Genau drei Wochen danach kam aus Myanmars/Burmas Hauptstadt Nay Pyi Taw eine Einladung an ASEAN, Beobachter für die anstehenden Nachwahlen zu entsenden, darunter den Vorsitzenden von ASEAN, zwei Beobachter aus jedem Mitgliedsstaat und drei Beobachter aus dem Sekretariat. Das ASEAN-Sekretariat wird von drei Journalisten begleitet werden. Auch die USA und die EU wurden eingeladen, Beobachter zu entsenden – sehr zum Unterschied zu den Wahlen 2010, die von der internationalen Gemeinschaft scharf als Farce verurteilt wurden. Seinerzeit hatte Myanmar/Burma nur Diplomaten aus Rangun als Wahlbeobachter zugelassen sowie Vertreter einiger internationaler Organisationen, wobei Diplomaten aus ASEAN-Staaten aus Solidarität mit Myanmar/Burma die Einladung annahmen, während westliche Diplomaten sie ausschlugen. Dieses Mal wurden hingegen Beobachter aus Myanmar/Burma und von außerhalb eingeladen, wodurch Nay Pyi Taw zeigte, dass es ihm sehr daran gelegen ist, die Nachwahlen transparent, frei und fair durchzuführen. Die USA und die EU betonten, dass die Wahlen und die Art, in der sie durchgeführt werden, große Bedeutung für den Aufbau von Vertrauen hätten, was dazu führen könnte, dass man die seit Jahrzehnten bestehenden Sanktionen lockere. Sollten die Wahlen so ablaufen, dass andere Staaten sie als legitim anerkennen, würde das Thein Seins Ansehen erheblich stärken und ihm Munition gegen Personen oder Gruppen geben, die versuchen, seine Reformen zu sabotieren.
Obgleich die derzeitigen Reformen in erster Linie das Ziel haben, die Länder des Westens freundlich zu stimmen, sind sie auch für ASEAN von weitreichender Bedeutung. Seit Myanmar/Burma 1997 Mitglied wurde, stand ASEAN ohne Wenn und Aber zur regierenden Junta und forderte wiederholt ein Ende der Sanktionen. Vor den Wahlen 2010 zog sich das Land scharfe Kritik von der internationalen Gemeinschaft zu, da es politische Gegener brutal unterdrückte und keinerlei Anstalten machte, demokratische Reformen durchzuführen. Innerhalb von ASEAN blieb man Nay Pyi Taw gegenüber aber freundlich gesinnt – obgleich nach dem Massaker von Depayin, 2003, und dem Blutvergießen vom September 2007 die Kritik zunahm und ihren Höhepunkt in der Erklärung von New York fand, in der von „Abscheu“ angesichts der militärischen Unterdrückungsmaßnahmen die Rede war. In der Vergangenheit hatte Myanmar/Burma Vorschläge von ASEAN abgelehnt, darunter auch die, Suu Kyi zu begnadigen und eine Troika ins Land zu lassen. ASEAN musste in den sauren Apfel beißen, denn sein internationales Ansehen schwand.
ASEAN-Sekretariat spielte nach dem Zyklon Nargis eine entscheidende Rolle
Was das Sekretariat von ASEAN angeht, wurde die entscheidende Rolle, die es nach dem Zyklon Nargis spielte, kaum anerkannt, und das obwohl die internationale Kerngruppe, die aus Offiziellen von ASEAN, aus Myanmar/Burma von der UNO und internationalen Organisationen bestand, erheblich dazu beitrug, Rettungs- und Wiederaufbaumaßnahmen abzustimmen. Zwar geben die burmesischen Behörden es kaum zu, aber die 36 Monate dauerende Präsenz der Kerngruppe (von Juni 2008 bis Dezember 2010) trug dazu bei, Vertrauen zu schaffen zwischen Myanmar/Burma und einer ihm scheinbar feindlich gesinnten Welt. Die humanitäre Hilfe von fast einer Milliarde US-Dollar führte dazu, dass die Führungsspitzen des Landes sich dem Ausland gegenüber offener zeigten.
Man muss einräumen, dass bereits seit Unterzeichnung der ASEAN-Charta im Jahr 2008 allmählich kleine Veränderungen stattfanden, wozu dann ab März 2011 noch die neue Regierung von Präsident Thein Sein kam. Aus dieser Sicht war die Einladung des ASEAN-Sekretariats in der 45-jährigen Geschichte der Organisation ohne Beispiel, und fast könnte man von einem Sabotageakt Thein Seins sprechen, entlarvt sein Handeln doch ungewollt, woran es ASEAN bislang mangelte. Die politischen Systeme und die Wahlverfahren in den ASEAN-Staaten lassen es nicht zu, dass die Mitglieder der Organisation selbstgerecht von anderen „freie und faire“ Wahlen oder den Aufbau demokratischer Institutionen fordern. Einen kleinen Haken gibt es allerdings, denn unabhängigen Individuen und Organisationen wie den Asia Networks for Free Elections wird es nicht erlaubt sein, die aktuellen Wahlen zu beobachten. Man hofft jedoch, dass bei den nächsten allgemeinen Wahlen, die 2015 stattfinden sollen – vorausgesetzt der Prozess der Demokratisierung gerät nicht ins Stocken –, weitere unabhängige Beobachter zugelassen werden. Tatsächlich verhält es sich so, dass unter den ASEAN-Staaten nur Kambodscha, Thailand, die Phillipinen und Indonesien unabhängige Wahlbeobachter akkreditieren, die restlichen Mitglieder des Staatenbundes jedoch nicht.
Im März 2012 betonte Thein Sein während seiner Staatsbesuche in Vietnam, Kambodscha und Laos, wie wichtig die Wahlbeobachter aus Asien seien und bat um Unterstützung. Kambodscha, das derzeit den Vorsitz von ASEAN inne hat, schickte in dieser Sache am 22. März 2012 ein Schreiben an die anderen Mitglieder, in dem es in dieser Angelegenheit um Einstimmigkeit warb. Wie die ASEAN-Staaten darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten. Das Regionalforum von ASEAN hatte unlängst vorgehabt, ein Team von Wahlbeobachtern anlässlich der Präsidentschaftswahlen 2012 nach Osttimor zu entsenden, darauf wurde jedoch wegen beiderseitiger technischer und behördlicher Probleme verzichtet. Die meisten Mitgliedsstaaten von ASEAN hätten, wie es aussieht, nichts dagegen, wenn eine Wahlbeobachtung ausschließlich durch ihre diplomatischen Vertreter in Rangun stattfände.
Indem Myanmar/Burma das Sekretariat von ASEAN in eine heikle politische Angelegenheit mit einbezieht, öffnet es, was Surin und das Mandat seines Amtes betrifft, die Büchse der Pandora. Mit Annahme der Charta von ASEAN, 2008, war dieses Mandat erweitert und dahingehend ausgedehnt worden, dass der Generalsekretär die Positionen der Organisation nach außen vertritt. Als ASEAN im Mai 2008 beschloss, sich an den Hilfsmaßnahmen nach dem Zyklon Nargis zu beteiligen, kam diese humanitäre Hilfsaktion rasch zustande, was das Ansehen der Organisation rettete. Allerdings sah man darin seinerzeit kein weitergehendes Unterfangen, keine politische Dimension. Es bleibt also abzuwarten, wie die Mitglieder von Asean auf Myanmars/Burmas Initiative reagieren werden.
Der Reformprozess, zu dem auch die Wahlbeobachtung bei den anstehenden Nachwahlen gehört, ist ein laufender Vorgang mit kurz- und langfristigen Zielen. Es ist nicht sicher, ob die derzeitigen Fortschritte unwiderruflich sind, denn die Tatmadaw – die Armee Myanmars/Burmas – hat nach wie vor die Macht, den Wandel zu beenden, sollte sie das wollen. Sollte der demokratische Wandel aber weitergehen, und zwar wenigstens bis 2014, dem Jahr in dem Myanmar/Burma den Vorsitz von ASEAN übernimmt, dann könnte die Welt eine ganz neue demokratische Kraft in der Region erleben.
Hinweis: Das englische Original dieses Artikels wurde am 26. März 2012 in The Nation veröffentlicht.
Dossier
Myanmar/Burma einen Schritt weiter auf dem Weg zur Demokratie?
Die Nachwahlen in Myanmar/Burma am 1. April 2012 haben viel internationales Interesse auf sich gezogen. Die Öffnungspolitik der Regierung Thein Seins und die neue politische Situation bieten ungeahnte Optionen für das stark isolierte Land. Das Dossier gibt eine Momentaufnahme von Eindrücken aus deutscher Sicht und der Region wieder. Es fängt Stimmen aus China, Thailand, Indien und Myanmar/Burma ein.