Seminar in Kooperation zwischen Heinrich-Böll-Stiftung und Progressives Zentrum
Berlin, 20. Mai 2010
Die Heinrich-Böll-Stiftung und das Progressive Zentrum diskutierten am 20. Mai 2010 in einem Seminar mit ExpertInnen aus Politik und Wissenschaft die Linien progressiver Reformpolitik seit den 90er Jahren, die insbesondere als Dialog zwischen sozialdemokratischer und grüner Erinnerung und Auswertung bisher eher verhalten geführt worden ist. In ihren einführenden Beiträgen verwiesen Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, und Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Progressiven Zentrums, auf den Ansatz dieser gesellschaftspolitischen Ambitionen in der kulturellen Hegemonie, die die „linke Mitte“ in den westlichen Industriestaaten der neunziger Jahre hatte. Mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Erfolgen, aber doch unter vergleichbaren Rahmenbedingungen machten sich Bill Clintons „Democrats“ in den USA, Tony Blairs „New Labour“ in Großbritannien und ab 1998 auch Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer auf den Weg, ihre Gesellschaften zu modernisieren und eine neue Balance zwischen Staat und Mark zu finden. Die neuen Ansätze einer linken Reformpolitik sorgten damals unter dem Label „Dritter Weg“ bzw. „Third Way“ international für Furore. Heute ist dieser Begriff eher zum „Anathema“ geworden, wie Ralf Fücks analysierte. Vom damaligen Elan scheint wenig geblieben – vielmehr erscheint der Begriff „Reform“ gründlich diskreditiert, und viele Linke halten den ganzen Ansatz der „Third Way Politics“ inzwischen für eine Verirrung, die für die Krise der Sozialdemokratie und das Scheitern von Rot-Grün verantwortlich sei. Außerdem haben sich die Rahmenbedingungen für politisches Handeln seit Ende der 1990er Jahre dramatisch geändert: Beschleunigung von Denationalisierung und Globalisierung, Krise des Sozialstaats, gesellschaftliche Ausdifferenzierung und Individualisierung, IT-Revolution und Wissensgesellschaft, Migration, Ausweitung prekärer Beschäftigung zu Lasten des Normalarbeitsverhältnisses und die Herausbildung einer verfestigten Unterschicht sind die Stichworte.
Klar ist: Es gibt kein einfaches Zurück zu den Konzepten des „Dritten Weges“. Ebenso eindeutig wächst die Einsicht, dass ein bloßes „Weiter so“ angesichts globaler ökonomischer und ökologischer Verwerfungen nur tiefer in die Krise führt. Wirtschaftliche, soziale, politische Reformen sind nötiger denn je. Wieweit sie sich noch in einer kollektiven Vorstellung von „Fortschritt“ bündeln lassen, ist eine offene Frage. Zugleich aber hat eben erst Barack Obama in den Vereinigten Staaten mit einem klassischen Bekenntnis zu einer Politik von Fortschritt unter dem Motto „Change“ einen großen Wahlsieg erzielt.
Vor diesem Hintergrund machten sich die Heinrich-Böll-Stiftung und das Progressive Zentrum daran, eine kritische Bilanz der Politik des „Dritten Weges“ zu ziehen. Wolfgang Schroeder sieht in der Umbruchsituation, die wir derzeit in der deutschen Parteienlandschaft erleben, eine große Chance dafür, diese Debatte mit Gewinn für die Zukunft zu führen: Das mit der letzten Bundestagswahl noch einmal gefestigte Fünf-Parteien-System zwingt die parteienpolitischen AkteurInnen dazu, über die Grenzen festgefahrener Lager hinauszudenken und neue Bündnisse für progressive Mehrheiten zu erarbeiten. Die hierfür drängenden Fragen haben alle einen Rückbezug, einen politischen Konnex mit der hinter uns liegenden Reformagenda: Welche Art von Wachstum braucht unsere Gesellschaft und welche kann sie sich leisten? Wie kann der Sozialstaat auf eine stabile Basis gestellt werden? Welche Reformen an den demokratischen Institutionen auf nationaler und supranationaler Ebene sind nötig und umsetzbar?
„What went wrong with 3rd Way Politics?“
Im ersten Panel setzte sich das Seminar mit der Ideengeschichte des Dritten Weges auseinander. Clinton, Blair und Schröder/Fischer standen vor ähnlichen Dilemmata:
1. dem elektoralen Dilemma der Sozialdemokratie, dass sie angesichts der Erosion ihrer Stammwählermilieus verstärkt um „median voters“ werben musste. Das Profil einer linken Mitte sollte sich weiterhin deutlich von den Konservativen unterscheiden, zugleich für die anspruchsvollen Wechselwähler attraktiv sein und doch die eigenen Milieus nicht vergraulen.
2. dem polit-ökonomischen Dilemma eines „Mischprogramms“ aus Modernisierungspolitik und redistributiver Sozialpolitik. Beispielhaft lässt sich dieses Dilemma an der SPD-Wahlkampfstrategie für ihren Triumph bei der Bundestagswahl 1998 festmachen: Schröder stand für „Innovation“ und Lafontaine für „soziale Gerechtigkeit“. Der komplette Bruch zwischen diesen beiden Männern nach nur wenigen turbulenten Regierungsmonaten demonstriert das große Risiko dieser Strategie, sobald das „Mischprogramm“ in konkretes Regierungshandeln umgesetzt werden musste.
3. dem organisatorischen Dilemma der Parteien der linken Mitte. Sie schwanken häufig zwischen den Polen, entweder als identitätsbewusste und die Basis repräsentierende, aber inflexible bis erstarrte Massenpartei an einer veränderten Wirklichkeit zu scheitern oder als strategisch flexibler, innovationsstarker und gelegenheitsbewusster Akteur das Kontinuitätsbedürfnis von Mitgliedern und WählerInnen zu enttäuschen.
In der Praxis gingen die PolitikerInnen, die damals unter dem Schlagwort „Dritter Weg“ zusammengefasst wurden, durchaus unterschiedliche Wege. Gewisse Gemeinsamkeiten sind jedoch deutlich zu erkennen:
1. Die klassische keynesianische Nachfragepolitik wurde auch in linken Kreisen von einer mehr angebotsorientierten Politik verdrängt.
2. Als „Genosse der Bosse“ suchte Schröder ähnlich wie seine Kollegen die Nähe zur Wirtschaft. Unternehmenssteuerreformen und Steuerentlastungen sollten Investitionsanreize bieten, deren industrie-/ökopolitische und gesellschaftspolitische Ausgewogenheit heute durchaus in Zweifel stehen.
3. Die Agenda 2010 steht exemplarisch dafür, im Angesicht einer drohenden Staatsüberschuldung den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und einer – stark auch durch Eigenverantwortung/ Selbständigkeit erhofften - Inklusion in den Arbeitsmarkt den Vorrang vor Transferansprüchen zu geben.
4. Die Schattenseiten der Schaffung befristeter und prekärer Beschäftigungsverhältnisse wurden erst später bemerkt. Sie werden heute in der Debatte über Mindestlöhne und faire Arbeitsbedingungen reflektiert. Dem damaligen Slogan vom „Sprungbrett in die Eigenverantwortlichkeit“ steht heute die Sorge vor Prekarisierung gegenüber. Entgegen dem Anspruch, arbeitsmarktpolitisch die Durchlässigkeit des Arbeitsmarktes und einer Öffnung gegenüber Ausgeschlossenen zu erreichen, entstand mittlerweile eher eine Verstärkung zwischen Ausgrenzungstrends einerseits, Schutz von ArbeitsplatzinhaberInnen andererseits.
5. Bleibende Errungenschaft ist, dass die „Dritte-Weg-Politik “, etwa in Tony Blairs berühmtem Slogan „education, education, education“, den zentralen Wert von Bildung erkannte. Während in der Sozialstaatspolitik vieles weiterhin umkämpft ist, haben die damals formulierten Ziele der Chancengleichheit im Bildungssystem, des Ausbaus frühkindlicher Bildung und der Förderung von Integration und sozialem Aufstieg mit Hilfe durchlässiger Bildungsinstitutionen bis heute Gültigkeit für eine progressive Politik.
6. Weitgehender Konsens bestand auch darin, dass die Grundidee des Dritten Weges richtig war und ist, individuelle Anspruchsrechte auf soziale Hilfen umzuwandeln in konditionierte Rechte auf die Unterstützung eigener Anstrengungen zur Entwicklung von Fähigkeiten und Erhöhung der eigenen Employability.
7. In mancher Hinsicht erwies sich der Dritte Weg als ein ökonomistischer und allzu technikgläubiger Ansatz, mit mangelhaftem Gespür für Fragen der Lebensqualität und der Umbrüche in einer Einwanderungsgesellschaft. Dem gegenüber haben gerade die Grünen mit bioethischen Debatten, Konzepten der ökologischen Modernisierung (z.B. Ökosteuer, Atomausstieg) und mit der gesellschaftlichen Liberalisierung (z.B. Staatsbürgerschaftsrecht, Gewaltschutzgesetz, Eingetragene Lebenspartnerschaft) eigene Akzente gesetzt.
8. Im Rückblick zeigt sich, wie unscharf der Begriff „Dritter Weg“ bis heute ist. Heute sind nur wenige grundlegende Texte in Erinnerung, insbesondere aus der Feder des Soziologen Anthony Giddens wie „Beyond Left and Right“ (1994) und „The Third Way and its Critics“ (2000).
9. Bis heute höchst umstritten ist das sogenannte „Schröder-Blair-Papier“ von 1999. Offenkundig war dieses Manifest denkbar schlecht vorbereitet. Es wurde wenige Monate nach der Wahl und ohne Einbettung in notwendige traditions- und selbstkritische Diskussionen innerhalb der SPD auf den Meinungsmarkt geworfen. Deshalb gilt es vielen Kritikern bis heute als willkürliche Inszenierung eines Traditionsbruchs und als Fanal einer „neoliberalen Verirrung“. Das kommunikative Scheitern dieses Versuchsballons führte dazu, dass in Deutschland die gesamte Debatte über den „Dritten Weg“ in Misskredit geriet und der kommunikative Aufwand für die Agenda 2010 zugunsten einer technokratischen Basta-Politik („There is no alternative“) vernachlässigt wurde.
10. Besonders an dieser Stelle wird deutlich, dass die linke Mitte es versäumte, ihre Reformen in eine politische Erzählung einzubetten und z.B. auch mit Solidarbeiträgen für wohlhabende Schichten zu verknüpfen. Im Gegenteil haben die Steuerentlastungen bis heute eine Pfadabhängigkeit geschaffen, von dem nur unter erheblichen politischen Kosten abgewichen werden kann.
11. Vor allem in Großbritannien und Deutschland blieben die Arbeitsmarktreformen halbherzig, weil das Konzept des „Förderns und Forderns“ hinsichtlich der erforderlichen Rahmungen unterschätzt und nicht durch Qualifizierungsprogramme unterlegt wurde.
Die rot-grüne Erfahrung – Agenda 2010 als Einstieg in den investiven Sozialstaat?
Sehr differenziert und selbstkritisch wurde im zweiten Panel die erratische Regierungspolitik von Rot-Grün und als spezielles Beispiel die Implementierung der Agenda 2010 beleuchtet. Einigkeit bestand darin, dass die Reform des Sozialstaates, insbesondere die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, notwendig war und die Wachstumsperiode zwischen 2006 und 2008 mit befördert hat. Allerdings wurden von den politischen Akteuren gravierende Fehler begangen. Das große Ziel, neue Teilhabechancen am Arbeitsmarkt zu schaffen, wurde nur teilweise erreicht. Vor allem haben sich die Hoffnungen, die in sog. Ich-AG´s, in Leiharbeit oder andere flexible Beschäftigungsmodelle gesetzt wurden, nicht erfüllt, da sich von hieraus zu selten tragfähige Brücken für eine dauerhafte Inklusion in den Arbeitsmarkt ergaben.
Einigkeit bestand darin, dass Rot-Grün über keinen Plan und schon gar nicht über ein gemeinsames Konzept verfügt habe. Die Politik oszillierte zwischen diversen Polen und entwickelte kein verbindendes Narrativ. Verstärkt wurde dies durch den „Dauerwahlkampf“ im deutschen Föderalismus und Schröders Stil, lieber auf Stimmungen zu reagieren als über langfristige Konzepte zu räsonieren. Konsens war, dass die Einführung der die Agenda 2010 unter folgenden Mängeln litt:
1. Nach schwedischem Vorbild hätte es vorab einer breiten Qualifizierungsmaßnahme bedurft, die durch ein Erwachsenenweiterbildungskonzept resp. -gesetz hätte flankiert werden müssen.
2. Es fehlte an überzeugenden Vorstellungen eines „Flexicurity“–Konzepts, wie es in Dänemark und anderen skandinavischen Staaten entwickelt wurde: Eine Flexibilisierung der Arbeitsmärkte kann gesellschaftlich nur durchgesetzt werden, wenn die soziale Sicherheit der Menschen nicht ausgeblendet wird.
3. Der verstärkte Druck auf Arbeitslose hätte dementsprechend durch die begleitende Einführung von Mindestlöhnen flankiert werden müssen.
4. Auch das Konzept einer Bürgerversicherung hätte zu einer umfassenden progressiven Reform des Sozialstaates gehört. Stattdessen setzten die Akteure von vornherein auf eine quasi großkoalitionäre Verhandlung im Bundesrat, so dass die Reparaturen im Gesundheitswesen erneut nur Stückwerk blieben.
5. Vor allem aber wurde damals und bis heute viel zu wenig thematisiert, dass das große Versprechen des „Förderns und Forderns“ nicht eingelöst wurde: Die Sanktionen griffen sofort, aber Zahl, Qualifizierung und Möglichkeiten der Arbeitsvermittler blieben zu gering, im Vergleich zu Skandinavien sogar nach Ansicht mehrerer Beiträge auf beschämende Art und Weise.
6. Die Reform transportierte ein schweres Akzeptanz- und Glaubwürdigkeitsdefizit, weil sich die Zumutungen vor allem an das untere Drittel der Gesellschaft richteten, während die Wohlhabenden nicht zu einem Beitrag zum Gemeinwohl und der Sanierung der Finanzen herangezogen wurden.
Offenkundig leidet vor allem die SPD unter den Nachwirkungen dieser Reform: Geradezu fahrlässig ging sie mit den wertvollen Gütern Berechenbarkeit, Glaubwürdigkeit und Identität um, wie ihr von mehreren Seiten vorgeworfen wurde. Dabei stellt sich die Frage, ob der Absturz der Sozialdemokraten darüber hinaus auch die Konsequenz eines Entscheidungsdilemmas sei: Im Sinne des Gemeinwohls musste die Regierung die maroden Versicherungssysteme sanieren und statt der bisherigen Praxis vor allem auf die Aktivierung der Arbeitslosen mit konkreten Angeboten zur Inklusion der „Outsider“ setzen. Dies war jedoch mit Zumutungen an Teile der Stammwählerklientel verbunden und kollidierte deshalb mit dem Parteiwohl. In welchem Umfang war dies in jedem Fall unausweichlich, in welchem Maß hat es sich vor allem durch die genannten Mängel, vor allem eine fehlende Einbettung in ein überzeugendes Konzept und Diskurs nachhaltiger, sozial gerechter, gesellschaftlich integrativer Systemkorrekturen, akut bis hin zum historischen Debakel der SPD verschärft?
Wie muss progressive Politik heute darauf reagieren?
1. Bessere Qualifizierung und Betreuung von Arbeitslosen und das Nachdenken über echte integrative Angebote seitens der Jobcenter sind das A und O.
2. Die Bemühungen, Mindestlöhne einzuführen, sollten fortgesetzt, der Kündigungsschutz nach Meinung vieler nicht angetastet werden.
3. Unter Verweis auf Gerechtigkeitstheorien wurde die Debatte um geringe Anhebungen der Hartz IV-Sätze um beispielsweise 50 € als Nebenschauplatz eingeschätzt, da dies nicht über die wesentliche Frage von Marginalisierung oder Integration entscheide, die viel mehr an Bildung als zentraler Aufstiegsleiter liege.
4. Als wesentlicher Vordenker wurde Amartya Sen gewürdigt, der in seinem „Capability-Approach“ vor allem einen fair organisierten Zugang zu Qualifikationen und Chancen fordert.
5. Das in der Föderalismusreform verankerte weitreichende Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik wurde als völlig kontraproduktiv bewertet.
6. Sehr weit gingen die Meinungen auseinander, ob der Bismarcksche Sozialstaat nach dem Vorbild der Skandinavier grundlegend umgebaut werden solle: Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer plädierten vehement dafür. Andere Beiträge warnten ebenso entschieden, dass eine Aufgabe des Versicherungsmodells zugunsten stärkerer Steuerfinanzierung des Sozialstaats illusorisch sei: Ein Abweichen von der Pfadabhängigkeit eines Wohlfahrtssystems sei mit gewaltigen Transaktionskosten und gravierenden Eingriffen in die institutionelle Ordnung verbunden. Den VerfechterInnen des skandinavischen Modells wurde vorgeworfen, dass sie die Praxis in Dänemark verkürzt darstellten.
Green New Deal – ein neues progressives Gesellschaftsprojekt?
Vor allem in den Wahlkämpfen zur Europa- und Bundestagswahl 2009 konnten Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem neu entwickelten Programm „Green New Deal“ punkten. Der Begriff knüpft an die historische Leistung von Franklin D. Roosevelts „New Deal“ der 1930er Jahre an und wurde zuerst vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in die Debatte eingebracht. Dessen Direktor Achim Steiner kündigte kurz nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2008 einen „Global Green New Deal“ an. Die Grundidee ist, durch Innovationen und neue Arbeitsplätze in „grünen“ Industriebranchen Wachstum zu sichern und zugleich den Klimawandel zu bremsen.
Bündnis 90/Grüne griffen diese Ideen in ihren Programmen auf und entwickelten ein Drei-Säulen-Konzept: Ihr „Green New Deal“ fordert
1. die effektive Regulierung der Finanzmärkte, um die Finanzwirtschaft wieder in den Dienst realer wirtschaftlicher Entwicklung zu stellen;
2. die ökologische Neuausrichtung der Wirtschaft hin zu einer auf erneuerbaren Energien basierenden Kreislaufwirtschaft, in der das Recycling zum allgemeinen Prinzip der Wiederverwendung von Rohstoffen weiterentwickelt wird;
3. die Wiederbegründung des sozialen Ausgleichs, national, europäisch und global.
Woran liegt es, dass sich dieser Begriff so gut durchsetzte und auch die SPD neidvoll auf dieses Konzept blickt, wie einige TeilnehmerInnen einräumten? Mehrere Faktoren kamen zusammen, dass die Grünen mit diesem neuen Konzept besser als mit ähnlichen Vorläufermodellen punkten und auch stärkere Wirtschaftskompetenz zugesprochen bekommen: In Zeiten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und florierender Biomärkte ist das ökologische Bewusstsein im Mainstream der Gesellschaft angekommen. Die Menschen machten die Erfahrung, dass mit grünen Innovationen Geld zu verdienen und Lebensqualität zu sichern oder gar auszubauen ist. Außerdem ist die Idee des Neoliberalismus sichtlich in die Krise gekommen und hat deutliche Ratlosigkeit in der Politik hinterlassen.
In diese Leerstelle fügte sich der „Green New Deal“ passgenau ein. Als Überschrift und Narrativ bietet es Optionen an, die über den bisherigen Anti-Krisen-Diskurs hinausweisen. Jetzt kommt es darauf an, die Green New Deal-Agenda für die unterschiedlichen Politikfelder zu konkretisieren und Bündnisse für Realisierungen zu erarbeiten. Sie setzen nicht zuletzt voraus, dass ein mehrheitsfähiges Zukunftsprojekt entworfen werden kann, das gegen Krisengefühle ein Bild von Aufbruch und „gutem Leben“ stark machen kann und dafür auch Fragen danach beantworten kann, welches Wachstum, welche Entwicklung in Deutschland und global, vor allem auch in den Entwicklungsländern, wünschenswert, vertretbar und realisierbar ist.
Dabei stellen sich drei große Herausforderungen:
1. Der Austausch mit der technischen Intelligenz muss intensiviert werden.
2. Die linke Mitte darf nicht den Fehler begehen, eine „verkürzte“ Wachstumsdebatte zu führen oder sich gar auf ein Selbstgespräch linksliberaler Eliten zu beschränken.
3. Im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl muss überlegt werden, mit welchen Konstellationen sich die anstehenden Innovationen am besten umsetzen lassen, ohne von strukturkonservativen Kräften blockiert zu werden.
Öffentliches Podium am Abend: „Was heißt Progressive Politik heute?“
Die abschließende öffentliche Diskussion mit Renate Künast, Ulrich Kelber und Ernst Hillebrand zog ein Resümee zur Frage, was progressive Politik heute heißen kann. Es wurde die Notwendigkeit eines Narrativs anerkannt, das verschiedene Milieus der zunehmend ausdifferenzierten und individualisierten Gesellschaft anspricht und glaubwürdige Antworten auf die aktuellen Krisen gibt.
Bericht: Konrad Kögler/ PZ, Überarb. hbs