Gelb gegen Rot – eine thailändische Farbenlehre

Jour Fixe über die Chancen der Demokratie in Thailand am 3. Februar

10. Februar 2009
Von Stefan Schaaf
Von Stefan Schaaf

Die politische Krise in Thailand dauert nun schon mindestens seit 2006 an, als das Militär den damaligen Ministerpräsidenten und Mobilfunk-Tycoon Thaksin Shinawatra aus dem Amt putschte. Sie gipfelte letzten November in der Besetzung des internationalen Flughafen Bangkoks durch die als Ausdruck ihrer Königstreue in gelbe Hemden gekleideten Thaksin-Gegner von der People’s Alliance for Democracy (PAD) und danach in der Absetzung der Thaksin-getreuen Regierung durch den Obersten Gerichtshof. Die Krise ist damit nicht beendet: Ende Januar gingen 30 000 Anhänger Thaksins – in roten Hemden – erneut auf die Straße. Sie forderten die Rückkehr des exilierten Regierungschefs und eine Fortsetzung des demokratischen Prozesses durch Neuwahlen ohne Einmischung von außen.

Die gelben Hemden, so fasste es der Bangkoker Politologe und Publizist Kasian Tejapira beim Jour Fixe der Heinrich-Böll-Stiftung am 3. Februar zusammen, identifizieren sich mit dem König und der Monarchie als Regierungsform. Deswegen sehe es so aus, als handle es sich um einen Konflikt zwischen Thaksin und König Bhumipol.

Aber eigentlich sei es ein sozialer Konflikt, ein Klassenkonflikt zwischen den Gewinnern und den Verlierern der Globalisierung in Thailand. In den 1990er-Jahren seien dort einige Leute in wenigen Jahren zu Milliardären geworden – unter ihnen auch der erfolgreiche Unternehmer Thaksin. Die Verlierer dieses Prozesses konnten ihr Leben auf dem Land nicht weiterführen, da dessen Grundlagen durch den wirtschaftlichen Boom zerstört wurden. Sie wanderten in die Städte, wo ihnen aber auch nur eine marginalisierte Existenz in der informellen Ökonomie möglich war. In der Asienkrise von 1997 wurde ihnen klar, dass sie die Staatsmacht in die Hand bekommen müssen, um die Globalisierung der Wirtschaft in ihrem Sinne zu managen und ihre Interessen gegenüber einer „dummen Regierung“ zu wahren, sagte Kasian Tejapira. Auf der anderen Seite gab es die alte Führungsschicht der einheimischen Wirtschaft Thailands, die sich gleichfalls vom rapiden Wandel und der schmalen, neureichen Elite bedroht fühlte.

Für Demokratie oder für den König – eine falsche Alternative

Der zweite Gast aus Thailand war Supinya Klangnarong, die Koordinatorin des Thai Netizen Network und früher eine Anhängerin der PAD.  Thaksins Regime habe grundlegende Rechte wie die Meinungsfreiheit verletzt, erklärte sie. Sie selbst wurde von Thaksin wegen Verleumdung angeklagt. Hinzu kamen die Korruptionsvorwürfe gegen ihn, der vom Unternehmer zum Politiker gewechselt hatte. Damals war die PAD, so Supinya, Teil einer lebendigen zivilgesellschaftlichen Bewegung. Doch sie sei schockiert gewesen, dass das Militär im September 2006 die Proteste gegen Thaksin als Vorwand für den Putsch genommen hatte. Danach sei sie auf Distanz zur PAD gegangen.

Nun stehe die thailändische Zivilgesellschaft vor einer Krise, in der die demokratischen Standards und die Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden. Man werde heftig unter Druck gesetzt, sich zwischen dem „gelben“ Lager, das bei offen getragener Königstreue vorgeblich für Demokratie eintrete, und dem „roten“ Lager, das auch für Monarchie, die Nation und die arme Landbevölkerung streite, zu entscheiden. Wer einen dritten Weg suche, habe nichts zu lachen, es gebe zahlreiche Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

Kritische Berichte in internationalen Medien über Thailand führten zu direkter Zensur: So wurde z. B. die Auslieferung des britischen Economist dreimal in den letzten zwei Monaten verboten. Beleidigung oder Missachtung eines Gerichts kann ohne Verfahren mit Haftstrafen belegt werden. Stellungnahmen gegen die Monarchie werden nach dem Gesetz über lèse majesté (Majestätsbeleidigung) mit drei bis 15 Jahren Haft geahndet. Die Verurteilungen wegen Majestätsbeleidigung haben unter der neuen Regierung seit Mitte Dezember 2008 zugenommen.

Majestätsbeleidigung und Internet-Zensur

Schon die Androhung der Strafe hemmt den politischen Diskurs, viele Fragen können in Thailand nicht öffentlich debattiert werden. Dies wirkt sich insbesondere auf die Öffentlichkeit im Internet aus. Nach dem Militärputsch von 2006 wurden Websites gesperrt, weil sie in den Augen des Militärs der nationalen Sicherheit schaden könnten. Nutzer von Internet-Cafés müssen ihre Personalien angeben, ihr Surfverhalten im Netz wird 90 Tage gespeichert. Inzwischen hat eine Graswurzel-Kampagne begonnen, das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung abzuschaffen.

Heike Löschmann, von 2000 bis Ende 2008 Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung im thailändischen Chiang Mai, fügte hinzu, sie habe es als positiv empfunden, als Ausländerin nicht vor die Wahl gestellt zu werden, Partei für ein Lager ergreifen zu müssen. Beide Lager behaupteten von sich, für die Demokratie zu streiten, was auch die europäischen Medien nur unzureichend erläutert hätten. Beide Parteien, so Löschmann, hätten bei ihrem Bestreben, ihr politisches Ziel zu erreichen, demokratische Prinzipien verletzt. Beide hätten mit paternalistischen Methoden Anhänger zum Mitmachen gedrängt und zur Loyalität gezwungen. Von da an sei es nur noch ein kleiner Schritt zur zentralen Forderung der People’s Alliance for Democracy (PAD) gewesen, das Land von ernannten statt von gewählten Politikern regieren zu lassen. Auf der anderen Seite habe auch Thaksin seine immense wirtschaftliche Macht genutzt, um politische Loyalitäten aufzubauen und Institutionen in sein Lager zu ziehen. Für Heike Löschmann stellt sich, ähnlich wie für Professor Kasian, der Konflikt in Thailand als ein ökonomischer Machtkampf zwischen alten und neuen Eliten dar: Thaksin als international engagierter Unternehmensführer, der von der Globalisierung profitiert habe, im Widerstreit mit den gelben Hemden, den nationalistischen Monarchisten, die ihre traditionelle Macht bedroht sehen. Thaksin habe die Monarchie herausgefordert und so den Auslöser für die Proteste geliefert.

Institutionen-Wirrwarr und entfesselte Globalisierung

Die Ausschreitungen drängten die übrigen Institutionen, ob Justiz, Militär oder das sog. Privy Council, das Beratergremium des Königs, an den Rand. Lange hätten diese, so Professor Kasian, als nicht gewählte Kontrollinstanzen der demokratischen Organe gedient. Nun richtete sich an diese Institutionen der Appell der gelben Hemden, Thaksin in die Schranken zu weisen.

Längst bemühe sich der neue Regierungschef Abhisit Vejjajiva um eine Stabilisierung und den Rückgewinn des ausländischen Vertrauens bei Investoren und auch Touristen. Die wirtschaftlichen Perspektiven seien für ein exportorientiertes und durch kräftiges Wachstum verwöhntes Land derzeit düster. Für Professor Kasian ist dies eine perfekte Gelegenheit, den thailändischen Weg der Globalisierung auf den Prüfstand zu stellen und ihn zu korrigieren. Die Wirtschaft des Landes müsse gestärkt und auf breitere Füße gestellt werden, bevor sie sich wieder öffnen könne. Der gegenwärtigen Regierung traue er dies aber nicht zu, für ihr Überleben sei sie zu sehr auf die Militärs und die Justiz angewiesen.
Die Diskussion des Abends bot einige Hilfestellung beim Entwirren der thailändischen Krise. Gern hätte man etwas mehr über die Rolle des heute 81-jährigen Königs Bhumipol und die Zukunft der Monarchie in Thailand erfahren. Er hat sich in der Krise bislang zurückgehalten, zwar den Putsch von 2006 gegen Thaksin unterstützt, aber nicht nur der Economist glaubt (so war es im Dezember – wenn auch nicht in Thailand – in der internationalen Ausgabe des Economist zu lesen), dass vergangene Taten und Unterlassungen des Monarchen ihren Teil zur aktuellen Krise beigetragen haben.

Jour Fixe