Ungleiche Partner, überraschende Allianzen

8. August 2008
Von Bahman Nirumand
Zum Einfluss Irans in Afghanistan. Auszug aus dem Buch “Der unerklärte Weltkrieg. Akteure und Interessen in Nah- und Mittelost“

Von Bahman Nirumand

Während die USA und ihre Verbündeten in der NATO immer noch der Meinung zu sein scheinen, die Probleme Afghanistans militärisch lösen zu können, gehen die beiden großen Nachbarn, Iran und China, andere Wege.

Mit der sowjetischen Invasion in Afghanistan sahen sich die Islamisten im Iran, denen gerade eine Revolution zum Sieg verholfen hatte, in einer schwierigen Position, die durch Konflikte mit den USA und durch den Krieg gegen Irak noch komplizierter wurde. Bei alledem blieb dem Land, das nun von außenpolitisch unerfahrenen Geistlichen beherrscht wurde, kaum ein Spielraum für eine durchdachte Politik gegenüber seinem Nachbarn, der in einen Bürgerkrieg verwickelt war. Umso erstaunlicher ist, dass Teheran schon Anfang der achtziger Jahre die Richtlinien für eine neue Afghanistanpolitik festlegte. Das Hauptziel der Islamischen Republik war, über die Unterstützung der schiitischen Minderheit ihren Einfluss in Afghanistan zu erhöhen, ein Gegengewicht zu der von Pakistan unterstützten sunnitischen Mehrheit zu bilden und selbstverständlich auch den bewaffneten Kampf gegen die Sowjets und die kommunistische Regierung in Kabul voranzutreiben. Die Verbindung zur Bevölkerung in Afghanistan wurde auch dadurch begünstigt, dass ein unaufhörlicher Strom von afghanischen Flüchtlingen in Richtung Iran zu fließen begann, deren Zahl bis zum Sturz der Taliban einen Stand von rund drei Millionen erreichte.

Ende der 1980er Jahre gelang es Teheran, die wichtigsten der miteinander rivalisierenden schiitischen Gruppen unter dem Dachverband Hizb-i Wahdat (Partei der Einheit) zu einigen. Nach dem Abzug der Sowjets und dem Sturz der Regierung Najibollah begann der Kampf gegen die vorrückenden Taliban. Die Hizb-i Wahdat, die von Teheran finanziell und militärisch unterstützt wurde, stellte sich auf die Seite der schwachen Regierung Rabbanis und schloss sich nach der Machtübernahme der Taliban der Nordallianz an.

Der von den USA geführte Krieg gegen Afghanistan und der Sturz der Taliban hatten für den Iran Vor- und Nachteile. Selbstverständlich war man in Teheran über den „Sieg“ der Nordallianz und das Verschwinden der Erzfeinde im östlichen Nachbarland glücklich. Nun konnte man den erfolgreichen Versuch der Einflussnahme fortsetzen, auch mithilfe der afghanischen Flüchtlinge, die im Großen und Ganzen gut behandelt worden waren und die nun als Träger iranischer Interessen fungieren konnten.

Von großem Nachteil war hingegen der Umstand, dass nun der Erzfeind USA als Besatzungsmacht in direkter Nachbarschaft Irans seine Militärstützpunkte errichten und die strategischen, politischen und natürlich auch ökonomischen Interessen Irans gefährden konnte. Erstaunlicherweise handelten die regierenden Ayatollahs jedoch sehr pragmatisch. Die US-Invasion konnten sie ohnehin nicht aufhalten. Die Empörung über die Anschläge vom 11. September in New York und Washington war weltweit so groß, dass nennenswerte Proteste dagegen nirgends auf der Welt zu erwarten waren. Hinzu kam, dass insbesondere die USA, aber auch andere westliche Staaten den Iran als Zentrum des internationalen Terrorismus betrachteten und es damit nicht ausgeschlossen war, dass Washington die günstige Stimmung ausnutzen könnte, um auch den Islamisten im Iran einen empfindlichen Schlag zu versetzen. So beeilte sich Teheran nach den Anschlägen, den internationalen Terrorismus zu verurteilen, und erklärte seine Bereitschaft, sich in die Koalition gegen den Terror einzureihen. Damit nicht genug. Teheran bot Washington bei geheimen Gesprächen, die damals zwischen beiden Ländern geführt wurden, sogar konkrete Hilfe an.

Iran war auch bei der Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg dabei und spielte bei den Bemühungen, zwischen den rivalisierenden Gruppen Einigkeit zu erzielen, eine konstruktive Rolle. Manche Teilnehmer meinten sogar, ohne Iran wäre man sich nicht einig geworden.

Seitdem versucht Teheran, mit der mehr oder weniger von den USA bestellten afghanischen Regierung so eng wie möglich zu kooperieren und beim Wiederaufbau des Landes konkrete Hilfe zu leisten, obwohl zumindest von einem Teil der afghanischen Bevölkerung diese Hilfeleistung als Einmischung und unerwünschte Einflussnahme betrachtet wird. Inzwischen ist der Einfluss Irans in Afghanistan in der Tat erheblich gestiegen. Große Teile des Nordwestens und Westens sind eng mir der iranischen Wirtschaft verflochten. Afghanistan gilt schon längst als einer der wichtigsten Absatzmärkte Irans. Zahlreiche iranische Unternehmen haben in Afghanistan Filialen gegründet, kleine Fabriken gebaut und neue Märkte eröffnet. Iran hat sich auch am Straßenbau und an der Stromversorgung beteiligt. Im vergangenen Jahr wurde mit dem Bau der Eisenbahnlinie zwischen Herat und der im Nordosten Irans gelegenen Stadt Maschhad begonnen. Ohne viel Lärm erhöht der iranische Gottesstaat seinen Einfluss. Ob diese Strategie der stillen Einflussnahme langfristig fortgesetzt werden kann, ist in Anbetracht der amerikanischen Militärpräsenz einerseits und der Zunahme der Macht der Taliban andererseits jedoch mehr als fraglich.

Dossier

Afghanistan - Ziviler Aufbau und militärische Friedenssicherung

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist seit Anfang 2002 in Afghanistan aktiv und fördert die zivile und demokratische Entwicklung des Landes. Afghanistan ist auch ein Prüfstein dafür, ob der Prozess des „state building“ und des friedlichen Wiederaufbaus in einem zerrütteten Land gelingt.