Alfred Bitini Xuma wird am 8. März 1893 in eine aristokratische, sehr christliche Xhosa-Familie in der Transkei geboren. Er durchläuft die Wesleyan Mission School in Manzana und wird in Pietermaritzburg zum Lehrer ausgebildet. 1913 geht er für 14 Jahre ins Ausland. Am Tuskegee-Institut von Booker T. Washington in Alabama macht er ein Diplom in Landwirtschaft (tagsüber arbeitet Xuma im Stahlwerk, nachts studiert er), in Milwaukee und Chicago studiert er Medizin, geht dann nach Europa und spezialisiert sich auf Gynäkologie, Geburtshilfe und Chirurgie.
1927 kehrt er nach Südafrika zurück und eröffnet im Township Sophiatown eine chirurgische Praxis. 1931 heiratet er die aus Liberia stammende Priscilla Mason, die drei Jahre später bei der Geburt des zweiten Kindes stirbt. 1940 ehelicht er in Kapstadt die Amerikanerin Madie Beatrice Hall, die später erste Präsidentin der ANC Women’s League wird.
Xuma kommt schnell mit der Politik in Berührung. 1935 wird er zum Vizepräsidenten der „All-African Convention“ (AAC) gewählt. Als es in der Gruppe zum Streit kommt und einige AAC-Führer in den ANC wechseln, wird er von ANC-Generalsekretär Calata ermutigt, zu kandidieren; 1940 wird Xuma mit nur einer Stimme Mehrheit neuer ANC-Präsident.
Als er sein Amt antritt, steht der ANC kurz vor dem Exitus. „Damals war der ANC am Rande des Zusammenbruchs“, erinnert sich Xuma später, „Ortsverbände waren nicht mehr existent, die Bankkonten leer, das vergangene Jahrzehnt war von Streitereien und einsamen Entscheidungen geprägt.“ Xuma strafft die Organisation, sorgt für eine ordentliche Mitgliederkartei, revitalisiert mühsam die Ortsvereine und saniert die Finanzen. Am Ende seiner Amtszeit sind aus den rund 1000 Mitgliedern 5000 geworden, die Anhängerschaft wächst, statt Schulden hat der ANC Geld auf dem Konto, eine solide Verfassung und ein Aktionsprogramm.
Mit Vertretern der indischen Volksgruppe, zwei anderen Doktoren, vereinbart er 1947 eine enge Zusammenarbeit („Doctor’s Pact“). Als ANC-Veteranen vor einer dominierenden Rolle der Inder warnen, meint Xuma: „Wenn Sie Ihrem Nachbarn nicht ohne Furcht auf gleicher Augenhöhe begegnen können, stimmt mit Ihnen etwas nicht. Sie akzeptieren eine unterwürfige Position ihm gegenüber.“
Für die ungeduldigen jungen ANC-Mitglieder gehört Xuma zur alten Garde, die auf Petitionen, Reden, Verhandlungen setzt - Gentlemen-Politik in britischer Tradition. Sie fordern aktivere Antworten auf die zunehmende Repression, setzen auf Boykottaktionen, passiven Widerstand, den Druck der Straße. Als Nelson Mandela, Walter Sisulu und andere 1942 die Bildung einer ANC Youth League (ANCYL) vorschlagen, gibt Xuma nur zögernd nach – er stellt sicher, dass der ANC bei der neuen Parteigruppierung das letzte Sagen hat.
Nach dem Sieg der Nationalen Partei 1948 wird der Druck auf Xuma immer stärker. Bislang hat er Massenaktionen unter Hinweis auf die noch nicht ausreichende Organisationsfähigkeit des ANC abgelehnt. Als ihm die ANCYL-Führung im November 1949 bei den Wahlen auf der Jahres-Konferenz Unterstützung anbietet, falls er ihr Aktionsprogramm mit trage, ist Xuma sauer: Erpressen lassen werde er sich nicht, sagt er, und wirft Mandela, Sisulu und die anderen aus seinem Haus. Auf ihr Betreiben wird Xuma dann von seinem Amt abgewählt wie auch der ebenso bedächtige Generalsekretär Calata: Walter Sisulu erhält eine Stimme mehr.
Xuma konzentriert sich auf seine Arztpraxis, engagiert sich in der Wilberforce Institution in Sharpeville – neben dem Ohlange Institute von John Dube die einzige Schule, die damals von Afrikanern gegründet worden ist – und in der Methodistischen Kirche.
Dr. Alfred Bitini Xuma stirbt im Januar 1962 im Alter von 68 Jahren im Baragwanath-Hospital in Johannesburg. Sein ehemaliges Wohnhaus in der Toby Street ist heute ein Nationaldenkmal und das Sophiatown Museum.
Quelle: www.anc.org.za
Dossier
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