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Mit vielen Schritten zur frauenrechtlichen Moderne

Versammlung einer Frauengruppe in einer ausgebrannten Kirche in Rikkos, Nigeria.
Foto: MikeBlyth (Quelle: Flickr.com). Dieses Foto steht unter einer Creative Commons-Lizenz.

1. März 2010
Von Renate Wilke-Launer
Von Renate Wilke-Launer

Nigeria ist ein Land, in dem als «traditionell» verstandene oder legitimierte Geschlechterrollen eine erhebliche Bedeutung haben – mehr noch als in anderen afrikanischen Ländern. Die vergleichsweise große ökonomische Autonomie von Frauen (Millionen arbeiten als Kleinhändlerinnen und in anderen Bereichen des informellen Sektors, viele aber auch in qualifizierten Positionen) hat keine grundlegende Modernisierung der Geschlechterrollen in der Gesellschaft bewirkt. Insbesondere die Frauen in Nigerias Norden haben unter einem traditionalistischen Patriarchat zu leiden. Anzeiger dafür sind niedrigerer Bildungsgrad, höhere Müttersterblichkeit, schlechterer Zugang zu ökonomischen Ressourcen sowie eine hohe Rate an häuslicher Gewalt gegen Frauen. Frauenpolitische Fortschritte sind in Nigeria nur mit größten Mühen zu erzielen. Auch die neue Regierung unter Präsident Yar ’Adua hat hier wenig Initiative gezeigt. Führende Politiker aus allen Landesteilen bekämpfen alle Versuche in Nigeria moderne frauenrechtliche Bedingungen herzustellen.

Gut organisierte Frauengruppen

Das aber wollen verschiedene Gruppen endlich durchsetzen. Die Frauenorganisationen gehören zu den am besten organisierten Gruppierungen der nigerianischen Zivilgesellschaft. Das Women Advocates and Research Documentation Centre (WARDC) versucht die Teilhabe von Frauen im Bundesstaat Ogun zu erhöhen. Dazu werden Frauen in dreitägigen Ausbildungskursen auf die Auseinandersetzung mit Abgeordneten vorbereitet. Zu «Accountability Fora» in den beiden größeren Städten Abeokuta und Ota kamen 2008 insgesamt über 600 Frauen zusammen, um Landes- und Kommunalpolitiker mit ihren Fragen und Problemen zu konfrontieren. Abgeordnete gewähren auf diesen Veranstaltungen Einsicht in ihre Planungen und müssen später Rechenschaft dafür ablegen. Der stellvertretende Parlamentspräsident von Ogun versprach 2008 vollmundig, den nicht anwesenden Abgeordneten 27 ihrer Anliegen vorzutragen und sie zu ermuntern etwas dafür zu tun.

Lobbyarbeit für Strafverfolgung bei sexueller Belästigung und Gewalt

Im nigerianischen Strafrecht gibt es bislang keine Vorschrift zur Ahndung von sexueller Belästigung und Gewalt. Das Women’s Aid Collective (WACOL) hat den Entwurf einer «Policy on Sexual Harassment» vorgelegt und dazu ein Forum abgehalten. Daraus entstand nicht nur ein «Aktionstag gegen sexuelle Belästigung», es wurden auch Polizisten und Juristen für die Bearbeitung solcher Fälle geschult. Die National University Commission richtete eine Art schnelle Eingreiftruppe ein, die einzelnen Fällen nachgehen soll. Am Ende beteiligte sich sogar das Justizministerium an der Erarbeitung des Entwurfs.

Genderbudgeting für Parlamentarier und Vertreter der Finanzministerien

Weil ohne Geld auch in Nigeria nicht viel zu bewegen ist, werden neue Parlamentarier vom Centre for Democracy and Development (CD) mit Gender Budgeting vertraut gemacht. 27 Personen – 2 Männer und 25 Frauen – ließen sich 2008 interessieren, 20 von ihnen gehören dem Bundesparlament an. Zum Nachlesen und für alle anderen wurde zusätzlich ein Handbuch herausgegeben. Einige der in den Bundesstaaten geschulten Parlamentarier und Vertreter der Finanzministerien (40 Männer, 21 Frauen) haben bereits konkrete Schritte unternommen, um zumindest Elemente dieser Art der Budgetallokation einzuführen. Im Edo-Bundesstaat wurden alle Ministerien schriftlich angewiesen «Gender» in ihren Budgetlinien zu berücksichtigen.

Der Text ist der Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung "Geschlechterpolitik macht einen Unterschied" entnommen.