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Thailand vor der Wahl: Eine tiefe gesellschaftliche Spaltung

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung Büro Südostasien, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

24. Juni 2011
Benedict Simon Mette

Von Benedict Simon Mette

Etwas mehr als ein Jahr nach dem blutigen Ende der Proteste in Bangkok und anderen Provinzen Thailands im Mai 2010, steht die thailändische Bevölkerung nun vor der schwierigen Aufgabe, am dritten Juli ein neues Parlament zu wählen. Die Proteste zwischen März und Mai 2010 führten zu den heftigsten Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Staatsgewalt in der Geschichte des modernen Thailand. Sie hinterließen fast einhundert Tote, tausende Verletzte und zahlreiche Brandruinen im Herzen Bangkoks. Die gesellschaftliche Spaltung in das Lager der Rot- und Gelbhemden ist kaum überwindbar. Abhisit Vejjajivas (Premierminister, Democrat Party) Versuch einer Versöhnung anhand einer ‚roadmap to reconciliation hat so gut wie keine Früchte getragen. In der zweiten Maiwoche löste Abhisit das Parlament auf.

Alte Wunden

Der Konflikt, der im März 2010 erneut ausbrach und im Mai niedergeschlagen wurde, hat tiefe Wurzeln, die in dem Artikel "Die aktuelle politische Lage in Thailand und ihre Hintergründe" von Jana Mittag schon beschrieben wurden.

Auf der Seite der Rothemden herrscht ein geringes Vertrauen in die Gerichtsbarkeit, da aus ihrer Sicht zweierlei Maß angelegt wird. Die bereits erwähnte ‚roadmap to reconciliation‘ scheiterte vor allem am mangelnden Kooperationswillen der Streitkräfte, zur Aufklärung der Ereignisse während der Proteste konstruktiv beizutragen. Ebenso wurden die Reformvorschläge einer speziell eingerichteten Kommission von der Regierungskoalition unter Führung der Demokraten nur selektiv umgesetzt.

Der Palast und die Proteste

Insbesondere Teile der Rothemden beziehungsweise der United Front for Democracy against Dictatorship (UDD), der Hauptorganisation der Rothemden, sind vom Schweigen des Königs enttäuscht. Hatte sich dieser nach der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen im Jahr 1992 noch eindeutig gegen Gewalt positioniert, blieb er seit 2006 still. Das mag an seinem schwachen Gesundheitszustand liegen. Zusätzlich zeigen einige Mitglieder des Palastes recht eindeutig ihre Sympathie für Teile der Gelbhemden. Dies verstärkt zusätzlich anti-royalistische Sentiments, zumal das Lèse-majesté-Gesetz in den letzten Jahren zunehmend genutzt wurde, um politische Gegner zu diffamieren und hinter Gitter zu bringen. Nach Paragraph 112 des Strafgesetzbuchs können Beleidigungen des Königs, der Königin, des Regenten oder des Thronfolgers mit einer Gefängnisstrafe bis zu 15 Jahren bestraft werden. Grundsätzlich ist jeder dazu berechtigt einen anderen nach Paragraph 112 anzuklagen. Hinzu kommt ein Militär, das ebenfalls Personen der Königsbeleidigung bezichtigt und sich damit aktiv ins politische Geschehen einmischt.

Wahlkampf und Versöhnungspläne

Der Wahlkampf der beiden Hauptkontrahenten ist von einem starken Populismus geprägt. Beide Parteien scheinen sich mit ihren Versprechungen zu besseren Sozialleistungen oder höheren Mindestlöhnen überbieten zu wollen, ohne aufzuzeigen, wie diese Leistungen finanziert werden sollen.

Die Democrat Party sieht sich mit einem zunehmend harten Wahlkampf konfrontiert. Auch Rothemden protestieren bei Wahlkampfveranstaltungen der Democrat Party. Abhisit ist nicht mehr das neue, junge Gesicht sondern dee tae pood (nur im Reden gut). Ihre Wahlversprechen gelten als billige Kopien der Pheu Thai Partei. Daraufhin verschärfte die Democrat Party fast einen Monat vor der Wahl ihren Ton und erinnert vehement daran, wer ihrer Meinung nach für das Niederbrennen Bangkoks verantwortlich ist. Die Pheu Thai, auf deren Wahlliste mehrere bekannte Rothemden stehen, äußerte sich nicht direkt dazu.

Die den Rothemden nahestehende Pheu Thai Partei hat als Spitzenkandidatin Yingluck Shinawatra aufgestellt, die jüngere Schwester Thaksins, der nach wie vor im Exil lebt. Sie bat um ein Gespräch mit Oberbefehlshaber General Prayuth, um das Militär mit der Pheu Thai zu versöhnen. Als Frau wird ihr eine freundliche, ausgleichende Rolle zugeschrieben. Thaksin nannte Yingluck in Bezug auf ihren Führungsstil seinen ‚Klon‘. Ihre Unerfahrenheit in praktischer Politik könne sie mit ihren Erfahrungen im Firmenmanagement aufwiegen. Die Vorwürfe im Bezug auf ihre Teilhabe an Thaksins illegalem Vermögen haben bis jetzt noch nicht ausgereicht, um sie für ein politisches Amt rechtlich zu disqualifizieren.

Als Teil ihres Wahlprogramms und zum Zwecke der Versöhnung hat Yingluck ein Panel vorgeschlagen, zu dem alle stakeholder eingeladen werden sollen. Dort soll besprochen werden, ob während des Coups 2006 Gesetze gebrochen wurden und wie mit diesen Verstößen umgegangen werden soll. Auch eine Generalamnestie steht zur Debatte. Dies könnte unter anderem ihrem Bruder, Thaksin Shinawatra, ermöglichen nach Thailand zurückzukehren.

Die kleineren Parteien versuchen ebenfalls auf sich aufmerksam zu machen. So hatte die Bumjaithai Partei, eine Splittergruppe einer Vorgängerpartei der Pheu Thai Partei, schon angekündigt, mit allen Mitteln mitregieren zu wollen. Chuwit, ein ehemaliger Massagesalonbesitzer, führt einen Ein-Mann-Wahlkampf gegen die "Verdorbenheit der Politiker" und behauptet von sich selbst, jetzt "den rechten Pfad" zu gehen. Die Gelbhemden, die der Regierung Abhisit 2008 ins Amt verhalfen, betreiben nun eine „Stimmt mit Nein“-Kampagne. Auf ihren Plakaten setzten sie Politiker mit Tieren gleich und warnen davor, diese in ein Parlament zu wählen.

Mögliche Szenarien nach der Wahl

Egal welche Seite die Wahl gewinnt, sicher ist, dass der Wahlsieger mit massivem Widerstand konfrontiert sein wird. Alle bisherigen Umfragen prognostizieren einen Wahlsieg der Pheu Thai Partei, allerdings ohne absolute Mehrheit. Es ist relativ wahrscheinlich, dass sich die Gelbhemden, die sich teilweise auch von Abhisit abgewendet haben, gegen eine Pheu Thai geführte Regierung stellen werden. Die Hauptkritik richtet sich schon jetzt auf die Korruption der Familie von Thaksin. Der größte Protest wird sich in diesem Fall also gegen die Generalamnestie und eine mögliche Rückkehr Thaksins richten.

Im Falle eines Wahlsiegs der Democrat Party wird der Widerstand vor allem von den Rothemden ausgehen und sich gegen ihre mangelhafte Aufklärung der Auseinandersetzung im Jahr 2010 richten. Ebenso würden sie mit Vorwürfen der Wahlmanipulation konfrontiert werden.

Das Militär hat schon häufiger gegen verschiedene Regierungen geputscht. Es betont jedoch immer wieder seine Neutralität, verbunden mit der Aufforderung, "gute Menschen" ins Parlament zu wählen. Trotzdem lässt sich eine Manipulation gegen die Pheu Thai Partei von Seiten einiger Militärs nicht ausschließen.
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