Deutsche Zusammenfassung der Publikation: International Resource Politics

20. Juni 2012

Die natürlichen Ressourcen sind wieder auf der Tagesordnung. Nach dem Aufstieg neuer Wirtschaftsmächte wie China, Indien und Brasilien hat der globale Wettbewerb die strategischen Bedenken hinsichtlich hoher Rohstoffpreise und möglicher Versorgungslücken spürbar ansteigen lassen. Deutschland, die EU, die USA und viele andere Länder haben inzwischen Rohstoffstrategien formuliert, in denen der Zugang und die Versorgung mit natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt gestellt werden.

Dieses Papier betont eine neue Dimension der internationalen Beziehungen und plädiert für neue Ansätze im Rahmen einer internationalen Ressourcenpolitik. Was neu ist und im gesamten Papier betont wird, ist das Zusammenwirken von Knappheiten kritischer Ressourcen mit zwei Herausforderungen:

  • die Verringerung von Umweltwirkungen von Ressourcen entlang ihres Lebenszyklus;
  • die sozio-politische Aufgabe, auf internationaler Ebene Menschenrechte und Freiheit umzusetzen und Armut abzubauen.

Diese beiden Dimensionen werden in strategischen Studien zu Ressourcen häufig vernachlässigt. Hier wird jedoch ihr strategischer Charakter für die weltweiten Bestrebungen für die „Green Economy“ und den bevorstehenden Rio+20-Gipfel in Rio de Janeiro betont: Erstens können Umweltvorteile in Industrieländern mit einer Problemverlagerung in ärmere Regionen der Welt zusammenfallen. Biokraftstoffe sind ein neueres Beispiel für eine solche Problemverlagerung. Wichtige Sektoren im Wandel (zum Beispiel Energie, Verkehr, Landwirtschaft) und innovative grüne Technologiefelder (Solar, Wind, Elektroautos etc.) werden auch weiterhin endliche Ressourcen verwenden müssen, die oft in Ländern mit einer schwachen Regierungsführung und einer schlechten Bilanz der Menschenrechte abgebaut werden. Zweitens sind wirtschaftliche Vorteile von Ressourceneffizienzmaßnahmen in den Sektoren des verarbeitenden Gewerbes solange unbefriedigend, wie die entsprechenden Produkte am Ende ihres Lebenszyklus als gefährliche Abfälle in den ärmeren Regionen landen. Ohne explizite internationale Dimension steht den Ressourceneffizienzstrategien ein harter Kampf gegen bestehende Verzerrungen und unfairem Wettbewerb bevor. Drittens setzt ein endlicher Planet mit „planetaren Grenzen“ bei den wichtigsten ökologischen Parametern (von denen einige bereits überschritten sind) Grenzen für das Substituieren einer endlichen Ressource (wie Land) durch eine andere (wie fossile Brennstoffe) und umgekehrt. „Business as usual“ ist keine Option  – nicht für die Akteure, nicht für die Länder.

Dieses Papier beabsichtigt für eine internationale Ressourcenpolitik zu sensibilisieren und sie als ein neues Element in den laufenden Debatten zu „Green Economy“ und „Transition“ zu begreifen.

Kapitel 2 erläutert die Mehrdimensionalität von kritischen Ressourcen und illustriert die Profile von fünf Mineralien mit Relevanz für eine grüne Wirtschaft: Phosphor ist ein Mineral, das für den Agrarsektor und die weltweite Nahrungsmittelproduktion unabdingbar ist; Koltan/Tantal ist wegen illegalen Handels und den damit verbundenen regionalen Konflikten, vor allem in Afrika, ein so genanntes Konfliktmineral. Seltene Erden zeigen eine starke Abhängigkeit von China als einzigem Ausfuhrland; Platinmetalle (hier vor allem Platin und Palladium) sind Materialien, die technologisch derzeit schwer zu substituieren sind; Kupfer ist ein Massenmaterial mit nicht nur großer Bedeutung für grüne High-Tech-Produkte, sondern auch unentbehrlich für alle Energieinfrastrukturen.

Die wichtigste Botschaft ist, dass Kritikalität ein mehrdimensionales Konzept ist, das auch die ökologische Dimension sowie die Menschenrechte einbeziehen sollte. Kritische Metalle sind zunehmend relevant für grüne Technologien; Phosphor ist wichtig für die Lebensmittelversorgung. Allerdings sollten sich die Risiken und Gefahren der Gewinnung dieser Ressourcen aus einer ganzheitlichen Betrachtung herleiten, die sowohl geopolitische Faktoren, das Ressourcenmanagement bei der Verwendung als auch den Klimawandel und andere Herausforderungen berücksichtigt.

Kapitel 3 befasst sich mit potenziellen Zielkonflikten und konkurrierenden Interessen inmitten einer Vielzahl von Akteuren und soll die Debatte über Chancen, Synergien, Kompromisse und Transformationsstrategien anregen. Entlang der Wertschöpfungskette von Ressourcen gibt es eine große Vielfalt an Akteuren: Bergbau-Unternehmen und -Ministerien, Raffinerien, Hütten, weiterverarbeitende und Fertigungsindustrie, Umweltindustrie, NGOs, besorgte Bürger, Endverbraucher. Ressourcenmanagement vernetzt den Globus; und die Koordination des Ressourcenmanagements sollte daher einem Bottom-up-Ansatz und einer polyzentrischen Mehrebenensteuerung folgen, der diese Akteurs- und Institutionenvielfalt berücksichtigt. Ein Schlüssel dazu ist, die globalen Verschiebungen aus den OECD-Ländern zu neuen Akteuren in der Welt anzuerkennen. Die Komplexität der globalen Lieferketten erschwert die Transparenz: Während die Hauptverantwortung stromaufwärts im Bereich des Bergbaus liegt, wo die Gewinne und Innovationen oft niedrig sind, ist Glaubwürdigkeit hauptsächlich assoziiert mit den nachgelagerten Branchen im Technologiesektor, wo die Innovationen hoch sind und Wachstum geschaffen wird. Eine verstärkte Zusammenarbeit und Anreize entlang der gesamten Stoffströme sind erforderlich.

Kapitel 4 diskutiert die Notwendigkeit von Visionen und schlägt Prinzipien für eine faire Zukunft der Ressourcennutzung vor. Der Bedarf nach Visionen ergibt sich im Grunde genommen aus der derzeitigen Desorientierung: Werden die Preise weiter steigen? Sollen die entwickelten Länder ihre Ressourcennutzung verringern, obwohl die geophysikalischen Knappheiten bestritten werden? Vor dem Hintergrund des Multikritikalitätskonzepts und der Heterogenität von Akteuren und ihrer Interessen können Visionen und neue Prinzipien Orientierung geben, bei Entscheidungsprozessen helfen, die trotz Ungewissheiten getroffen werden müssen, und normative Bedingungen im Hinblick auf Entwicklung und Nachhaltigkeit formulieren. Das Kapitel beginnt mit einer kurzen Diskussion von sieben Prinzipien eines nachhaltigen Ressourcenmanagements. Im nächsten Schritt nähert es sich der Freiheit als normativer Forderung und den elementaren Vorbedingungen für Freiheit – die Bereitstellung und Aufrechterhaltung einer angemessenen Ressourcenbasis, insbesondere für die Lebensmittel- und Wasserversorgung, aber auch die lebensunterstützenden Funktionen der natürlichen Ressourcen und Ökosysteme. Die Beseitigung von Armut geht Hand in Hand mit der Bereitstellung einer ausreichenden Versorgung mit natürlichen Ressourcen für die Armen. Zu Gunsten einer Ressourcenverbrauchsverringerung in Industrieländern spricht, dass sie Umweltbelastungen reduziert und Raum für die Entwicklung der armen Länder schafft.

Kapitel 5 wirft einen Blick auf Steuerungs- und Marktdefizite und die Erfahrungen bestehender Initiativen, Instrumente und Ansätze. Die letzten Jahre haben eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung der Governance natürlicher Ressourcen erlebt. Unter Anerkennung dieser viel versprechenden Vorstöße konzentriert sich dieses Papier auf Transparenz, Zertifizierung und die Art und Weise, wie Initiativen und Politik interagieren, ohne jedoch eine vollständige Evaluation vornehmen zu können. Die kurze Erörterung von EITI, dem Dodd-Frank-Act und einer Reihe von weiteren Instrumenten zeigt, dass ein enger thematischer Fokus eine Stärke sein kann, weil er das Handeln erleichtert. Allerdings erfordern die derzeitigen Defizite stärkere Lenkungsmechanismen und einen gravierenden Ausbau der vorhandenen Instrumente und Initiativen sowie ökonomische Anreize, um der globalen Übernutzung der Ressourcen, den Rebound-Effekten und den Problemverlagerungen zu begegnen und die Chancen und Verantwortlichkeiten in den industrialisierten Ländern zu benennen. Darüber hinaus scheinen neue, hybride Formen der Steuerung dort aufzutauchen, wo sich auch formale Regulierungen und stakeholder-initiierte Aktivitäten in Industrieländern und lokale Gruppen in Entwicklungsländern, NGOs und Unternehmen herausbilden. Hybride Lenkungsmechanismen werden durchsetzungsfähiger, wenn sie sich die Marktzugänge in den USA und der EU zu Nutze machen.

Kapitel 6 schlägt neue Handlungsoptionen für Interessengruppen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Zivilgesellschaft und Regierungen gleichermaßen vor. Deutschland und die EU haben gute Gründe sich ihrer Verantwortung zu stellen. Die EU ist der größte Rohstoffimporteur der Welt (nicht China oder die USA), und Deutschland ist das größte Produktionszentrum innerhalb der EU. Das bedeutet, dass seine Industrie und Landwirtschaft sowohl Importeure als auch Exporteure von Ressourcen sind. Darüber hinaus und ebenfalls anders als häufig angenommen wird, ist die EU der größte Verbraucherbinnenmarkt der Welt – mit zahlreichen Hebelwirkungen für den Marktzugang.

Der Wandel muss zu Hause beginnen: Zukünftige Selbstverpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten für die Einsparung von Ressourcen, d.h. eine absolute Entkopplung der Ressourcennutzung (gemessen am globalen Materialaufwand oder einem ähnlich umfassenden Indikator) vom BIP muss zentral in einer solchen Strategie sein; ähnliche Verpflichtungen von Großunternehmen sollten ermuntert werden. Das eigene Haus in Ordnung zu halten ist ein wichtiger Bestandteil für die Glaubwürdigkeit und die Einstimmung der Marktakteure auf langfristige Veränderungen.

Eine internationale Ressourcenpolitik könnte mit der Stärkung bestehender Initiativen beginnen und weitere Schritte vom Wissen zum Handeln mittels eines internationalen Datencenters, einer internationalen Ressourcenagentur und einem Multi-Stakeholder-Forum vollziehen. Darüber hinaus gehende Aktivitäten sollten Politiken für Phosphor und die internationale Rückgewinnung von Metallen sowie die Transformation bilateraler Abkommen hinsichtlich eines nachhaltigen Ressourcenmanagements beinhalten. Die langfristige Perspektive ist der Übergang zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft.

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