Projekte

Foto: Archiv Grünes Gedächtnis (c) Heinrich-Böll-Stiftung

Projekte im Archiv Grünes Gedächtnis

Die historische Überlieferung der Grünen kann niemals “vollständig“ sein und sie könnte auch nicht von einem einzigen Archiv geleistet werden. Um so wichtiger sind die Zusammenarbeit mit anderen Archiven und Forschungseinrichtungen sowie Archivprojekte mit spezieller Schwerpunktsetzung, zumal seit dem Anbruch des „elektronischen Zeitalters“ immer wieder neue Herausforderungen an die Archivierung zu bewältigen sind. Im Folgenden sind längerfristige Projekte und Kooperationen vorgestellt.

1. Gespräche mit Zeitzeugen/innen

2. Nuclear Crisis

3. Transformation der Ökologie

4. Edition Die Grünen im Bundestag 1983-1990

5. Fachgruppe der Parlaments- und Parteiarchivar/innen

6. International Ecological Archives Network

7. Netzwerk „Archive von unten“

8. Archivierung von Internetseiten

9. Sammlung und Erschließung von ePublikationen

 

1. Gespräche mit Zeitzeugen/innen

„Wer baute das siebentorige Theben?“ Brecht erinnert daran, dass Geschichte nicht von abstrakten, sondern von wirklich Menschen gemacht ist. Die Erzählungen der beteiligten Akteure und Augenzeugen haben nicht nur den Vorzug der Lebendigkeit, sie sind ein eigenständiger Zugang zur Zeitgeschichte, sie bilden aber auch eine unverzichtbare Ergänzung zu den Akten der Partei und der Fraktionen, die im Archiv aufbewahrt werden, denn, anders als das Sprichwort will, steht nicht alles in den Akten. Das Archiv führt deshalb regelmäßig Interviews mit ZeitzeugInnen. Die Interviews werden im Jahrbuch des Archivs veröffentlicht.

 

2. Nuclear Crisis

Nuklearkrise ist ein forschungsleitender Begriff, der die politik- und gesellschaftspolitischen Phänomene seit der Krise der Entspannungspolitik am Ende der 1970er Jahre, die in den USA schon mit dem Ende des Vietnamkriegs zusammenfällt, bis zum Abzug der amerikanischen und sowjetischen atomaren Mittelstreckenraketen aus Europa am Ende der 1980er Jahre integriert. Im Mittelpunkt stehen der sog. Zweite Kalte Krieg und die Friedensbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss. Das beim Deutschen Historischen Institut Washington angesiedelte Forschungsprojekt berührt damit zentrale Handlungsfelder und zeitgeschichtliche Kontexte der gleichzeitig entstehenden Grünen.

Aus diesem Grund haben wir als Archiv Grünes Gedächtnis das Forschungsprojekt nicht nur mit unseren archivischen Ressourcen unterstützt, sondern haben uns durch die Veranstaltung und Förderung von Forschungskolloquien mit DoktorandInnen aktiv beteiligt. Gegenstand der Kolloquien war vor allem die Friedensbewegung. Resultat sind nicht nur eine Reihe neuer Forschungsergebnisse, sondern auch ein erstes Handbuch zur Geschichte der Friedensbewegung.

     

    3. Transformation der Ökologie

    Vor vier Jahrzehnten begann die Formierung des Protestes gegen den Bau von Atomkraftwerken in der Bundesrepublik. Der "Oberrheinalarm" gehörte bereits 1972 zu den Gründungsorganisationen des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz. BBU und Anti-Atom-Bewegung standen am Anfang einer Entwicklung, von der aus die Grünen ihren Pfad durch die Institutionen der Republik antraten - zuerst als parlamentarische Opposition und schließlich als Regierungspartei, die u.a. den Ausstieg aus der Atomenergie durchgesetzt hat. Der "Green New Deal" wurde zum Markenzeichen ökologischer Politik im 21. Jahrhundert. Wir wollen in den kommenden Jahren als Forschungsschwerpunkt zur Geschichte der Grünen die Transformation der Ökologie im Zusammenhang mit der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung untersuchen und insbesondere wissenschaftlichen Nachwuchs, der sich mit diesem Themenfeld befasst, einladen, seine Ergebnisse in Kolloquien auszutauschen und zu reflektieren.

     

    4. Edition Die Grünen im Bundestag 1983-1990

    Seit dem Erfolg bei der Bundestagswahl am 6. März 1983 steht die grüne Bundestagsfraktion im Fokus des öffentlichen Interesses. In den - damals öffentlichen - Fraktionssitzungen wurden seitdem die großen Linien wie die allwöchentliche Praxis der politischen Oppositionspolitik beraten und entschieden, aber auch die innere Organisation und das Selbstverständnis der Bundestagsfraktion gegenüber den außerparlamentarischen Initiativen und Bewegungen ausgehandelt. Von daher rührt das Interesse der ZeithistorikerInnen an einer Edition der Fraktionssitzungen, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Dieser Aufgabe widmet sich die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.

    Die Edition der grünen Bundestagsfraktion umfasst die Sitzungsprotokolle und wesentliche Sitzungsunterlagen. Sie ist Handbuch, Lese- und Arbeitsbuch in einem. Erschienen sind bisher zwei Halbbände, die die Wahlperiode von März 1983 bis Januar 1987 umfassen. Zwei weitere Halbbände zur Wahlperiode von Januar1987 bis Dezember1990 sind in Bearbeitung.

      5. Fachgruppe der Parlaments- und ParteiarchivarInnen

      Innerhalb des Fachverbandes der Archivarinnen und Archivare bilden die Parlaments- und Parteiarchive eine gemeinsame Sektion. Die Bedeutung der Parlamentsarchive für die Dokumentation der Parteien, genaugenommen der Fraktionen, macht sie zur ersten Adresse, wenn es um die Recherche der parlamentarischen Initiativen und Stellungnahmen geht. Die Parlamentsarchive archivieren die Ausschussberatungen und Plenarsitzungen. Parlamentarische Initiativen und Reden werden im Internet dokumentiert und sind dadurch leicht zugänglich.

      Was die anderen Bundestagsparteien denken und tun, gehört zum Kontext grüner Politik. Da alle Fraktionen letztlich dieselben parlamentarischen Initiativen beraten, bestehen hier Wechselbeziehungen, die ihren Niederschlag in allen beteiligten Parteiarchiven finden. Nicht zuletzt ist ein reger Austausch allein schon dadurch sinnvoll, dass sich alle politischen Archive vor dieselben fachlichen Herausforderungen gestellt sehen, die in kollegialischer, manchmal auch projektbezogener Zusammenarbeit leichter zu meistern sind.

      Links zu den anderen Archiven:

       

      6. International Ecological Archives Network

      Die Schweizer Grünen waren 1980 die ersten, die Sitze im nationalen Parlament erzielen konnten. Ein Jahr später folgten die belgischen Grünen, ehe 1983 hierzulande die erste Bundestagsfraktion gebildet werden konnte. Was den Eintritt in die Regierung betrifft, waren uns unter anderem die französischen und die italienischen Grünen voraus. Grüne Archive gibt es deshalb ringsum in Europa, aber eine praktische Kooperation untereinander erst seit 2011, als wir unsere Kolleginnen und Kollegen ins Grüne Gedächtnis eingeladen haben. Damals wurde das International Ecological Archives Network gegründet. 2012 fand auf Einladung des französischen Archivs der Kongress „Archive der Ökologie - Ökologie der Archive“ statt. Die europäische Archivlandschaft der Grünen ist so vielfältig wie die europäischen Wissenschaftstraditionen.

      7. Netzwerk „Archive von unten“

      Die Grünen sind 1978-1980 aus außerparlamentarischen Initiativen und Bewegungen entstanden, geblieben ist eine Spannung zwischen der Partei und den Bewegungen, für welche in den 1980er Jahren die Metapher vom Standbein und dem Spielbein eine gängige Umschreibung war. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen der grünen Partei und den Protestbewegungen gehört zur gemeinsamen Geschichte. Vor allem aus der Frauen- und Lesbenbewegung, der internationalen Solidaritätsbewegung, der Alternativbewegung und der Friedensbewegung sind zahlreiche Archive entstanden, die Publikationen und Dokumente aus der Protestgeschichte und Alternativkultur seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts sammeln und bereitstellen. Seit der Gründung der Berliner Umweltbibliothek und seit 1989/90 sind die Archive der Bürgerbewegungen hinzugekommen. Die Lage vieler dieser Archive ist äußerst prekär, dabei ist die historische Bedeutung dieser vielfältigen Überlieferung der Protestbewegungen, eine Aufgabe, die von den öffentlichen Archiven völlig unzureichend wahrgenommen wird, unumstritten. Auch für die Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen enthalten die Bewegungsarchive bedeutende Quellensammlungen.

      Die seit 2002 im Archiv Grünes Gedächtnis stattfindenden Workshops „Archive von unten“ dienen dem fachlichen Austausch und der Vernetzung sowie dem Ziel, eine größere öffentliche Wahrnehmung für die Bedeutung und die Lage der beteiligten Archive zu schaffen.

         

        8. Archivierung von Internetseiten

        Das Internet spielt bei der Selbstdarstellung und den Kampagnen der Parteien, gerade auch für Bündnis 90/Die Grünen, eine ständig wachsende Rolle. Das Archiv Grünes Gedächtnis archiviert grüne Internetpräsenzen seit 2004 und hat zusammen mit den Archiven der anderen Bundestagsparteien einen Leitfaden zur Archivierung von Internetpräsenzen entwickelt.

        Das Internet entwickelt sich kontinuierlich weiter. Zurzeit gewinnt die Nutzung von sozialen Medien wie Facebook  und Youtube neben der „offiziellen Internetpräsenz“ ein wachsendes Gewicht und damit Relevanz, was die historische Überlieferung betrifft. Die Bearbeitung dieser und anderer „Baustellen“ der Internetarchivierung ist Gegenstand eines Arbeitskreises, in dem Archive und Bibliotheken, zu deren Aufgaben die Internetarchivierung gehört, zusammenarbeiten.

         

        9. Sammlung und Erschließung von ePublikationen

        Internetpräsenzen sind nicht nur eine neue Publikationsform, sie sind zugleich eine Plattform für Veröffentlichungen verschiedenster Art, z.B. Dossiers, Foren, Newsletter und Blogs, die die Sammlung, Erschließung und Nutzung vor besondere Herausforderungen stellen. Anders als Bücher haben ePublikationen beispielsweise oft keine klaren Begrenzungen. Die damit zusammenhängenden Fragen sollen bei einer Tagung im Juli 2013 besprochen werden.