Zur Schließung des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Äthiopien

Archive

Äthiopien verfolgt seit langem ein autoritäres Entwicklungsmodell. In den letzten Jahren wurden jedoch die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit noch einmal drastisch eingeschränkt. Mit der äthiopischen Gesetzgebung zur Rolle und Arbeitsweise von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) im Jahr 2009 wurde ein neuer Höhepunkt der politischen Kontrolle und Einschränkung der Handlungsfreiheit der Zivilgesellschaft erreicht. Das Gesetz verbietet weitgehend zu Themen wie Menschenrechten, Demokratie, Gender oder Konfliktbearbeitung zu arbeiten. Dieses Verbot gilt nicht nur für alle internationalen Nichtregierungsorganisationen, sondern auch für einheimische NGOs die mehr als 10% ihres Budgets aus dem Ausland erhalten. Zivilgesellschaft wird auf die Funktion reduziert, entwicklungspolitische Regierungsziele umzusetzen. Entpolitisierung und eine Kultur der Selbstzensur sind die Folge.

Auch der Heinrich-Böll-Stiftung blieb, um den legalen Status in Äthiopien nicht zu verlieren, zunächst nichts anderes übrig, als sich unter dem neuen NGO-Gesetz registrieren lassen. Als Alternative zum NGO-Gesetz haben wir uns deshalb um den Abschluss eines bilateralen Abkommens mit der äthiopischen Regierung bemüht. Die Heinrich-Böll-Stiftung versprach sich davon größere Handlungsmöglichkeiten für die Stiftung selbst, sowie bessere Möglichkeiten zur Unterstützung unserer äthiopischen Partnerinnen und Partner. Trotz hochrangiger Unterstützung durch die Bundesregierung zogen sich die Gespräche über drei Jahre hin. Ein schließlich im April 2012 von der äthiopischen Regierung vorgelegter Textentwurf bestätigte, dass eine unabhängige politische Arbeit auch nach Abschluss eines bilateralen Abkommens nicht möglich gewesen und die Heinrich-Böll-Stiftung in ihren Möglichkeiten extrem eingeschränkt geblieben wäre. Zudem unterliegen gegenwärtige und potentielle Partnerorganisationen weiterhin den Regelungen des NGO-Gesetzes und könnten daher in Kernbereichen der Stiftungsarbeit nicht agieren.

Unter diesen Bedingungen kann das Landesbüro den Auftrag der Stiftung, demokratische Teilhabe, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung zu fördern, auf absehbare Zeit nicht erfüllen. Daran hat auch der Tod von Premierminister Meles Zenawi im August 2012 nichts geändert, da sich die neue Regierung der Fortsetzung seiner Politik in allen Bereichen verschrieben hat. Die Auflösung der Präsenz der Stiftung in Äthiopien soll daher auch ein Zeichen des Protests gegen die fortschreitende Einschränkung von Bürgerrechten und demokratischer Entwicklung bedeuten.