Politischer Jahresbericht des Büros Tbilisi für 2006/2007 (Auszüge)

Lesedauer: 14 Minuten

13. August 2008

Von Walter Kaufmann

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Zusammenfassung

Die georgische Regierung von Präsident Saakaschwili ist davon überzeugt, mit der Einsetzung der „zweiten De-facto-Regierung“ Südossetiens unter dem progeorgischen Osseten Sanakoev einen entscheidenden Schritt bei der Lösung des Südossetiens-Konfliktes vorangekommen zu sein. Aus ihrer Sicht ist es nur noch eine Frage weniger Monate, bis das komplett von Russland abhängige südossetische Regime von Eduard Kokoity zusammenbricht und die erschöpfte, demoralisierte südossetische Bevölkerung die Seiten wechselt und einer „politisch und wirtschaftlich sicheren Zukunft auf georgischer Seite“ den Vorzug gibt. Eine solche Entwicklung wäre nicht weniger als eine Sensation, würde damit doch nach über dreizehn Jahren Waffenstillstand der erste der südkaukasischen Sezessionskonflikte friedlich beigelegt werden können. Leider gibt es aber bislang nicht viele Anzeichen dafür, dass es sich bei diesem Szenario um mehr als ein georgisches Wunschbild handelt, während sich in der Realität die Gräben zwischen den Konfliktparteien weiter vertiefen. (...)

Keinerlei Annäherung gibt es auch in Bezug auf Abchasien; hier hat sich die georgische Seite darauf verlegt, durch maximale Delegitimierung und Kriminalisierung der abchasischen Opponenten alle abchasischen Versuche zu unterbinden, Legitimationsansprüche für ihre Unabhängigkeitsforderungen aus der internationalen Diskussion zu Kosovo zu ziehen. Generell konzentrieren sich die Kontrahenten in den georgischen Sezessionskonflikten darauf, statt miteinander v.a. übereinander zu reden und Vorteile für die eigene Seite allein auf der Ebene der geopolitischen Auseinandersetzungen zwischen „Russland und den USA“ bzw. „Russland und dem Westen“ zu suchen. (…)

In Georgien, das sich offiziell bei jeder Gelegenheit als „Musterland demokratischer Transformation“ preist, liegen die sichtbarsten Reformerfolge eher im Bereich der Infrastruktur, der Armeereform und der Stärkung der Exekutive. In Bezug auf Gewaltenteilung, demokratische Transparenz und die Achtung von Menschenrechten bei der Kriminalitätsbekämpfung sind in den letzten Jahren sogar einige Rückschritte festzustellen. Kennzeichnende Entscheidungen in den letzten 12 Monaten waren die Verfassungsänderung zur Verlängerung der laufenden Legislaturperiode und die Absenkung des Mindestalters für Strafverfolgung auf 12 Jahre. Die radikale Deregulierungs- und Privatisierungspolitik der Regierung Saakaschwili hat v.a. in Tbilisi und an der Schwarzmeerküste zu einem Bauboom und zu einem Anstieg der Auslandsinvestitionen geführt. Zugleich wuchsen die sozialen Disparitäten bei stark steigenden Lebenshaltungskosten. Außenpolitisch hofft man in Georgien auf den Übergang zum „Membership Action Plan“ der NATO in 2008, um sich damit weiter dem Einfluss Russlands entziehen zu können. Trotz des Abzugs der letzten russischen Militärbasen von georgisch kontrolliertem Territorium hat sich das Verhältnis zu Russland nach der Eskalation im Zuge des Spionage-Skandals vom Herbst 2006 nur leicht entspannt. Blockade der Verkehrsverbindungen, Embargo gegen Wein und Mineralwasser – trotz offensichtlicher politischer Wirkungslosigkeit scheint die russische Führung einstweilen nicht bereit, auf diese Muskelspiele zu verzichten. (...)

Konflikte der Region

 

Südossetien: Wettbewerb der Marionetten?

Seit ihrem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren hat sich die georgische Regierung von Präsident Saakaschwili mit wachsender Dringlichkeit vorgenommen, den seit über zehn Jahren andauernden Status quo in den Sezessionskonflikten um Südossetien und Abchasien zu georgischen Gunsten zu verändern. Dies hat sie auch ihren Wählern versprochen; ja, Saakaschwili hat mehrfach angekündigt, auf dem Weg zur Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2008 ein entscheidendes Stück voranzukommen.

Unter derlei selbstgesetztem Zeitdruck hat die georgische Regierung nur vereinzelte Anstrengungen unternommen (am intensivsten im ersten Halbjahr 2006), sich auf direkte Verhandlungen mit ihren Opponenten, den De-facto-Regierungen in Südossetien und Abchasien, einzulassen und sich v.a. um Vertrauensgewinn bei der Bevölkerung beider Regionen zu bemühen. Eine solche Strategie, die auf einen langfristig erreichten, von gegenseitigem Respekt getragenen friedlichen Ausgleich im Rahmen eines demokratisierten, eng mit Europa verbundenen Georgien setzt, erfordert weit mehr Zeit und langen Atem, als die an „revolutionären Siegen“ und maximalistischen Versprechungen ausgerichtete Regierung der Rosenrevolution zu haben glaubt.

Die Wiedereingliederung der Region Südossetien mit ihrer nur noch wenige zehntausend Menschen umfassenden Bevölkerung, ihrer einem Flickenteppich gleichenden politischen Struktur aus von den Separatisten regierten Gebieten und georgischen Dörfern, die von Georgien kontrolliert werden, und ihrer Lage an der zentralen Straßenverbindung nach Russland durch den Roki-Tunnel ist nun die erste Priorität. Deren Erledigung hat sich Präsident Saakaschwili spätestens bis zum Sommer 2008 auf die Fahnen geschrieben.

Offenbar will er dies erreichen, in dem er die Gegenseite, das von Russland völlig abhängige, aber durch den georgischen Druck im Innern konsolidierte Regime des De-facto-Präsidenten Kokoity komplett ignoriert. Auch das bisherige Verhandlungsformat, bei dem sich Georgien gleich drei Vertretern der Gegenseite – Russland, Nordossetien, Südossetien – gegenübersah, das es nur noch als Notvehikel in Krisenfällen in Anspruch nimmt, ohne über eine Alternative zu verfügen. Die neue Strategie besteht in der Installation einer zweiten, georgienfreundlichen De-facto-Parallelregierung unter dem „Präsidenten“ Dmitrij Sanakoev in den georgisch kontrollierten Gebieten Südossetiens.

Sanakoev ist ein Ossete, der früher selbst als Verteidigungsminister in der separatistischen Regierung diente und dessen Bruder dort bis heute als Innenminister fungiert. Installiert wurde seine Regierung zeitgleich mit den auf südossetischer Seite organisierten De-facto-Präsidentschaftswahlen und der Abhaltung eines Referendums über die Bestätigung der südossetischen Unabhängigkeit von Georgien im November 2006. Beide Wahlgänge erbrachten in den südossetisch kontrollierten Gebieten „sowjetische“ 99%-Ergebnisse. In den georgisch kontrollierten Dörfern wurde in einer parallel organisierten Wahl mit ähnlichen Ergebnissen Dmitrij Sanakoev zum Präsidenten gewählt, der sich anschließend mit seiner Regierung und schwer bewaffneten Sicherheitskräften im nur 5 km von der südossetischen Hauptstadt Tschinvali entfernten georgischen Dorf Kurta einrichtete. Finanziert wird er vom georgischen Innenministerium. Seither unternimmt die georgische Regierung alles, um Sanakoev als „die Lösung des südossetischen Problems“ zu präsentieren.

Im Mai wurde der De-facto-Status Sanakoev durch ein Gesetz über den „temporären administrativen Status Südossetiens in Georgien“ legalisiert; nun sollen mit ihm Verhandlungen über die endgültige Ausgestaltung der südossetischen Autonomie im georgischen Staatsverband geführt werden. Seiner Regierung werden große Summen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Eröffnung von Schwimmbädern, Handelszentren und Diskotheken in den von ihm kontrollierten Dörfern zur Verfügung gestellt. Und schließlich wird der moderat auftretende, von der „georgischen und europäischen Orientierung Südossetiens“ sprechende Sanakoev international präsentiert, wobei kürzlich das Europaparlament mit einer Einladung Sanakoevs nach Brüssel ihm sehr zur Hilfe kam.

Diese Strategie wirkt für viele Unterstützer Georgiens tatsächlich plausibel: Da man mit der von Russland abhängigen Marionettenregierung von Kokoity zu keinen im georgischen Sinne positiven Verhandlungsergebnissen finden kann, setzt man auf einen in der südossetischen Gesellschaft verwurzelten progeorgischen Akteur und versucht ihn mit zahlreichen materiellen Lockangeboten der konfliktmüden und psychisch und ökonomisch ausgelaugten Bevölkerung Südossetiens als bessere Alternative darzustellen. Zugleich vereinbart man mit diesem Akteur die für Georgien günstige politischrechtliche Lösung, die dann zu einem späteren Zeitpunkt nur noch auf das restliche Territorium Südossetiens übertragen zu werden braucht.

Doch ist die Gefahr groß, dass das potentiell interessante Sanakoev-Experiment nichts anderes als eine virtuelle Konfliktlösung darstellt und die bestehenden Gräben nur noch vertieft. Russland hält trotz interner Vorbehalte gegen Kokoity politisch bislang bedingungslos an der Unterstützung von dessen Regime fest und zeigt keinerlei Neigungen, der ungeliebten Regierung Saakaschwili einen Triumph zu gönnen. Die georgische Regierung unternimmt praktisch nichts, um das tiefe Misstrauen und die Angst der Südosseten gegenüber Georgien abzubauen und damit der Konsolidierung von Kokoitys Macht entgegenzuwirken. Je mehr und je hastiger sie Sanakoev in ihrer eigenen massiven PR als „Präsident aller Südosseten“ präsentieren, umso stärker wird er in der kriegsgeprüften Gesellschaft jenseits der Konfliktlinie als Verräter angesehen, der sich für Geld hat kaufen lassen.

Das offensichtliche Desinteresse der georgischen Seite, die südossetischen politischen Anliegen und Sicherheitsbedürfnisse ernst zu nehmen, an den unvollkommenen, doch immerhin bestehenden Dialogformaten mit der Gegenseite festzuhalten und das schon 2006 verabschiedete Restitutionsgesetz für Leidtragende des Konfliktes tatsächlich zu implementieren, lässt Sanakoev letzten Endes nur wie eine georgische Marionette aussehen, die mit der „russischen Marionette“ Kokoity in den Wettbewerb um internationale Anerkennung steht. Wie seine Basis in Südossetien über die georgisch kontrollierten Dörfer hinaus verbreitet werden soll, wenn zugleich die georgischen und die südossetischen Gemeinden politisch und physisch (durch Straßensperren und Militärposten) hermetisch voneinander getrennt bleiben, bleibt das Geheimnis der georgischen Strategen.4 Möglicherweise hat der gerade (am 19.07.2007) neu ernannte Staatsminister für Konfliktregulierung David Bakradze, ein erfahrener Sicherheitspolitiker, der sich jahrelang mit Modellen zur Konfliktlösung und Fragen der europäischen Integration befasst hat, dazu neue Vorschläge.

Die Sicherheitslage im Juli 2007 ist prekär – unkontrollierte Aufstockung der russischen und der georgischen Militärpräsenz, häufige Schusswechsel und Entführungen, ein praktisches Auseinanderfallen der „Friedenstruppen“ in ihre georgischen und nordossetischsüdossetisch- russischen Bestandteile, und die Blockade des für die Deeskalation unersetzlichen Instrumentes der Joint Control Commission unter Ägide der OSZE.

Abchasien: Vertrauensabbau als Strategie?

Die Bedingungen für eine Politik der langfristigen, graduellen Annäherung der Seiten und letztlich für eine friedliche Beilegung des Abchasien-Konfliktes haben sich seit Sommer 2006 deutlich verschlechtert. Im Juni 2006 wurden die beiden bis dahin für den Abchasien-Verhandlungsprozess maßgeblich verantwortlichen georgischen Offiziellen entlassen (Staatsminister für Konfliktregulierung Giorgi Chaindrawa) bzw. vom Ort des politischen Geschehens entfernt (Irakli Alasania, pers. Beauftragter des Präsidenten für den Abchasien-Konflikt; zu den UN nach New York entsandt). Beide galten auf abchasischer Seite als akzeptable, vertrauenswürdige Gesprächs- und Verhandlungspartner, und beide waren Vertreter eines auf direkten und regelmäßigen Dialog ausgerichteten Kurses. Im Juli 2006 marschierte ein massives georgisches Militäraufgebot in den formal zum Territorium der abchasischen autonomen Republik gehörenden, doch von Georgiern kontrollierten oberen Teil der Kodori-Schlucht unmittelbar an der Waffenstillstandslinie ein.

Anlass für die Aktion in dem von nur wenigen Tausend swanetischen Bewohnern besiedelten Bergland war die beabsichtigte Ausschaltung des georgischen Warlords Emzar Kvitsiani: Er hatte das Gebiet über Jahre in Abstimmung mit der Zentralregierung kontrolliert und offenbar als Basis für Waffen- und Drogengeschäfte genutzt, bis er im Frühjahr 2006 Tbilisi die Gefolgschaft aufkündigte und zum offenen Widerstand aufrief. Die Zweifel, ob wirklich nur die Abstrafung Kvitsianis hinter der Militäraktion stand, die einen klaren Verstoß gegen die Bestimmungen den Waffenstillstandsabkommens bedeutete5, nährte Präsident Saakaschwili umgehend selbst: Nach der Vertreibung Kvitsianis führte er für die obere Kodori-Schlucht die verbindliche, bis dahin ungebräuchliche Bezeichnung „Ober-Abchasien“ ein und verlegte den (formalen) Sitz der abchasischen Exilregierung von Tbilisi in ein Dorf der Kodori-Schlucht. Es werde nur noch kurze Zeit dauern, bis sie von (der abchasischen Hauptstadt Suchumi) aus wieder ganz Abchasien regiere, versicherte er bei der feierlichen Eröffnung der „Regierungsgebäude“. Diese gezielte Provokation brachte auf abchasischer Seite Stimmen auf den Plan, die eine „militärische Befreiung abchasischen Territoriums“ forderten und zu den Waffen riefen. Insgesamt reagierte die De-facto-Regierung von Präsident Bagapsch jedoch eher verhalten.

Sie protestierten gegenüber den UN und brachen alle Gespräche mit der georgischen Seite bis zum Abzug aller Bewaffneten aus Kodori ab. Im März 2007 schlugen nachts Raketen in unbewohnte Gebäude in Kodori ein, während zugleich unidentifizierte Helikopter die Schlucht überflogen. Georgien beschuldigte umgehend Russland eines gezielten Angriffs, eine Version, die die Ergebnisse einer aufwändigen Untersuchung unter UN-Verantwortung zwar nicht eindeutig belegen, aber doch suggerieren.

Zweiter Kristallisationspunkt der georgisch-abchasischen Spannungen ist die Gali-Region im Süden Abchasiens, in der nach Schätzungen 50-60 Tausend Georgier leben, die auf eigene Initiative in ihre Häuser auf abchasischem Gebiet zurückgekehrt sind. Erst seit dem Amtsantritt des De-facto-Präsidenten Bagapsch unternimmt die abchasische Seite einige Schritte, diese Georgier aus ihrer Isolation zu befreien und in das politische und wirtschaftliche Leben Abchasiens zu integrieren. Regierung und einige NGOs stoßen dabei aber auf starke Vorbehalte, die in Abchasien noch immer gegenüber diesen „unzuverlässigen Elementen“ bestehen.

Die georgische Regierung beschuldigt ihrerseits die Abchasen der bewussten Diskriminierung der Gali-Georgier. Zugleich unternimmt sie jedoch alles, um einen Erfolg der abchasischen Integrationsbemühungen zu verhindern: So wurde die Teilnahme der Gali-Einwohner an den abchasischen De-facto-Parlamentswahlen im März massiv behindert, in der abchasischen Administration arbeitende Georgier werden bedroht, und die Rückkehr von Flüchtlingen in die Gali-Region wird ausdrücklich nicht sanktioniert.

Zu besonderen Spannungen führten im letzen Halbjahr zwei Fälle

Es handelt sich hier um die die abchasische Verhaftung georgischer Studenten in Gali, die von georgischen Autoritäten geschickt worden waren, um den Verlauf der Parlamentswahlen zu stören, und die Entführung und das anschließende Verschwinden eines in der abchasischen Administration arbeitenden Georgiers offenbar durch Angehörige georgischer Strukturen. Die Freilassung der Studenten durch die abchasische Seite als „Geste guten Willens“ nutzte Präsident Saakaschwili noch am selben Tag, um diesen vor laufenden Kameras Orden als „Helden des Vaterlandes“ zu verleihen. Die Tatsache, dass sich die Regierung Saakaschwili von der (in verschiedenen Dokumenten und Reden auf internationaler Bühne deklarierten) Politik des Vertrauensaufbaus mit der abchasischen Seite bewusst verabschiedet hat, wird auch durch die Rhetorik des Präsidenten deutlich, in der er auf maximale Delegitimierung und Kriminalisierung seiner Opponenten setzt: So sprach er im Zusammenhang mit den abchasischen Parlamentswahlen von einer „Kannibalendemokratie“, die sich nach den „ethnischen Säuberungen“ in Abchasien etabliert habe, und verdoppelte die bisher gebräuchliche Zahlenangabe über Abchasien-Flüchtlinge kurzerhand  von 250.000 auf 500.000.

Gegenüber internationalen Organisationen, die sich für die Rehabilitation der sozialen Infrastruktur und die Stärkung demokratischer Elemente in Abchasien einsetzen und Foren für den georgischabchasischen Dialogprozess anbieten, hat die georgische Regierung seit Sommer 2006 eine kritische bis offen abweisende Haltung eingenommen. Diese betrifft die Europäische Union, deren Rehabilitations-und Demokratisierungsprojekte die georgische Regierung strikt unter ihre eigene Kontrolle stellen will, ebenso wie die Dialogprogramme internationaler NGOs wie Conciliation Resources oder Heinrich-Böll-Stiftung, deren Einladungen zu informellen Treffen mit der abchasischen Seite von Regierungsangehörigen boykottiert werden. In Gesprächen wird erklärt, dass man kein Vertrauen mehr in derartige Projekte zum Vertrauensaufbau habe, da diese ja in vielen Jahren „keinerlei Ergebnisse erbracht“ und nur „die Legitimitätsansprüche der Separatisten“ gestärkt hätten. Treffen sollten, wenn überhaupt, dann nur auf georgischem Boden und zu (für die Gegenseite inakzeptablen) georgischen Bedingungen stattfinden.

Vermutlich sind es die folgenden Gründe, die zu dieser Haltung geführt haben:

  • Die von Russland forcierte Diskussion um einen möglichen Präzedenz-Charakter der (wahrscheinlichen) Unabhängigkeit des Kosovo hat zu hoher Nervosität geführt. Man will auf georgischer Seite unbedingt verhindern, dass den von den Abchasen angeführten Argumenten, warum Abchasien mindestens ebenso wie Kosovo die Unabhängigkeit verdiene, irgendwelche internationale Aufmerksamkeit zuteil wird.
  • Die Sorge, der angestrebte georgische NATO-Beitritt könne entweder durch den Fortbestand des Abchasiens-Problems ganz verhindert werden oder führe aber zur möglichen endgültigen Abspaltung der Region. Zwar hat die NATO mittlerweile versichert, Russland dürfe über die georgischen Sezessionskonflikte kein „Veto-Hebel“ gegen einen georgischen NATO-Beitritt in die Hand gegeben werden, doch bleiben in diesem Zusammenhang noch viele Fragen offen.
  • Die 2008 bevorstehenden georgischen Präsidentschaftswahlen, bei denen der Präsident zumindest „Teilerfolge“ wie die „Rückgewinnung von Ober-Abchasien“ präsentieren will.
  • Die Konzentration auf Südossetien, das als erster der Konflikte „geregelt“ werden soll bei gleichzeitigem Fehlen einer Strategie für Abchasien; solange aber will man zumindest keine unabhängigen, der eigenen Kontrolle entzogenen Prozesse zulassen. Leider stärkt der derzeitige Zustand der georgisch-abchasischen Beziehungen die Kräfte in Abchasien, die allein in der ausschließlichen Anbindung an Russland die Garantie für das physische Überleben und die wirtschaftliche Entwicklung der Abchasen sehen, und schwächt diejenigen, die sich Alternativen jenseits der russischen Option wünschen. Trotz eindeutiger Absage an die Zugehörigkeit zu Georgien bleibt bei ihnen dennoch immer das Warten auf eine Veränderung der georgischen Politik und mögliche konstruktive Angebote gegenüber Abchasien spürbar. Grund dafür ist, dass viele Abchasen sich darüber bewusst sind, dass die drohende schleichende Annexion an Russland keine gute Option für sie ist, wollen sie doch in erster Linie ihre kulturelle, sprachliche und gesellschaftliche Eigenständigkeit bewahren. Daher auch das immer wieder unterstrichene Interesse an Kontakten mit der Europäischen Union, die – obwohl in der Frage der territorialen Integrität eindeutig auf Georgiens Seite – dennoch als Partner bei der Entwicklung möglicher Zukunftsoptionen gefragt ist.

In georgischem Interesse muss festgehalten werden, dass sich anders als durch langfristigen Vertrauensaufbau und durch konstruktives Engagement mit der abchasischen Seite sich die Reintegration Abchasiens nicht bewerkstelligen lässt, wenn sie denn friedlich erfolgen und nicht nur das abchasische Territorium, sondern auch die heutige Bevölkerung umfassen soll. (...)