Mehr Kontrolle über Internet-Dienstleister

Ein Internetcafé in Turpan, China; Bild: Tom Thai; Lizenz: CC-BY

17. Juli 2012
Lei Lili
Anfang Juni 2012 wurde auf der Webseite des Informationsbüros des Staatsrates der Änderungsentwurf der bereits zwölf Jahre alten „Maßnahme zur Verwaltung von Internet-Informationsdiensten“ zur Kommentierung veröffentlicht. Verfasst wurde er gemeinsam vom Nationalen Internetinformationsbüro und vom Ministerium für Industrie- und Informationstechnologie. Offiziell soll „die geplante Änderung die Verwaltung der Internet-Informationsdienste verbessern, die nationale Sicherheit aufrechterhalten sowie die legitimen Rechte und Interessen der Öffentlichkeit und der Internet-Informationsdienstleister sichern.“[1] Zwischen dem 6. Juni und 6. Juli konnte der Änderungsentwurf für einen Monat im Internet kommentiert werden.[2]

Mehr inhaltliche Kontrolle über Blogs und Mikroblogs

Schon die ursprüngliche „Maßnahme zur Verwaltung von Internet-Informationsdiensten“ aus dem Jahr 2000 verpflichtete Internet-Informationsdienstleister dazu, bestimmte behördliche Genehmigungsverfahren zu durchlaufen, bevor eine amtliche Registrierung möglich war. Der neue Entwurf ist im Vergleich dazu jedoch noch restriktiver. Nach wie vor müssen sich kommerzielle Internet-Informationsdienstleister ihre Genehmigung von der Telekommunikationsbehörde einholen. Nicht-kommerzielle Anbieter müssen eine Eintragung ersuchen.[3] Gemäß Artikel 10, Absatz 1 des Änderungsentwurfs bedarf es einer zusätzlichen Genehmigung der für den Internetinformationsinhalt zuständigen Behörde. Und zwar dann, wenn es sich um Internet-Nachrichteninformationsdienstleister (wie z. B. Sina oder Sohu), Serviceprovider, die ihren Internetnutzern die öffentliche Verbreitung von Informationen ermöglichen (wie z. B. Blog- und Mikrobloganbieter) sowie Suchmaschinenbetreiber handelt.

Im Grunde genommen heißt dies nichts anderes als eine Vorabkontrolle der geposteten Inhalte. Paradoxerweise sollen sich Internet-Informationsdienstleister erst eine Genehmigung für die Veröffentlichung von User-Beiträgen bei den für den Inhalt zuständigen Behörden einholen, bevor sie ihre Dienste überhaupt anbieten können. Wie soll man sich aber Genehmigungen für Inhalte einholen, die noch gar nicht existieren? Auf was für einer Grundlage soll dann die Entscheidung über die Lizenzvergabe gefällt werden?

Mehr Druck auf die Serviceanbieter

Der Änderungsentwurf erhöht sowohl den Druck auf die Internet-Informationsdienstleister als auch auf die Internetzugangsanbieter. Beide sind nicht nur ihren Kunden gegenüber verantwortlich, sondern auch den zuständigen Internetbehörden. Im Vergleich zum alten Gesetz gilt nun beispielsweise eine längere Datenaufbewahrungsfrist. Nachrichteninhalte müssen sechs Monate gespeichert werden. Die Tagesprotokolle über sämtliche Aktivitäten jedes Nutzers sind zwölf Monate zu sichern. Außerdem sind sie verpflichtet, die Staatssicherheits- und Polizeibehörden technisch zu unterstützen, wenn diese „gesetzmäßig danach verlangen.“ Offiziell begründet wird diese Änderung damit, dass Rechtsverletzungen im Internet dadurch besser zu bekämpfen seien. Mit anderen Worten heißt das, dass es für die Gesetzvollstreckungsorgane bequemer wird; für die Serviceanbieter wiederum wächst der Druck.

Registrierung nur nach Authentifizierung

Über die „Echtnamen-Registrierungspflicht“, die im Dezember 2011 zunächst für Mikroblog-Plattformen eingeführt wurde, wird seitdem heftig debattiert. Die Gesetzesänderung ist ein weiterer Schritt der Etablierung und Legalisierung der „Echtnamen-Registrierungspflicht.“ Artikel 15 sieht vor, dass Anbieter von Internet-Informationsdiensten ihre Nutzer zur Registrierung mit Echtnamen und zur Authentifizierung mit persönlichen Daten, wie z. B. Geburtsdatum und Ausweisnummer, verpflichten müssen.

Aus Perspektive der Internetdienstleister bedeutet die Zwangsregistrierung ihrer Nutzer eine Einmischung in ihre gewerbliche Tätigkeit; und diese Einmischung entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage. Offiziell wird die Maßnahme damit begründet, dass die im Dezember 2011 u. a. in Peking, Shanghai, Tianjin, Guangzhou und Shenzhen durchgeführten Pilotprojekte, eine aktive Rolle bei der Bekämpfung krimineller Aktivitäten im Internet, bei der „Reinigung der Internetumgebung“, bei der „Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Nutzer“ sowie beim „Aufbau einer auf Ehrlichkeit und Vertrauen basierenden Gesellschaft“ gespielt hätten.

Diese positive Wirkung ist jedoch sehr vage. In der Tat dient die neue Regelung dazu, die Gesetzesvollstreckung bequemer zu machen. Das zeigt die Ignoranz und das fehlende Verantwortungsbewusstsein der Behörden gegenüber der Gefahr des Missbrauchs von Kundendaten.

Stärkung des Datenschutzes

Artikel 17 des Änderungsentwurfs verpflichtet zwar die Internet-Informationsdienstleister und Telekommunikationsanbieter, persönliche Daten und Tagesprotokolle über die Aktivitäten der Nutzer geheim zu halten. Sie dürfen derartige Informationen weder verkaufen noch manipulieren, nicht eigenmächtig veröffentlichen, geschweige denn gesetzeswidrig nutzen. Aus offizieller Sicht soll dies den Missbrauch von personenbezogenen Daten verhindern und den Datenschutz verbessern. Tatsächlich würde die Gefahr des Datenmissbrauchs ohne die Verpflichtung, sich mit Echtnamen und persönlichen Daten zu registrieren, aber gar nicht erst bestehen. Außerdem liegt die größte Gefahr des Missbrauchs persönlicher Nutzerdaten nicht darin, dass die Internetanbieter die Daten nicht geheim halten können oder sie illegal verwenden; die meisten Missbrauchsfälle wurden nämlich von Hackern verübt und nicht von Internetanbietern.

Wenn es technisch möglich ist, Hacker aufzuspüren, ist es noch viel einfacher, Personen ausfindig zu machen, die über Internetplattformen schädliche oder bedrohliche Informationen verbreiten, auch wenn diese nicht mit Echtnamen registriert sind. Denn im Vergleich zu professionellen Hackern verstehen sie es im Allgemeinen weniger gut, ihre Bewegungen und Aktivitäten im Netz zu verschleiern.

Das Motiv für die Registrierungspflicht mit Echtnamen liegt auf der Hand: Es geht um bequemere Gesetzesvollstreckung; und diese nimmt Internetdienstleister und Nutzer zusätzlich in die Pflicht. Die offizielle Begründung ist also nicht überzeugend.


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Lei Lili ist Doktorandin an der Communication University of China mit Schwerpunkt Medienrecht. Für den Beitrag (Auszug) hat sie einige wichtige Aspekte der geplanten Gesetzesänderung zusammengestellt und analysiert.

[1] Vgl. Xinhua News Agency: Opinions Gathered on Internet Law, online veröffentlicht am 07. Juni 2012 auf http://www.china.org.cn/china/2012-06/07/content_25593424.htm (letzter Zugriff am 09. Juli 2012).
[2] Die Kommentierung konnte auf folgenden Webseiten vorgenommen werden: www.scio.gov.cn, www.miit.gov.cn und www.chinalaw.gov.cn.
[3] Siehe dazu auch: Hu Yong, „Wie die chinesische Regierung das Internet kontrolliert“.


Der Beitrag wurde in der Online-Publikation "Bürgerrechte in China im digitalen Zeitalter" veröffentlicht

Redaktion Heinrich-Böll-Stiftung Berlin: Katrin Altmeyer, Ella Daschkey und Chan Yan Tung
Heinrich-Böll-Stiftung Peking: Zhu Yi und Christina Sadeler