestantische, römisch-katholische, sunnitische, schiitische und drusische Spielerinnen. Das Fußballfeld wird als sekuläres Terrain angesehen.
„Es ist egal, ob du Maronitin, Sunnitin, Shiitin Drusin oder irgendetwas anderes bist, es ist eine kulturelle und keine religiöse Frage“, sagt Nadja Assaf. „Es ist eine Frage von Modernisierung und Bildung. Bei konservativen muslimischen Eltern mag es ebenso wie bei konservativen christlichen Eltern vorkommen, dass sie ihren Töchtern nicht erlauben, Fußball zu spielen. Die Familien müssen realisieren, dass Sport gesund und gut für ihre Töchter ist“, betont sie. Und dies ist, was zurzeit passiert: „Über die Jahre kamen immer mehr Familien and Freunde der Spielerinnen, um sich die Spiele anzuschauen“, sagt Frau Assaf. Viele Mädchen in der Schule hätten „Angst, mit Jungs zu spielen“, so eine der Spielerinnen der Université St. Joseph. Die Mehrheit der libanesischen Schulen hat kein Mädchenfußballteam. „Wenn sie eines hätten, vor allem in den ländlichen Gegenden des Libanon, würde Frauenfußball auch in der Gesellschaft akzeptiert werden“, schließt Nadja Assaf.
Professionalisierung und Herausforderungen im Ausland
Saint-Coeurs Kfarhab trifft wieder, 4:3, Ali zündet sich eine Zigarette an. „Rabia rennt nicht genug, das Team muss besser verteidigen. Sie spielen zu offensiv und fangen zu viele Konter.“ Sahar beruhigt ihn: „Warte, mein Sohn, assabrun dschmamilun“, oder: Geduld ist etwas Schönes. Fünfzehn Minuten Spielzeit verbleiben.
Al Sadaka trainiert viermal pro Woche, Atletico, der zweitplatzierte Klub, nur zweimal pro Woche. Rana hat eine DVD produziert, die ihre Fußballfähigkeiten zeigt. Mit dieser DVD versucht sie sich bei professionellen Fußballklubs im Ausland zu bewerben, um Al Sadaka verlassen zu können. „Ich träume immer noch davon, einmal professionell zu spielen, doch viele andere haben diesen Traum aufgegeben“, fügt sie hinzu. Die acht Vereine der ersten Fußballliga der Frauen wird auf verschiedene Art finanziert. Entweder einer Familie gehört der Klub (wie bei Al Sadaka), oder der Gemeinde (wie in Tripoli), oder der Klub selbst finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge oder die Miete, die er durch die Vermietung für private Spiele einnimmt. Auf Universitätsniveau profitieren die Spielerinnen von einem Rabatt auf ihre Studiengebühren. Des Weiteren arbeiten einige Trainer ohne Lizenz.
Freistoß für die Saint-Coeurs Kfarhab, zwei Meter vor dem Strafraum. Zehn Minuten verbleiben; Rabias Familie hält den Atem an. Rabia foult einen der gegenerischen Spieler und bekommt die gelbe Karte von einer der drei Schiedsrichterinnen in der "Lebanese Football Association". Zwei von ihnen sind aktiv, eine hat bereits aufgehört. Jede von ihnen ist unter ihren männlichen Kollegen voll akzeptiert. „Wir sind SchiedsrichterInnen; wir unterscheiden nicht zwischen Frauen und Männern. Unsere Leistung auf dem Platz ist das einzige, was zählt“, betont FIFA-Schiedsrichter Hassan Salman.
Warum spielt Al Sadaka gegen ein Männerteam? „Weil die Futsal-Liga noch nicht gestartet hat, suchen wir nach Herausforderungen für das Frauenteam, und diese sind eben manchmal Männerteams“, sagt der Trainer Al Sadakas. Einige Teams nehmen zudem an internationalen Turnieren teil.
Öffentlichkeit, Politik und das Nationalteam
Der Ball durchbricht die Mauer, aber wird vom Torwart gefangen. Der Spielstand ist immer noch 4:3; Spannung liegt in der Luft. Sieben Minuten verbleiben. Ali zündet sich seine nächste Zigarette an, Layla starrt gespannt auf das Feld, Sahar reißt ihren Schal vom Hals und schwenkt ihn enthusiastisch.
„Die Medien achten zu wenig auf den Frauenfußball“, bemerkt Christina. Nadja Assaf stimmt zu: „Der einzige Weg nach vorn für den libanesischen Frauenfußball ist Öffentlichkeit.“ Und Öffentlichkeit entsteht durch Erfolg: „Das Nationalteam und und die Liga brauchen positive Schlagzeilen. Nur so wird Frauenfußball beliebter und üblicher“, fügt sie hinzu. Und mehr Beliebtheit würde mehr Sponsoren anlocken. Außerdem fehlt Geld, um weitere Fußballplätze zu finanzieren. Selten sieht man Kinder in Beirut oder in ländlichen Gebieten Fußball spielen, weil es wenige öffentliche Plätze gibt. Die meisten werden privat finanziert. Es gibt keine aktive politische Unterstützung, um Mädchenfußballteams in libanesischen Schulen zu finanzieren. Im Männerfußball hängen viele Vereine von einem Sponsor ab, und dieser ist oft ein Politiker. Im Frauenfußball passiert dies nur selten, weil es nur zwei Vereine gibt, Al Ansar und Atletico, die beide sowohl über ein Männer- als auch über ein Frauenteam verfügen. Der Einfluss dieses Sponsors? „Den Spielerinnen ist das egal“, sagt Christina. „Außerdem gibt es keine politischen Gründe für eine Spielerin, einem bestimmten Team beizutreten.“
Es ist Alis dritte Zigarette innerhalb von 15 Minuten. Es steht 4:4, Al Sadaka versucht, das fünfte Tor zu schießen, greift an, Rabia trifft den Pfosten, nächster Konter, Pass, Dropkick, Saint-Coeurs Kfarhab gleicht aus. Zwei Minuten verbleiben. Dann wird eine Spielerin Al Sadakas gefoult, und das Team bekommt wieder einen Freistoß. Wieder vor dem Strafraum, doch diesmal ist es Rabia, die den Ball schießt. Der Pfiff ertönt, Rabia läuft an und – trifft, unhaltbar. 5:4. „Ja! Mabrouk! Yalla, ich wusste es!“ Ali kickt die Zigarettenpackung aus dem Weg, reißt die Arme hoch; Sahar und Layla liegen sich in den Armen, wie auch die anderen Familienmitglieder. Der Schlusspfiff ertönt, und das Spiel ist aus.
Der Weg nach vorn
Rabia umarmt ihre Eltern. Sie hat sich umgezogen, trägt Jeans, Make-Up, ein modisches Kopftuch und ist sichtbar stolz auf ihre drei Tore. „Es war ein enges Spiel. Sie haben uns nichts geschenkt.“ Dann fragt sie mich höflich: „Sind Sie Journalist? Ich dachte, die kommen nur zu Nationalspielen, doch es ist gut, dass Sie gekommen sind, wir brauchen mehr von Ihnen!“ Rabia spielte ebenfalls im Nationalteam, und erzählt mir von der West Asian Football Federation (WAFF) Futsal-Meisterschaft der Frauen im Jahr 2012, wo das Nationalteam das Halbfinale erreichte. „Wir sind erst im Halbfinale gegen den Iran ausgeschieden, die eines der besten arabischen Fußball- und Futsalnationalteams haben“, sagt sie mit einem stolzen Grinsen. Sie fügt hinzu: „Dieser Auftritt in Bahrain zeigt das große Potenzial des libanesischen Frauenfußballs.“
Rabia blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Wir libanesischen Frauenfußballerinnen könnten erfolgreicher als die Männer werden, denn der Niveauunterschied zwischen den einzelnen Ländern ist bei uns Frauen immer noch viel kleiner als bei den Männern.“ Und wenn sie keine „gut bezahlte Profifußballerin in England“ werden kann, möchte sie in einer Bank arbeiten. „Ich mag Mathematik. Und außerdem schließen die Banken früh, sodass ich danach wieder auf das Fußballfeld kann.“ Sahar, Ali und Layla verlassen das Spielfeld zufrieden. Rabia bleibt in der Stadt, weil sie mit Christina und Rana ins Kino gehen möchte; und danach sind alle bei Ali und Layla zum Essen eingeladen. Es wird das erste Mal sein, dass auch Rabias Großmutter Sahar teilnimmt, auch wenn Christina christlich ist. „Muslime, Christen, - natürlich gibt es Unterschiede, doch später werden wir zuallererst mit Rabias Freundinnen und Teamkolleginnen essen“, sagt Sahar,. „Und wir werden Rabias entscheidenden Freistoß feiern“: Frei von Vorurteilen, aber immer noch ohne dafür bezahlt zu werden, geprägt von Modernisierung und Emanzipation, aber immer noch im Dreieck zwischen Tradition, Öffentlichkeit und Politik. Der Libanesische Frauenfußball hat Potential, mehr als nur ein Sonntags-Kaffeeevent zu werden.
Florian Sonntag ist Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung. Kurz vor Abschluss seines Studiums der Internationalen Beziehungen in Deutschland hat er ein Semster lang an der Université St. Joseph in Beirut studiert.