Meinungsfreiheit in Thailand: Prozess gegen Medienaktivistin nach vier Monaten fortgesetzt

"Das Urteil wird eine Wirkung auf die Selbstzensur in Thailand haben.“ Chiranuch Premchaiporn nach fast eineinhalb Jahren Prozess.
Bild: Heinrich-Böll-Stiftung.

Seit dem 4. Februar läuft der Prozess gegen Chiranuch Premchaiporn, der Mitgründerin und Leiterin der thailändischen Netzzeitung Prachatai, die wegen Vertstoß gegen Artikel  15 des Computerkriminalitätsgesetzes (CCA) angeklagt wird und bis zu 20 Jahre Haft erwarten könnte.

Prachatai („Free People“) gilt seit 2004 als kritische und unabhängige Quelle und Diksussionsplattform zu sozialen, politischen und menschenrechtlichen Problemen in Thailand. Seit 2009 steht die Onlineplattform unter ständiger Beobachtung des Staates und wurde bereits mehrmal geschlossen. Das Onlineforum bietet Platz für Diskussionen und Ausdruck der persönlichen Meinung und Gedanken der Leser und ist in zwei Sektionen unterteilt: Gesellschaft/Politik und Pro-Demokratie/Anti-Diktatur. Das Onlineforum war als zusätzlicher öffentlicher Raum zu Printmedien und als alternative Blickwinkel auf thailändische Politik gedacht und erfreute sich besonders seit 2008 großer Popularität.

Chiranuch ist auch Gründungsmitglied des Thai Netizen Network (TNN), welches Einschränkungen und Verstöße der Internetfreiheiten durch das CCA überwacht. Mitglieder sind Medienaktivisten, Internetbenutzer, Blogger und Akademiker im IT Bereich. Vor ihrem Engagement für Prachatai hat sich Chiranuch aktiv für Frauenrechte und Rechte für HIV/AIDS Kranke eingesetzt. Ihr Fokus lag bei Gender Gerechtigkeit, soziales Wohlergehen und De-Stigmatisierung von HIV/AIDS Kranken.

Chiranuch wurde Anfang März 2009 aufgrund eines Verstoßes gegen Artikel  15 des CCA verhaftet, jedoch kurz darauf auf Kaution wieder frei gelassen.  In  folgenden Monat wurden neun weitere Verstöße hinzugefügt. Gemäß Artikel 15 ist jeder „Service Provider“ für den Inhalt auf der von ihm betriebene Seite verantwortlich und kann dafür genauso zur Verantwortung gezogen werden, wie der Autor. Alle 10 Verstöße beziehen sich auf Forenbeiträge der Netzzeitung, die von April bis August 2008 von Prachatai-Nutzern veröffentlicht wurden. Laut Anklage würden diese die königliche Familie defamieren und Referenzen zum König machen und die nationale Sicherheit gefährden. Die entsprechenden Forenbeiträge wurden lange vor der Verhaftung von Chiranuch gelöscht, jedoch tritt Chiranuch als Verantwortliche für Inhalte der Webseite nun einem acht Tage langem Prozess entgegen, der vom 4. bis zum 17. angesetzt ist.

Die Anhörung der Zeugen ist für den 4., 8.-11., und 15.-17. Februar angesetzt. Wegen großem internationalem Interesse wurde die Anhörung in einen größeren Raum des thailändischen Gerichtshofes auf der Ratchadapisek Strasse verleget. Unter anderem haben 11 NGOs/INGOs-darunter die Heinrich-Böll-Stiftung und  sieben Botschaften angekündigt, beim Prozess anwesend zu sein.

Ein Urteil wird mit Spannung Ende März erwartet, da Chiranuchs Anklage als wegweisendes Stimmungsbarometer der aktuellen Diskussion über Presse- und Meinungsfreiheit  bewertet wird.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat Prozessbeobachter vor Ort und wird von der Verhandlung berichten. Darüber hinaus wird die Boell.de-Redaktion Hintergrundmaterial und Informationen zum Prozess und zur Meinungs- und Pressefreitheit in Thailand auf diesem Live-Blog veröffentlichen.

Presseerklärung von freedom house zu unverzüglicher Freilassung von Chiranuch (Jiew) Premchaiporn (Press Release for immediate release: Trial of Media Editor in Thailand Violates Free Expression)

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Live-Blog

30.05.2012
Chiranuch: Schuldig aber keine Haftstrafe

Am 30.05 wurde das Urteil gegen Chiranuch, Webmaster der thailändischen Internetzeitung Prachatai in Bangkok verkündet. Mehr als 150 Anwesende, darunter viele Vertreter internationaler Organisationen und Botschaften, verfolgten die Urteilsverkündung.

Das Urteil lautet schuldig, weil sie vermeintliche königsbeleidigende Kommentare nicht rechtzeitig gelöscht hatte. Chiranuch wurde zu einem achtmonatigen Freiheitstrafte auf Bewährung und einer Zahlung von 20.000 Baht (ca. 500€) verurteilt.  Die ursprüngliche Strafe war mit einem Jahr und 30.000 Baht festgelegt worden, wurde dann aber auf das obige Strafmaß reduziert, weil sie sich gegenüber dem Gericht kooperativ verhalten hat und sich vor diesem Verfahren nichts zu Schulden kommen lassen hat.

Der Richter wies in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass das Gesetz die Frage, wie schnell derartige Kommentare gelöscht werden müssen, nicht eindeutig regelt und räumte auch ein, dass bei der hohen Anzahl von Kommentaren eine zeitnahe Überprüfung nahezu unmöglich sei. Trotzdem kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ihr Verhalten nicht rechtmäßig  war.

Das Urteil stellt einen für Thailand sehr typischen Kompromiss dar und kann  -  trotz der Freude über das relativ milde Strafmaß - keineswegs als Erfolg gewertet werden. Einerseits wird mit diesem Urteil ein klares Signal an alle Betreiber von Internetseiten gesendet, sich auch in Zukunft vorsichtig zu verhalten. Damit wird Selbstzensur auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Nutzung des Internet in Thailand spielen. Gleichzeitig setzt das Gericht damit auch ein Zeichen für die Fortsetzung der heftig umstrittenen Regel, dass Webmaster für jeglichen Inhalt auf ihren Webseiten verantwortlich gemacht werden können. Diese Regel hat u.a. dazu geführt, dass die offene Diskussionsplattform auf Prachatai geschlossen wurde. Andererseits sollte offensichtlich durch das relativ geringe Strafmaß – im Vergleich zu den möglichen 20 Jahren Haftstrafe – ein Aufschrei der internationalen Medien und Menschenrechtsorganisationen verhindert werden, die den Fall Chiranuch schon seit längerem intensiv beobachten.

Die Reaktionen von Beobachtern des Prozesses sind daher auch sehr verhalten. Zwar herrscht Erleichterung, dass Chiranuch keine Haftstrafe verbüßen muss, aber die Mehrheit ist sich einig, dass dieses Urteil einen Rückschlag für die Medienfreiheit in Thailand darstellt.

Chiranuch selbst sagte unmittelbar nach der Urteilsverkündung: „Ich war auf das Schlimmste vorbereitet und kann das Urteil akzeptieren. Ich weiß aber auch, dass das Urteil eine Wirkung auf die Selbstzensur in Thailand haben wird.“

30.04.2012
Urteilsverkündung verschoben!

Am 30.April 2012 um 10 Uhr sollte die Urteilsverkündung im Fall Chiranuch beginnen. Bereits vorher gab Jiew (Chiranuch Premchaiporns Spitzname) Interviews für nationale und internationale Medien, die zahlreich gekommen waren, um nun endlich das Urteil in dem Prozess zu hören, der sich bereits über drei Jahre hinzieht. In dem kleinen Raum 909 des Gerichtshofes waren FreundInnen und UnterstützerInnen, MedienaktivistInnen, VertreterInnen von NGOs und Botschaften anwesend, die gespannt und besorgt Jiews Urteil abwarteten. Zuerst schien es ein Gerücht zu sein, das im Raum kursierte, dass das Gericht das Urteil nicht sprechen werde, weil zu viele unbearbeitete Beweise vorliegen. Jedoch wurde kurze Zeit später offiziell bestätigt, dass die Urteilsverkündung um einen Monat auf den 30. Mai 2012 verschoben wird, da mehr Zeit benötigt werde, alle Unterlagen und Beweise durchzuarbeiten. Jiew wird nun noch einen Monat länger auf die Entscheidung warten müssen, die ihr zukünftiges Leben beeinflussen wird: Ihr drohen bis zu 20 Jahre Haft.


14./15./16.02.2012
Tag dreizehn bis fünfzehn im Prozess gegen Chiranuch Premchaiporn

Nach einer Unterbrechung von vier Monaten wurde der Prozess gegen die Webmasterin und Leiterin der thailändischen Netzzeitung „Prachatai“ Chiranuch Premachaiporn nunmehr fortgesetzt. Zu den drei Verhandlungstagen (14., 15. und 16. Februar) waren fünf Zeugen der Verteidigung geladen.
Der dreizehnte Prozesstag sorgte gleich zu Beginn für Verwunderung. Denn als der Richter die Verhandlung eröffnete, war der Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht anwesend. Dieser tauchte erst mit etwa einstündiger Verspätung auf. Da der Umstand der fehlenden Staatsanwaltschaft den Richter nicht davon abgehalten hatte, mit der Verhandlung wie gewohnt zu beginnen, waren die ersten beiden Zeugen bereits vernommen, als der Staatsanwalt schließlich erschien. Der Richter beendete die Befragung des zweiten Zeugen sodann auch mit dem Kommentar in Richtung des gerade eintreffenden Staatsanwaltes, dass dieser ja wohl keine Einwände habe. Ein Fragerecht wurde der Staatsanwaltschaft somit nicht gewährt.


Auch bei der Vernehmung der ersten Zeugin, Professorin Sawatree Suksri, entschied sich das Gericht für eine Vorgehensweise, die zumindest mit dem europäischen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit schwer zu vereinbaren ist. Sawatree ist Dozentin an der juristischen Fakultät der Thammasat Universität und dort am Institut für Strafrecht tätig. Sie ist Expertin im Bereich Computerkriminalität. Nachdem die Zeugin dem Gericht einen Bericht zum Thema Computerkriminalität übergeben hatte und sich diesbezüglich äußern wollte, stellte der Richter klar, dass er sich nicht von einem Zeugen erklären lasse, wie er etwas zu interpretieren habe und er dem Bericht die enthaltenen Informationen nunmehr selbst entnehmen könne. Im Verlauf des Prozesses räumte der Richter dann aber doch der Staatsanwaltschaft das Recht ein, einige Fragen an die Zeugin zu stellen, so dass diese schließlich zumindest punktuell zur Sache aussagen konnte. Dabei betonte die Zeugin, es handele sich bei Freiheit im Netz um ein fundamentales Recht und verwies auf einen UN-Bericht vom Mai letzten Jahres, wonach Mittelspersonen nicht für Delikte Dritter verantwortlich gemacht werden könnten. Zudem erklärte Sawatree, dass Mittelspersonen in vielen Ländern besser geschützt seien als in Thailand.


Umfassender fiel die Befragung des zweiten Zeugen, Professor Jittat Fakcharoenphol, tätig an der Fakultät für Ingenieurswesen der Kasetsart Universität, aus. Jittat ist Experte im Bereich IT-Technologie. Er äußerte sich zu den auf dem PC von Chiranuch gefundenen, die Königsfamilie „diffamierenden“ Bildern und erläuterte, dass ein auf dem PC installiertes Programm die Anhänge aller an Chiranuch gesendeten E-Mails automatisch auf ihrem PC speichere, unabhängig davon, ob diese gelesen oder überhaupt ausgewählt wurden. Er war sich aufgrund der Daten der Bilddateien sicher, dass es sich bei diesen Bildern um solche Anhänge handele. Nur anhand der Existenz der Dateien auf dem PC lässt sich demnach nicht schlussfolgern, dass Chiranuch auch entsprechende Kenntnis hatte. Der Zeuge erklärte außerdem, dass es für einen Webmaster bei einer Anzahl von 300 bis 400 Threads mit jeweils bis zu 30 Diskussionen unmöglich sei, diese zu jeder Zeit zu überwachen. Der dritte an diesem Verhandlungstag geladene Zeuge, Dr. Kitipumi Chutasmit, berichtete stellvertretend als einer von mehreren Dutzend Freiwilligen bei „Prachatai“ von der Mithilfe der Freiwilligen bei der Entfernung „unangemessener“ Kommentare auf der Webseite.

Am vierzehnten Prozesstag wurde Mr. Wanchat Bhadungrat, Gründer von Pantip.com, einer thaisprachigen Website mit der Möglichkeit zur Diskussion, vernommen. Auch dieser Zeuge bestätigte die Aussagen der vorherigen Zeugen dahingehend, dass es nicht möglich sei, als Webmaster/in alle von den Nutzern geposteten Kommentare zu jeder Zeit unmittelbar zu überwachen.

Schließlich stand am letzten und fünfzehnten Prozesstag die Vernehmung der Assistenzprofessorin Pirongrong Ramasoota Rananan an der Fakultät für Kommunikation der Chulalongkorn Universität an. Die Zeugin ist auf Massenmedien spezialisiert und hat zum Thema Überwachung und Inhaltssteuerung in den Medien, inklusive der Onlinemedien, geforscht. Bereits vor Verhandlungsbeginn wurde unter den Beobachtern gemutmaßt, ob es vor dem Hintergrund der Erfahrungen des dreizehnten Prozesstages überhaupt zu einer Vernehmung der Zeugin kommen würde. Und tatsächlich beschränkte sich das Gericht auch im Falle von Pirongrong auf die kurze Erörterung zweier von der Zeugin übergebener Forschungsberichte im Rahmen eines eher informellen Gesprächs. Die Zeugin erklärte, dass sich die Forschung auf eine Methode zur angemessenen Moderation von Internetdiskussionen beziehe und auch die Anwendbarkeit internationaler Standards auf eine solche Methode untersucht werde. Zu diesem Zweck sei auch der Vergleich internationaler mit inländischen Praktiken vorgenommen worden, auf den der Richter aber mit der Bemerkung, er könne das auch selbst im Bericht nachlesen, nicht näher eingehen wollte. Ebenso wenig erfuhren die Beobachter, zu welchen Ergebnissen die Studien letztendlich kommen und was diese für den konkreten Fall von Chiranuch bedeuten könnten (in einer Studie soll auch ein Interview mit Chiranuch enthalten sein). Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft keinerlei Einwendungen gegen die Annahme der Berichte an Stelle des Zeugnisses der Zeugin hatte (die Verteidigung wurde diesbezüglich nicht gefragt), wurden die Verteidiger aufgefordert, ihre Schlussbemerkungen innerhalb von 30 Tagen schriftlich zu übermitteln.

Irritierend waren dann vor allem die abschließenden Bemerkungen des Gerichts. So versicherte der Richter, dass er versuchen werde, die von beiden Seiten vorgebrachten Argumente bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen und dass kein Grund zur Sorge bestehe. Auch merkte er an, dass es der Verteidigung immer freistehe, gegen das Urteil vorzugehen, wenn sie damit nicht einverstanden sein sollte. Am fragwürdigsten erschien jedoch der Kommentar des Richters, dass es sich seiner Meinung nach bei der hier verhandelten Angelegenheit nicht um einen politischen Fall handele, welcher auch keiner bestimmten politischen Seite oder Meinung zugeordnet werden könne.

Das Urteil, dem nach dem bisherigen Prozessverlauf mit großer Unsicherheit entgegengesehen werden muss, und bei dem es für Chiranuch um bis zu 20 Jahre Haft geht, ist frühestens am 30. April zu erwarten.



11.10.2011
Tag zwölf im Prozess um Chiranuch Premchaiporn


Nachdem ursprünglich geplant war, diese Woche die letzten Zeugen der Verteidigung zu verhören und damit den Prozess gegen Chiranuch Premchaiporn abzuschließen, wird dieser nun aufgrund der momentanen Hochwassergefahr erst im Februar nächsten Jahres fortgesetzt.

Als vorläufig letzter Zeuge der Verteidigung wurde der Internetexperte und Mitglied der Nichtregierungsorganisation CPJ („Committee to Protect Journalists“) Danny O’Brien geladen. Laut Aussage des Zeugen können sogenannte „intermediaries“ (ISPs, Webmaster etc.) nicht für gesetzeswidrige Inhalte haftbar gemacht werden. Chiranuch für vermeintliche „lese majeste“ Inhalte haftbar zu machen, ist als ob man einen Restaurantbesitzer für die Gespräche seiner Gäste haftbar machen würde. Wenn „intermediaries“ alle Inhalte auf Rechtmäßigkeit überprüfen müssten, würde die Struktur des Internets zusammenbrechen: Das Internet besitzt - im Gegensatz zu traditionellen Medien - eine andere Funktionsweise und benötigt die ständige Übertragung und Weitergabe von Inhalten durch viele „intermediaries“ ohne deren ständige Kontrolle, die den Datenfluss unterbrechen könnte. Langfristig könnte das negative Auswirkungen auf die thailändische Wirtschaft haben und den Nutzern Zugang zu wichtigen Online-Dienstleistungen verwehren. Die internationale Gesetzgebung schreibt deshalb keine präventive Kontrolle der Inhalte durch „intermediaries“ vor.

Der Richter zeigte sich sehr interessiert an den Gesetzen zu rechtlicher Haftbarkeit anderer Länder, räumte allerdings ein, dass diese möglicherweise nicht dem thailändischen Kontext entsprechen würden und daher nicht implementiert werden könnten.

Das Urteil des Gerichts wird nach Aussagen von Experten starke Auswirkungen auf die zukünftige Ausübung der Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Thailand haben und könnte auch einen Präzedenzfall für andere Gerichtsverfahren darstellen.

Der Prozess wird voraussichtlich am 14. - 16. Februar 2012 fortgesetzt.
 

 

21.09.2011
Tag elf im Prozess um Chiranuch Premchaiporn

Der elfte Prozesstag markierte einen Höhepunkt im Prozess um Chiranuch Premchaiporn: Sie selbst legte Zeugnis ab und sagte zu ihrer eigenen Verteidigung vor dem Gericht aus.

Im Jahr 2006 schloss sich Chiranuch Prachatai an als sie vom Gründer, Jon Ungkaporn, ein Angebot für die Stelle der Direktorin des Internetforums bekam. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte vor allem die Überwachung des für Diskussionen öffentlich zugänglichen Webboards. Neben dem Fundraising war sie zudem für die Beziehung zu verschiedenen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen verantwortlich und koordinierte verschiedene Workshops im Bereich Journalismus.

Wie schon beide ersten Zeugen der Verteidigung, betonte auch sie, dass die Kommentare nach dem Militärputsch 2006 stark zunahmen. Die Diskussionen wurden politischer und deutlich aggressiver. Von 2007-2008 loggten sich 20.000-30.000 User täglich ein. Zeitweilig wurden täglich bis zu 300 neue Themenbereiche eröffnet, in denen jeweils 2.800-2.900 Kommentare veröffentlicht wurden. Um dieser enormen Anzahl gerecht zu werden, wurden sogar Freiwillige eingestellt, die sich bereit erklärten, Chiranuch bei der Überprüfung der Kommentare zu unterstützen.
Nach einem Treffen des MICTs mit Webmastern und „Internet Service Providern“, an dem auch Chiranuch teilgenommen hatten, mussten insgesamt 3.000 URLs auf Anforderung entfernt werden, darunter nur 25 von Prachatai. „Wir baten das ICT und die Polizei um klare Richtlinien zum Umgang mit den Kommentaren“, so Chiranuch. Eine Bitte, die bis jetzt noch nicht erfüllt wurde.

Obwohl sie sich bemühte alle „unangemessenen“ Kommentare sofort zu entfernen, war dies angesichts der schier überwältigenden Anzahl, nicht immer möglich. Die Anklage zeigte sich indessen verständnislos und beharrte darauf, dass sie die Verantwortung gehabt hätte, „ungemessene Kommentare“ selbständig sofort zu entfernen. Auf die Frage der Anklage nach der Bewertung der Kommentare sagte sie, dass im Umgang mit „lese majeste“ Inhalten, nicht nur ihre eigene Definition von „lese majeste“, sondern auch die von drei weitere Mitarbeitern von Prachatai hinzuzog, um Schaden für die Website abzuwenden.

Dieser Prozesstag bestätigte die Aussagen der ersten Zeugen der Verteidigung, dass Chiranuch sich gegenüber den Behörden sehr kooperativ verhielt, Kommentare auf Anfrage sofort entfernte und auch ein internes Kontrollsystem aufgebaut hatte.

Der Prozess wird vom 11. bis 14. Oktober mit der Befragung weiterer Zeugen der Verteidigung fortgesetzt. Mit einem Urteil wird allerdings erst im November gerechnet.


20.09.2011
Tag zehn des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Am zehnten Prozesstag wurden erstmals die Zeugen der Verteidigung gehört. Jon Ungpakorn und Dr. Niran Pitakwatchara sind beides  Gründungsmitglieder von Prachatai. Der erste Zeuge, Jon Ungpakorn, ein ehemaliger Senator, betonte, dass Prachatai, im Gegensatz zu traditionellen Medien, über gesellschaftliche Probleme berichtet, die die Armen, Marginalisierten und Unterprivilegierten betreffen. „Prachatai gibt der Demokratie eine Stimme“, so der Zeuge.

Erst nach dem Militärputsch 2006 kam Prachatai in das Visier der Regierung. Die Internetplattform eröffnete einen Raum, in dem über die politische Situation frei diskutiert werden konnte. Dadurch nahm die Anzahl der Kommentare erheblich zu und ging zeitweilig sogar täglich in die Tausende. Eine schnelle Überprüfung und Entfernung durch das nur zehnköpfige Team war deshalb manchmal unmöglich. Laut Zeugenaussage vermutete man, dass diese Überflutung mit Kommentaren absichtlich war, um eine Schließung der Webseite zu erreichen.

Prachatai hat nach Aussage des Zeugen stets mit dem MICT („Ministry for Information and Communication Technology“) kooperiert:  Die vom Ministerium als offensiv eingestuften Inhalte wurden so schnell wie möglich gelöscht und die IP-Adressen der entsprechenden Kommentatoren aufgezeichnet.  Außerdem wurden Maßnahmen ergriffen, um besser mit  „unangemessenen“ Kommentaren umzugehen. User mussten sich, um ein Kommentar zu posten oder ein neues Thema in einem Forum zu eröffnen, erst registrieren. Außerdem wurde ein System eingeführt, mit dem User Kommentare zeitweilig ausblenden konnten. Dies konnte dann zu einer endgültigen Entfernung führen. Hatten User mehrmals „unangemessene“ Kommentare gepostet, wurden sie permanent von dem Forum verbannt. Als der Staatsanwalt den Zeugen damit konfrontierte, dass ein entsprechender Kommentar 20 Tage lang unentdeckt blieb, meinte der Zeuge, dass manche Kommentare nicht eindeutig waren und nur indirekt auf die Monarchie anspielten. Außerdem war das entsprechende Forum größtenteils inaktiv und eine Benachrichtigung durch das MICT hatte ebenfalls nicht stattgefunden.

Nach der Befragung durch die Anklage wurde der zweite Zeuge, Dr. Niran Pitakwatchara, angehört.  Nach Aussage des Zeugen gibt es keine klaren Richtlinien im Bereich „lese majesté“, die die Grenze zwischen Legalität und Illegalität ziehen. Der Richter räume dem Zeugen das Recht ein, jegliches Missverständnis seitens des Gerichts zu korrigieren, was bisher noch keinem Zeugen gestattet wurde.

Die Verhandlung wird am 21.09. mit der Befragung von Chiranuch selbst fortgesetzt.

10.09.2011

Tag neun des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Boonlert Kalayanimitr, Mitglied der Kriminalpolizei und Ermittler im Bereich „lese majesté“, wurde als letzter Zeuge der Anklage verhört.

Der Zeuge sagte aus, dass das Ermittlungsverfahren um Prachatai erst nach einer Beschwerde vom  Gouverneur der Provinz Chiang Mai und Mitglied der Königsfamilie, Panadda Disakul, eingeleitet wurde. In der Beschwerde machte der Gouverneur auf den vermeintlichen „lese majesté“ Inhalt einiger Kommentare, die auf Prachaitai veröffentlicht wurden, aufmerksam.

Die Befragung durch den Staatsanwalt ergab außerdem, dass von den auf Prachatai veröffentlichten Kommentaren mindestens einer von einem anderen Webforum kopiert wurde. Im Gegensatz zu Prachatai, wurde gegen dieses Forum weder strafrechtlich ermittelt, noch wurde die Webseite blockiert.

Im Zuge der Befragung durch die Verteidigung, stellte sich heraus, dass die Polizei in ihren Ermittlungen gedruckte Abschriften der Kommentare verwendet und nicht die originalen, digitalen Dateien. Eine Überprüfung auf Übereinstimmung würde nicht durchgeführt.

Der Zeuge gab zu, dass Chiranuch während der Ermittlungen vollständig mit der Polizei kooperierte und sogar eine Stellungnahme bezüglich der illegalen Kommentare abgab, die dann gegen sie verwendet wurde. Obwohl Chiranuch alle diffamierenden Kommentare löschte, schlussfolgerte die Polizei, dass allein das Erscheinen auf der Webseite ein Fall von „lese majesté“ war.

In einem Interview nach dem Verfahren sagte der Zeuge, dass in Zukunft ausländische Unterstützung notwendig wäre, falls Prachatai erneut angeklagt werden würde, da die Webseite ihren Server in das Ausland verlagert hätte.

Am 21. September wird der Prozess mit dem Verhör des ersten Zeugen der Vereidigung fortgesetzt.

06.09.2011

Tag acht des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Nittipat Wuttiboonyasi, ein Beamter der thailändischen Polizeiermittlungsbehörde, wurde als einziger Zeuge   vernommen. Er sagte aus, eine Beschwerde vom MICT Mitglied Aree Jivorak erhalten zu haben. In der Beschwerde   ging es um diffamierende Kommentare über die Königsfamilie, die auf dem Prachatai webboard veröffentlicht wurden. Die Beschwerde wurde an den Direktor des Polizeibüros weitergeleitet, woraufhin ein Untersuchungskomitee, mit dem Ziel die Kommentare einzeln zu überprüfen, ins Leben gerufen wurde.

Nittipat konnte auf die Frage, welche Kommentare das Gesetz verletzt hatten, keine Antwort geben. Als man jedoch nach einiger Zeit überprüfte, ob die Kommentare bereits entfernt wurden, waren sie noch immer online auf der Webseite zu finden. Der Richter schlussfolgerte, dass Chiranuch als einzige angeklagt wurde, da die Identität der Kommentatoren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war.

Ein Kommentator hatte laut Anklage den Link zu einer Rede von Daranee Chanchoengsilpakul alias Da Torpedo gepostet, welche wegen des Verstoßes gegen Artikel 112 verhaftet wurde. Dies könnte als Akt der Mittäterschaft auslegt werden. Als man dem Richter den Text der Rede vorlegte, räumte dieser ein, dass aus dem Dokument nicht ersichtlich wird, ob es sich um eine wörtliche Wiedergabe handele.

Die Befragung durch die Verteidigung ergab, dass dem Zeugen wichtige Details der Ermittlung „entfallen“ sind: An das Treffen zwischen Internet Service Providern und der Polizei im November 2008, bei dem auch Chiranuch anwesend war,   konnte er sich anscheinend nicht „erinnern“. Bei dem Treffen ging es darum, Richtlinien zu entwickeln, die in Zukunft die Blockierung von „lese majeste“ Inhalten durch Webmaster erleichtern sollten. Auch an die darauf folgende Pressekonferenz, in der Prachatai als ein vorbildliches Forum gepriesen wurde, in dem Leser die Möglichkeit besitzen unangemessene Kommentare zu melden, hatte er anscheinend keinerlei Erinnerung.

Es stellt sich die Frage, ob dies eine Taktik der Anklage war, um die Strategie der Verteidigung zu erschweren. Verwunderlich ist auch, dass der Richter die Zeugenaussage nicht mit der Begründung ablehnte, dass der Zeuge nur die Zeit des Gerichtshofes vergeuden würde.

Am 09.09.2011 wird der letzte Zeuge der Anklage verhört.

02.09.2011

Tag sieben des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Ein General-Major der Polizei, Suraphon Tuanphong, wurde als erster Zeuge der Anklage geladen. Er gab an, dass seine Expertise darin liegt, kodierte Formulierungen im Internet zu entschlüsseln und den dahinter liegenden „ lese majeste“ Inhalt zum Vorschein zu bringen. Der Zeuge, Vize-Sekretär einer auf lese majeste spezialisierten Arbeitsgruppe der thailändischen Polizei, war auf dem Gruppentreffen, in dem es um Prachatai ging, nicht selbst anwesend, was seine souveräne Selbstdarstellung vor Gericht allerdings nicht beeinträchtigte.

Ein Kommentar bezog sich laut Suraphon auf die Teilnahme der Königin an der Beerdigung einer Anhängerin der Gelbhemden (PAD), die im Zuge der politischen Auseinandersetzungen mit den Rothemden gestorben war. Dies schlussfolgerte er aus einer Reihe von Codewörtern, die seiner Meinung nach direkt auf die Königin, den Königspalast und den Prinzen anspielten. Der Zeuge hielt diese Kommentare für „unangemessen“, da sie die Königsfamilie diffamieren würden. Die Polizei habe seiner Meinung nach die Pflicht in solchen Angelegenheiten zu ermitteln, da das Internet zur Eskalation politischer Konflikte beitragen könnte. Er räumte außerdem ein, dass solche Kommentare auf verschiedenen Websites zu finden wären und nicht nur auf der von Prachatai.

Im Zuge der Befragung durch die Verteidigung, gab der Zeuge zu, dass nicht alle Prachatai User Kommentaren dieser Art zustimmen würden. Im Gegenteil, sie seien Grundlage von Diskussionen und würden sowohl positive als auch negative Reaktionen auslösen. Obwohl Prachatai solche Kommentare auf Anfrage entfernte, war der Zeuge der Meinung, dass der Webmaster trotzdem für sie verantwortlich ist. Die Entscheidung Chiranuch strafrechtlich zu verfolgen, wurde im Dezember 2008 im Zuge der Ermittlungen gegen einer Kommentatorin getroffen, die angeblich „lese majeste“ Inhalte auf dem webboard eingestellt hatte, obwohl keine direkte Verbindung zwischen ihr und Chiranuch nachgewiesen werden konnte. Der Zeuge räumte außerdem ein, dass viele Kommentatoren auch einfach Inhalte anderer Webseiten übernommen haben könnten.

Der Richter erklärte, dass die Anspielungen auf die Königsfamilie offensichtlich sind. Er stellte jedoch den diffamierenden Charakter der Äußerungen und die Mitverantwortlichkeit des Webmasters in Frage.

Der Prozess wird am 6.9.2011 fortgesetzt.

01.09.2011

Tag sechs des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Nach einer fast siebenmonatigen Prozesspause muss sich Chiranuch Premchaiporn nun vor einem neuen Richter sowie einem neuen Staatsanwalt verantworten. Der Richter stellte zu Beginn fest, dass Chiranuch nicht für die vermeintlich diffamierenden Kommentare über die Königsfamilie auf dem webboard der Internetzeitung „Prachatai“ verantwortlich ist. Der Prozess wird deshalb untersuchen, ob sie als Webmaster dennoch durch ihre Handlungen oder ihr Nichteingreifen gegen die Artikel 14 und 15 des Computerkriminalitätsgesetzes verstoßen hat.

Der erste Zeuge der Anklage Keereerak Marak, ein Spezialinspektor für Internetverbrechen, wurde am 25. Oktober 2008 damit beauftragt „Prachatai“ im Hinblick auf “unangemessene Kommentare“ zu überwachen. Im Zuge der Befragung durch die Verteidigung stellte sich heraus, dass „Prachatai“ die erste Internetplattform war, die er auf „lese majeste“ Inhalt untersuchte. Obwohl alle zehn Kommentatoren durch ihre IP Adresse identifiziert werden konnten, wurde aufgrund mangelnder Beweislage nur einer von ihnen angeklagt. Chiranuch hingegen drohen bis zu 50 Jahre Haft.

Surapong Thammaphitak, ein IT Inspektor der thailändischen Polizei, wurde als zweiter Zeuge geladen. Er gab an, dass die Kommentare auf „Prachatai“ die Monarchie beleidigt haben. Die Fragen durch die Verteidigung offenbarten aber, dass die Polizei keine klaren Richtlinien im Umgang mit „lese majeste“ hat. Der Richter stellte klar, dass allein der Richter bestimmen muss, ob die Kommentare die Königsfamilie beleidigen und dass die bisherigen Diskussionen in der ersten Phase des Verfahrens für ihn keine Bedeutung hätten.

In einer abschließenden Bemerkung zum ersten Tag erklärte der Richter, dass dieser Fall geringfügig sei und die Angeklagte keine Fehler begangen habe.

Es ist zu früh zu sagen, ob sich das Blatt für Chiranuch durch die neue Regierung und die andauernde öffentliche Unterstützung gewendet hat. Der neue Richter hat indes aber Hoffnungen geweckt, dass sich Gerechtigkeit für Chiranuch einstellen wird.

Der Prozess wird am Freitag den 2. September fortgesetzt.

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26.07.2011
Auf boell.de ist ein Artikel über die Lage der Meinungsfreiheit in Thailand erschienen, in dem auch auf die Anklage gegen Chrianuch eingegangen wird.

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29.06.2011
Artikel über Chiranuch in der Berliner Zeitung: "Die Macht im Netz"

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25.03.2011

Chiranuch musste zur Klärung ihres Kautions-Status erneut vor Gericht erscheinen. Mehr dazu auf dem Blog "New Mandala".

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09.03.2011


Die UN hat sich nun auch dem Prozess gegen Chiranuch angenommen. Mehr Informationen dazu auf Prachatai.

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16.02.2011

Die Southeast Asian Press Alliance hat eine gute (englischsprachige) Zusammenfassung des bisherigen Verfahrens.

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14.02.2011

Fünfter und vorerst letzter Tag im Fall Chiranuch

Am fünften Tag der Anklage gegen Chiranuch Premchaiporn, der Webmasterin der Netzzeitung Prachatai, wurde der fünfte Zeuge der Anklage, Leutnant Dr. Wiwat Sittisoradej, vernommen.

Wiwat war an der Sicherstellung von Beweismaterial gegen Chiranuch beteiligt; er kopierte die Festplatte von Chiranuchs Laptop für die gerichtliche Analyse. Er fand  mit einer Software, die auch vom amerikanischen FBI genutzt wird,  Fotos des Königs, die ihn mit einem Affengesicht zeigen - Chiranuch ist jedoch nicht deswegen angeklagt. Außerdem fand er acht Foreneinträge, die in zwei Ordnern – betitelt `Prachatai Webboard´ - abgespeichert waren.

Bei der Präsentation der Beweise fiel auf, dass Festplatte zwar einen `Beweis´-Sticker trug, der  jedoch nicht unterschrieben war und somit eine Bestätigung und Weiterführung der Beweise unmöglich macht. Außerdem war die von Wiwat verwendete Festplatte unversiegelt, was vermuten läßt, dass sie bereits für andere Untersuchungen genutzt wurde und möglicherweise Daten aus vorherigen Untersuchungen beinhaltete.

Aus Angst  Wiwats vor Wiederholung von lèse majesté, wurden die Beweise, in diesem Fall Kommentare und Forumeinträge, nicht ausgedruckt und den Richtern vorgelegt. Zudem lehnte Wiwat ab, die Information über den Inhalt der Kommentare in seinem Bericht klar wieder zu geben.

Laut eigener Aussage wurden keine Beweise darüber gefunden, dass die Fotos oder die gefundenen Kommentare von Chiranuchs Computer ins Netz gestellt wurden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die entsprechenden Daten von Chiranuch per E-mail empfangen, jedoch nicht weiter versandt. Wiwat sagte aus, dass ein Computernutzer keinen Verstoß begeht, indem er nur entsprechende E-Mails empfängt. Der Zeuge sagte ebenfalls aus, dass Chiranuchs Laptop nicht der Server des Webboards (Forums) gewesen sei.

Wiwat war erst der fünfte von 14 Zeugen der Anklage. Da schon alleine auf Seite der Angklage  noch neun weitere Zeugen geladen sind, es jedoch ab nächster Woche keine freien Termine im Gericht  gibt, wurde die Fortführung des Prozesses auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.  Mit einer längeren Pause ist die Fortführung  nun für den 1. September bis 14. Oktober angesetzt. Zwischen dem  1. und  21. September  werden  die neun verbleibenden Zeugen der Anklage gehört und die Zeugen der Anklage  vom 11. -14. Oktober.

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11.2.2011

Tag 5: Prozess wird in den September vertagt

Am 11. Februar hat das Gericht eine Verschiebung der Zeugenanhörung angekündigt. Die Zeugenahörungen vom 15.-17. Februar werden abgesagt. Die neun Zeugen der Anklage werden zwischen dem 1.-21. September 2010 gehört, die acht Zeugen der Verteidigung vom 11.-14. Oktober des Jahres.


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Tag vier des Prozesses um Chiranuch Premchaiporn

Am Morgen des vierten Tages des Prozesses der Webmasterin der Netzzeitung Prachatai, Chiranuch Premchaiporn, wurde der Anwalt des Ministeriums für Information, Kommunikation und Technologie (MICT), Somsak Supajirawat als Zeuge geladen.

Somsak gab an, mit der königlichen thailändischen Polizei nach dem der Durchsuchungs- und Haftbefehl gegen Chiranuch im März 2009 ausgestellt wurde, kooperiert zu haben. Bei der Durchsuchung des Prachatai Büros wurden sechs Computer und Chiranuchs Laptop sichergestellt. Die Inhalte des Laptops wurden unter Anwesenheit Chiranuchs kopiert, obwohl ein Großteil der Informationen bereits vorher von Chiranuch online gestellt wurden.

Der Anwalt des MICT stellte die Kontinuität, den Erhalt und die Unversehrtheit der materiellen, juristischen und digitalen Beweise in Frage, da diese Beweise sowohl im MICT auch in  mehreren Polizeiabteilungen kursierten und dort „überwacht und geprüft“ wurden.

Am Nachmittag war Pairat Yawong als Zeuge der Anklage geladen. Pairat ist ein privater Anwalt des Law Hom 999 Unternehmens, der von einem unbenannten Polizeileutnant der Kriminalitätsbekämpfungsabteilung (crime suppression division) der Hua Mark Polizeistation beauftragt wurde, den legalen Status eines einzigen Kommentars zu bestimmen. Somsak weigerte sich, den Namen des Polizeioffizieres zu nennen und verweigerte die Aussage, ob der beteiligte Offizier in Verbindung mit dem Verschwinden des muslimischen Anwalts Somchai Neelapaichit 2004 steht.

Der Kommentar, der Pairat vorgelegt wurde, erwähnt die Anwesenheit der Königin auf der Beerdigung einer Anhängerin der Gelbhemden, die während den Unruhen 2008 getötet wurde. An sich wurden in diesem Kommentar nur Fakten dargelegt, jedoch gilt die Anwesenheit der Königin als symbolische Unterstützung der Gelbhemden.  Pairat charakterisierte diese Erwähnung als „lèse majesté“, da es dazu führen könnte, dass die Öffentlichkeit glaubt, dass sich die Königin in thailändische Politik einmischen würde.

Die Fortsetzung des Prozesses findet am Freitag, den 11. Februar statt. Das angekündigte Prozessende am 17. Februar wird vorraussichtlich vom Gericht nach hinten verschoben, um alle 28 Zeugen anzuhören.

Hier noch ein Bild von Chiranuch mit ihren Rechtsanwälten im Gericht.

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Amnesty International hat eine Pressemitteilung zum Prozess herausgegeben.


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10.2.2011
Tag drei des Chiranuch Prozesses:

„Freiheit hat seine Grenzen“

Der dritte Tag des Prozesses gegen die Prachatai-Webmasterin Chiranuch Premchaiporn fand am Mittwoch, den 9.Februar statt. Als zweiter Zeuge der Anklage war Thanit Prapathanan geladen, Rechtsberater des Ministeriums für Information und kommunikative Technologie (MICT).

Der seit 2005 tätige Berater gilt als zuständige Amtsperson für den Schutz der thailändischen Monarchie vor Diffamierung. Thanit gab zu Protokoll, er habe alle zehn Kommentare persönlich gesehen, die Grund für Chiranuchs Anklage sind. Das Material der Prachatai Internetseite wurde ihm von Aree Jivorarak, dem ersten Zeugen der Anklage, in Form von Dokumenten, DVDs, Videos und Audio CDs übergeben. Thanit leitete nach eigenen Aussagen das Material an das Justizministerium weiter und verfasste eine gerichtliche Anordnung, die Webseite Prachatai aufgrund der Foreneinträge zu blockieren.

Er betonte, die Verantwortlichkeit von „intermediaries“ -Webmastern und Betreibern von Internetseiten - dieselbe sei wie für Nutzer, die Kommentare hinterlassen. Eine Kommunikations- und Informationsplattform zur Verfügung zu stellen mache Prachatai haftbar für ihre Nutzer.

In der dritten Sitzung wurde außerdem ein bisher vager Punkt der Diskussion um das Computerkriminalitätsgetz erörtert: Die Diskussion um die Verantwortlichkeit der Webmaster für Hyperlinks. Auslöser war ein Kommentar im Forum von Prachatai, der einen Hyperlink zu einer Internetseite beinhaltete, auf der eine Rede der mittlerweile unter „lèse majesté“ angeklagten Rothemden-Rednerin Darunee Charnchoensilpakul zu lesen war. Die Verteidigung deutete an, dass sogar die Internetseite des MICT Seiten verlinkt, deren Inhalt das „lèse majesté“-Gesetz verletzen. Daraufhin sagte Thanit, dass Webmaster für Hyperlinks nicht strafrechtlich haftbar gemacht werden können, da sie keinen Inhalte Dritter löschen könnten. Eine Internetseite könne nur dann belangt werden, wenn sie nach Aufforderung den Hyperlink nicht löschen würde.

Die Verteidigung fragte auch bei Thanit nach der Interpretation der angeklagten Kommentare. Thanit sieht den Kommentar über die Unterstützung des Militärputsches 2006 durch die Königin als Beleidigung an, da „Ungebildete“ ihm Glauben schenken würden. Auf Anfrage der Verteidigung, was daran nun beleidigend sein solle, da der Coup allgemein als positiv bewertet wurde, gab Thanit an, dass der Coup die Regierung und die Verfassung stürzte.

Die Verteidigung lieferte Fakten der Studie der ilaw, die belegte, dass es 2007 nur ca. 900 Internetseiten mit königskritischem Inhalt gab, 2010 waren es dagegen bereits 35, 000. Daraufhin gab Thanit an, der Zweck dieser Internetseiten sei die Abschaffung der Monarchie in Thailand.

Die heutige Anhörung endete mit einer ernüchternden Aussage des Zeugen: „Freiheit hat ihre Grenzen.“

Am Donnerstag, den 10. Februar wird der Prozess fortgesetzt.

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9.2.2011
Unsicherheit beim Zeugen des Ministeriums für Information und kommunikative Technologie - Tag zwei des Prozesses

Am Dienstag, den 8. Februar, fand der zweite Prozesstag statt. Die Befragung des ersten Zeugen der Anklage, Aree Jivorarak, Vorsitzender der Regulierungsbehörde des Ministeriums für Information und kommunikative Technologie (MICT) wurde fortgesetzt.

Die Befragung der Verteidigung zielte am zweiten Tag besonders darauf ab, die konkreten Inhalte der Kommentare auf dem Prachatai Forums zu untersuchen, für die Chiranuch verantwortlich gemacht wird. Zehn Kommentare würden - laut Anklage - die königliche Familie beleidigen. Die Verteidigung stellte jedoch die von den Kommentatoren verwendete indirekte Ausdrucksweise in Frage. So wurde beispielsweise die Frage in den Raum gestellt, ob der Kommentar, dass das Königshaus den Coup d’etat von 2006 unterstützte, als Beleidigung gesehen werden könnte und ob die Benutzung von Pronomen „sie“ und „er“ definitiv als Ersatz für König, Königin oder andere Mitglieder der königlichen Familie verstanden werden könnte. Auch wurde in Frage gestellt, ob die reine Beschreibung der Tätigkeiten und Bedeutungen des Königshauses eine Beleidigung darstellen würde.

Während der Befragung zeigte sich Aree auffallend häufig unsicher im Bezug auf die Anwendung von Artikel 14 und 15 des CCAs sowie die genauen Inhalte Artikel 112 des Strafgesetzbuches, der das lèse majesté Gesetz beschreibt, aus. Es wurde notiert, dass Aree ganze 34 Mal während der Verhandlung Unsicherheit in Form von „Ich bin mir nicht sicher“, „Ich kann mich nicht erinnern“ und „Das muss ich nachprüfen“ ausdrückte, wenn es sich um konkrete Anschuldigungen gegenüber Chiranuch und die Inhalte der Kommentare handelte.

Die Befragung des Vorsitzenden des MICT und dessen Unsicherheit bei der Bewertung der Kommentare deutet bereits direkt auf die häufig unterstrichene Willkührlichkeit der Interpretation der Gesetzestexte hin, da es keine klare Richtlinien und einheitliche Bewertungen gibt. Aree ist der erste von insgesamt 35 Zeugen und es ist zu erwarten, dass sich der Prozess über die acht angesetzten Tagen hinaus erstrecken wird.
Der Prozess wird am Mittwoch, den 9. Februar, fortgesetzt.

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Außerdem ist heute ein Interview mit Chiranuch im New Mandala Blog erschienen. Und das Time Magazine bringt auch einen Artikel mit Hinweis auf die von uns unterstützte Studie.


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7.2.2011

Der Bericht vom ersten Prozesstag, Freitag 04.02.2011, ist da.

Am ersten Prozesstag gegen Chiranuch Premchaiporn, die wegen Verstoß gegen Artikel 15 des Computerkriminalitätsgesetzes (CCA) angeklagt ist, wurde der erste von vierzehn Zeugen geladen. Als Zeuge der Anklage trat Aree Jivorarak, Vorsitzender der Regulierungsbehörde des Ministeriums für Information und kommunikative Technologie (MICT) auf.

Der Prozesstag war in zwei Teile gegliedert: am Vormittag stand der Zeuge der Anklage zur Verfügung, am Nachmittag hatte die Verteidigung, die aus drei erfahrenen Anwälten in Menschenrechtsangelegenheiten besteht, Gelegenheit, den Zeugen zu befragen. Die zuständigen Richter sind allesamt jung und es kann Erfahrung mit der Benutzung des Internets vorausgesetzt werden. Trotzdem mussten zum allgemeinen Verständnis Definitionen wie URL, IP- Adresse, DNS und ISP erläutert werden.

Aree Jivorarak, der erste Zeuge, verlas einige der Forenbeiträge, jedoch waren diese für die Beobachter fast nicht hörbar. In ihnen wurden vage Referenzen zur königlichen Familie in Form von „Vater“, „Mutter“ und „Sohn“ gemacht. Im weiteren Verlauf erläuterte Aree, wie sein Zensur-Team die Absicht solch unbestimmter Kommentare festmacht, wobei er häufig unklare Aussagen machte.

Aree äußerte sich positiv über Chiranuchs Kooperation mit der MICT, da sie nach Kontaktierung durch das MICT die entsprechenden Kommentare und Blogeinträge schnellst möglichst löschte. Im Gespräch erläuterte Chiranuch, dass im politisch unruhigen Jahr 2008 täglich mehrere tausend Kommentare im Forum von Prachatai gepostet wurden, und es aufgrund der Quantität der Beiträge unmöglich war, die entsprechenden Kommentare sofort zu löschen.

In der Befragung durch die Verteidigung am Nachmittag erläuterte Aree, dass das MICT keine klaren institutionalisierten Regeln für die Bewertung von kritischen Kommentaren im Internet hat. In der Regel trifft ein aus verschiedenen Ministerien bestehendes Komitee, u.a. aus nationalem Sicherheitsrat und Militär, die Entscheidung zur Verfolgung durch das Computerkriminalitätsgesetz. Auf Nachfragen, konnte er jedoch keinen am Entscheidungsprozess Beteiligen namentlich nennen oder präzise juristische Definitionen für die Bewertung der fraglichen Inhalte angeben.

Chiranuchs Prozess ist der erste Prozess in Thailand, bei dem ein Webmaster wegen Verstoß gegen Artikel 15 des CCA angeklagt wird. Ihre Anklage kann als Ausdruck des harten Durchgreifens der thailändischen Regierung gegenüber Medien, die sich kritisch zum Königshaus äußern, gesehen werden.

Eine Studie des iLaw Projekts zur Internetzensur, die mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt und im Dezember 2010 veröffentlicht wurde, stellte fest, dass alleine im Jahr 2010 insgesamt 38.868 Internetseiten aufgrund von anti-monarchischen Inhalten blockiert und bereits 185 Menschen in nur vier Jahren unter dem CCA belastet wurden.

In kommenden Sitzungen wird erwartet, dass die Verteidigung und Entlastungszeugen darauf hinweisen, dass die “Intermediary Liability“, die Verantwortlichkeit von Webmastern für den Inhalt sämtlicher Foren und Blogs, die in Artikel 15 des CCA beschrieben wird, im westlichen Vergleich aus dem Rahmen fällt. Auch wenn das Gericht einen Vergleich mit westlichen Ländern im thailändischen Kontext als irrelevant erklären würde, zeigt bereits der erste Prozesstag die Willkürlichkeit der Anwendung des Compoterkriminalitätsgesetzes.

Der Prozess wird am Dienstag, den 8.2. mit weiteren Zeugen der Anklage fortgesetzt.

Den Bericht eines weiteren Prozessbeobachters gibts es bei asiancorrespondent.com

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4.2.2011

15:03 Weitere Artikel erschienen: BBC News und The Inquirer.

11:00 Heute ist erster Prozesstag. Auf Prachatai ist unter dem Titel "The trial on the case study of Internet & Intermediary liability in Thailand" ein Artikel über die Hintergründe des Gerichtsverfahren erschienen.
Der Bericht vom ersten Verhandlungstag folgt.

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3.2.2011
Über die immer häufiger werdenden Anklagen wegen Majestätsbeleidigung in Thailand schreibt "The Economist". Im jetzt zu verhandelnden Fall geht es aber gar nicht so sehr um Majestätsbeleidigung, sondern vielmehr um "intermediary liability". Chiranuch soll dafür verantwortlich gemacht werden, was andere in Kommentaren auf Prachatai geschrieben haben. In Deutschland ist die Frage der "Forumshaftung" oder "Providerhaftung" juristisch noch nicht ausdefiniert. Rechtlich ist der Betreiber eines öffentlichen Internet-Forums (oder Blogs mit Kommentaren) nur zu belangen, wenn er Kenntnis von dem strafbaren Inhalt hat.

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2.2.2011
Elf britische Parlamentarier haben eine Early Day Motion unterzeichnet, in der sie ihrer Sorge Ausdruck verleihen, dass der Prozess gegen Chiranuch Premchaiporn die Meinungsfreiheit inThailand gefährde. Gleichzeitig fordern sie ihre Regierung auf, sich mit dem Thema zu befassen. Der Text im Wortlaut:

"That this House notes with concern the case of Chiranuch Premchaiporn, the Director of Thai news website Prachatai, who is on trial in Thailand under its Computer Crime Act for not removing third party comments criticising the monarchy from her website quickly enough and who, if convicted, faces a maximum sentence of 50 years in jail; believes that this action threatens Thailand’s reputation for tolerance of free expression and risks creating a climate of fear; further notes with concern that this particular law has led to thousands of websites being blocked in Thailand; opposes web blocking and censorship; and calls on the government of Thailand to review the situation."

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28.1.2011
Das Blog "Freedom of Expression" hat ein englischsprachiges Factsheet zum Prozess veröffentlicht.

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3.1.2011

Der Sender France 24 hat ein Interview mit Chiranuch geführt (Video).

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Hintergrund:

Video von Reporter ohne Grenzen zum Thema