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Ein Haushalt für die Eurozone

Einer der wichtigsten Streitpunkte vor dem EU-Gipfel im Dezember 2012 ist die Frage, ob die Eurozone in Zukunft einen gemeinsamen Haushalt haben soll. Darüber, wie dieser aussehen könnte, gibt es widerstreitende Vorstellungen. Es gibt jedenfalls viele gute Gründe, die Europäische Währungsunion mit einem eigenen Budget auszustatten. Die wichtigsten sind makroökonomischer Natur. Hätte die Eurozone einen eigenen Haushalt, der makroökonomische Stabilisierungsmaßnahmen auf gesamteuropäischer Ebene zulässt, wäre die Kluft zwischen beispielsweise Spanien und Irland und den anderen Staaten der Eurozone wahrscheinlich nie so groß geworden, wie vor und während der Schulden- und Bankenkrise geschehen. Wenn zyklische Divergenzen abgemildert worden wären, würden wir heute in weitaus geringeren Schwierigkeiten stecken. Da zudem die nationalen Haushaltspolitiken nicht in ausreichendem Maße zu einer makroökonomischen Stabilisierung beigetragen haben, spricht sehr viel dafür, einen europäischen Ansatz zu verfolgen.

Stabilisierung der EU durch eigene Einnahmequellen

Verschiedene Ansätze sind denkbar, um die Eurozone oder die EU mit Instrumenten für eine makroökonomische Stabilisierung auszustatten. Einige davon wären Bestandteil des EU-Haushalts. Dass diese Punkte nicht auf der Tagesordnung der (derzeit stockenden) Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen stehen, ist eine verpasste Chance. So könnte die EU mit Einnahmequellen ausgestattet werden, die eine stabilisierende Wirkung haben, beispielsweise mit einer EU-weiten Körperschaftssteuer. Auf der Ausgabenseite des Budgets sollte die konkrete Mittelvergabe in investitionsfördernde Maßnahmen zukünftig präzise auf den Konjunkturzyklus des Empfängerlandes abgestimmt werden, beispielsweise indem die Förderdauer ausgedehnt oder komprimiert wird. Geschieht dies, könnten Strukturfonds nationale oder regionale Konjunkturzyklen stabilisieren helfen. Nach derselben Logik ließe sich auch bei Ausgaben für Forschung und Entwicklung verfahren sowie bei Initiativen zur Berufsausbildung und zum lebenslangen Lernen.

Damit die Europäische Union langfristig mehr dafür tun kann, zyklische Schwankungen abzumildern, sollte sie in die Lage versetzt werden, während eines wirtschaftlichen Aufschwungs finanzielle Reserven aufzubauen, die dann bei einer Rezession eingesetzt werden können. Wäre ein derartiges Verfahren zu Beginn der Europäischen Währungsunion eingeführt worden, hätten solche Mittel dazu dienen können, die fünf Milliarden Euro, die der EU-Kommission während der Rezession 2008/09 zur Verfügung standen, aufzustocken. 

Stabilisierung durch eine europaweite Arbeitslosenversicherung

Des Weiteren sollte außerhalb des EU-Haushalts eine stabilisierende Säule eingezogen werden, nämlich eine europaweite Arbeitslosenversicherung. Dabei würde jedes Land entsprechend nationaler Eigenheiten und Traditionen sein eigenes System weiterbetreiben. Die europäische Arbeitslosenversicherung würde einen Teil davon abdecken und die Beiträge der Beschäftigten und Arbeitgeber insgesamt nicht steigen lassen, es sei denn, nationale Regierungen wollen Auszahlungsniveau und -dauer ohnehin verändern. Eine solche Versicherung zielte ausschließlich auf die konjunkturell, nicht auf die strukturell bedingte Arbeitslosigkeit. Auszahlungen wären zeitlich begrenzt (etwa auf sechs Monate) und gingen nur an Personen, die vor der Arbeitslosigkeit für eine bestimmte Zeit gearbeitet haben.

Sämtliche vorgeschlagene Maßnahmen stellten einen gewaltigen Reformschritt dar – und speziell die Arbeitslosenversicherung wäre ein bedeutender Schritt hin zu einer tieferen Integration. Denn ihre Einführung wäre nicht nur makroökonomisch relevant, es würde auch die soziale Komponente der EU-Integration gestärkt.

Im Rahmen der derzeit laufenden Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen wird zwar die Chance auf makroökonomisch relevante Reformen mit großer Wahrscheinlichkeit verschenkt. Der Einrichtung einer europaweiten Arbeitslosenversicherung sollte aber dennoch weiter nachgegangen werden. Einführen könnte man diese beispielsweise innerhalb der Eurozone oder auch nur in einer Reihe von Mitgliedsstaaten. Es wäre nicht notwendig, die EU-Verträge zu ändern, vielmehr ließe sich die Versicherung zwischen den gewillten Regierungen aushandeln und auf zwischenstaatlichen Verträgen basieren.


Aus dem Englischen übersetzt von Bernd Herrmann.

Daniela Schwarzer ist Leiterin der Forschungsgruppe « EU-Integration » der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Von September 2012 bis August 2013 ist sie beurlaubt und als Fritz-Thyssen-Fellow am Weatherhead Center der Universtät Harvard.