2. September 2005
Seit dem 11.9.2001 und dem Boom des Idioms vom clash of cultures ist auch das Problem religi-ös begründeter Politik wieder präsent. Die Faszination des Grauens geht aus vom religiös ver-brämten, terroristischen Islamismus; hinzu kommt verschärfend die Reaktion der amerikanischen Politik, die einen christlich konnotierten militärischen Feldzug des Guten gegen das Böse insze-niert. Die Welt erlebt eine (lang vergessene) politische Mobilisierungskraft, die Religion als politi-scher Faktor auch des christlichen Fundamentalismus hervorzubringen vermag.
Über jeder Reflexion hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Politik schwebt immer der Begriff der Säkularisierung. Deshalb wird eine Werkstatt, die das Verhältnis von Religion und Politik behandelt, zunächst diesen Begriff und seine Implikationen genauer betrachten. Historisch gesehen, umfasst der Begriff der Säkularisierung eine Dialektik, die zwischen Entklerikalisierung, Entkirchlichung, Entchristianisierung und der Verlagerung oder Übertragung transzendent begründeter Werte auf weltliche Instanzen (Sakralisierung) oszilliert. Wir schlagen vor, diese dialektische Spannung zu polarisieren, um analytisch präzise die verschiedenen Positionen bearbeiten und diskutieren zu können. Bei dieser Thematik werden wir uns notwendigerweise vorwiegend im christlichen und post-christlichen Raum bewegen. In keinem anderen Religions- oder Kulturraum hat die Säkularisierung eine derartig historisch einschneidende Rolle gespielt – das gilt für beide Bedeutungen von ‚Säkularisierung’. Wo, wie in jüdischen Religionsgemeinschaften, die Säkularisierung wichtige Spuren hinterlassen hat, stellten diese eine Reaktion auf den christlichen Säkularisierungsprozess dar, gleichgültig ob diese Reaktion in der Entstehung der Reformbewegung oder der Orthodoxie bestand.
Wie stellt sich heute, vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen zur Säkularisierung, der Zusammenhang von Politik und Religion in den europäischen Gesellschaften dar? Und ließe sich das Verhältnis zwischen Politik und Religion nicht aus einer Perspektive denken, die (religionshistorische) Aufklärung und „Übersetzungs“-tätigkeit als mögliche politische Aufgabe darstellen könnte?
ReferentInnen
Dr. Tine Stein (Freie Universität Berlin, Grüne Akademie)
Prof. Dr. Heiner Bielefeldt (Deutsches Institut für Menschenrechte)
PD Dr. Susanne Lanwerd (Freie Universität Berlin)
Prof. Dr. Christina von Braun (Humboldt-Universität zu Berlin, Grüne Akademie)
u. a.
Das Werkstattgespräch wurde im Rahmen der Schriftenreihe der Grünen Akademie veröffentlicht. Die Publikation steht als Download zur Verfügung.