Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Europas neue Diplomaten: Eine erste Bilanz des Europäischen Auswärtigen Dienstes

Franziska Brantner, MdEP, ist außenpolitische Sprecherin der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament und Verhandlungsführerin ihrer Fraktion zum Europäischen Auswärtigen Dienst.
Foto: GRÜNE Baden-Württemberg. Lizenz: Creative Commons BY-SA 2.0. Original: Flickr.

19. November 2010
Von Franziska Brantner

This article is also available in English as PDF.

Von Franziska Brantner

Der neue Dienst auf einen Blick

Nach monatelangen Verhandlungen haben das Europäische Parlament und der EU-Rat im Oktober endgültig grünes Licht für die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes gegeben. Damit kann der neue Dienst mit rund 3.700 Mitarbeitern und 135 Botschaften weltweit seine Arbeit zum 1. Dezember 2010 aufnehmen. Der EAD stellt eine der wichtigsten institutionellen Reformen des Vertrags von Lissabon dar. Bestehende aber zersplitterte EU-Strukturen werden unter dem Dach des EAD zusammengefasst, reformiert und gestärkt. Der Europäische Verfassungskonvent, auf den der EAD zurückgeht, wollte mit dem neuen Dienst erreichen, dass Europa häufiger mit einer Stimme spricht, über Politikfelder hinweg kohärent agiert, schlagkräftiger auf der Weltbühne auftritt und Doppelstrukturen in der EU-Verwaltung abgebaut werden.

Die im Frühjahr dieses Jahres von EU-Außenministerin Catherine Ashton vorgelegten Entwürfe für den neuen Dienst wären diesen Ambitionen nicht gerecht geworden. Dank des Einsatzes des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren der letzten Monate, und trotz teilweise erheblicher Widerstände nationaler Regierungen, hat der EAD nun aber das Potential, zur treibenden Kraft für eine effektivere und legitimere EU-Außenpolitik zu werden. Wie von der Grünen-Fraktion gefordert, wurde die demokratische Kontrolle des Parlaments über den neuen Außendienst und über zivile Auslandseinsätze gestärkt. Beispielsweise wird das Parlament die Auslandsmissionen der EU dank neuer, Missions-spezifischer Haushaltslinien besser überwachen können. Nicht zuletzt auf Druck der Grünen konnte zudem der Versuch abgewendet werden, das Krisenmanagement und Peacebuilding der Union allein in die Hände von aus den Mitgliedstaaten entsandten Militärs zu legen. Wichtig ist auch, dass die Menschenrechte eine zentrale Rolle im neuen Außendienst spielen werden und der EAD ein weltweites Netzwerk an Menschenrechtsexperten aufbauen wird. Entgegen dem ursprünglichen Vorschlag Catherine Ashtons ist nun zudem sichergestellt, dass die politischen Prioritäten und Ziele der Entwicklungspolitik nicht geostrategischen Interessen untergeordnet werden. Der Beharrlichkeit der Grünen ist es schließlich zu verdanken, dass Geschlechtergerechtigkeit eine wichtige Rolle im neuen Dienst spielt und Frauen proaktiv gefördert werden.

Es ist jedoch noch offen, ob der Europäische Auswärtige Dienst in der Praxis tatsächlich sein Potential entfaltet und einen echten Mehrwert liefert – oder ob Europa lediglich sein 28. Außenministerium bekommt. Das liegt nun vor allem in den Händen von EU-Außenministerin Ashton. Sie muss den EAD in eine kraftvolle Koordinierungsstelle verschiedenster externer und interner Politikbereiche entwickeln. Und Catherine Ashton muss den Dienst zum Dreh- und Angelpunkt für Konfliktprävention und ziviles Krisenmanagement machen. Das wird nur möglich sein, wenn sie ihr gegenüber dem Parlament gegebenes Versprechen einhält und effektive Strukturen für Konfliktprävention, Krisenmanagement und Peacebuilding schafft und das notwendige Personal dafür bereitstellt. Hier werden wir sehr aufmerksam bleiben müssen: Bisher hat Catherine Ashton von den 118 neu geschaffenen Stellen im EAD keine einzige für diesen Bereich vorgesehen.

Von Seiten der deutschen Bundesregierung war im Übrigen während der Verhandlungen wenig zu hören. Berlin blieb apathisch an der Seitenlinie, während es gegolten hätte, sich im Rat gegen die rückwärtsgewandten Vorstellungen mancher nationaler Regierung zu stellen. Konstruktive oder gar ambitionierte Vorschläge der Bundesregierung blieben vollkommen aus, obwohl die grüne Bundestagsfraktion frühzeitig eine Reihe exzellenter Vorschläge auf den Tisch gelegt hatte.

Eine erste Bilanz des neuen Dienstes im Detail

Die Grünen haben dafür gekämpft, dass der Auswärtige Dienst zu einem Vorreiter für die weltweite Förderung der Menschenrechte wird. Ashtons Entwurf für den EAD vom Frühjahr hatte diesen wichtigen Bereich zunächst vollkommen ignoriert und Menschenrechte mit keinem einzigen Wort erwähnt. Auf unseren Druck hin hat sich die EU-Außenministerin schließlich in einer formellen Erklärung gegenüber dem Parlament verpflichtet, Menschenrechte und Good Governance zu ihrer "hohen Priorität" zu machen und diese Anliegen in alle Bereiche der Außenpolitik zu "mainstreamen". Dazu werden sowohl in der Brüsseler Zentrale als auch in den Botschaften Einheiten für Menschenrechts- und Demokratieförderung eingerichtet.

Nicht zuletzt aufgrund von Forderungen der Grünen-Fraktion wird die Entwicklungspolitik vor einer Unterordnung unter geostrategische Überlegungen bewahrt sowie weiterhin supranationalen Entscheidungsverfahren unterliegen. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Außenministerin sah vor, die Strategie- und Programmplanung der Entwicklungszusammenarbeit zum Teil in den EAD zu überführen, ohne jedoch den Dienst auf die Ziele der EU-Entwicklungspolitik zu verpflichten – mit dem Risiko, dass die Entwicklungspolitik in den Dienst anderer außenpolitischer Interessen gestellt wird. Nach zähen Verhandlungen konnte das Parlament durchsetzen, dass die Entwicklungszusammenarbeit zukünftig gemeinschaftlich vom EAD und der Kommission geplant und programmiert wird, wobei die Federführung und das letzte Wort stets beim Kommissar für Entwicklungspolitik bleibt. Gleichzeitig wurde der EAD rechtlich unmissverständlich auf die entwicklungspolitischen Grundsätze der Europäischen Union verpflichtet. Die Bekämpfung und Beseitigung der weltweiten Armut bleibt damit oberstes Ziel der EU-Entwicklungszusammenarbeit.

Die ambitionierten Vorschläge der Grünen für Krisenmanagement und Peacebuilding konnten den erbitterten Widerstand einiger nationaler Regierungen, allen voran der französischen, nicht überwinden. In harten Verhandlungen haben wir jedoch erreicht, dass die EU einen Schritt in die richtige Richtung geht. Wäre EU-Außenministerin Ashton mit ihrem in Paris skizzierten ursprünglichen Entwurf durchgekommen, hätte ein Rückfall in rein intergouvernementale und militärisch-dominierte Zeiten gedroht. Als grüne Verhandlungsführerin habe ich mich wiederholt für die Einrichtung einer Abteilung für Krisenmanagement und Peacebuilding stark gemacht, die die bisherigen Strukturen von Kommission und Rat gleichberechtigt im EAD zusammenführt. Diese Abteilung würde für den gesamten Konfliktzyklus von Vorsorge über Krisenmanagement bis hin zum Wiederaufbau verantwortlich sein und Prävention, Mediation und zivile Konfliktbearbeitung in den Vordergrund rücken. Zudem würden bei dieser Lösung die bereits auf europäischer Ebene vergemeinschafteten Instrumente und Kompetenzen in der Sicherheitspolitik vor einer Renationalisierung bewahrt. Das ist wichtig, da nach der supranationalen Gemeinschaftsmethode Entscheidungen schneller, transparenter und demokratischer getroffen werden können als in intergouvernementaler Geheimdiplomatie. Die ursprünglichen Vorschläge von Ashton wären genau in die gegenteilige Richtung gegangen: weniger Europa, mehr Militär, und kein Wort über Prävention und Mediation.

Die gefundene Kompromisssprache (in einer offiziellen Erklärung von Catherine Ashton gegenüber dem Parlament) ist vage und sieht vor, dass der EAD eine "angemessene Struktur" für Krisenmanagement und Peacebuilding erhält. Darin sollen die bestehenden Einrichtungen von Rat und Kommission auf der Basis von "enger Kooperation und Synergie" integriert werden, wobei der intergouvernementale bzw. supranationale Charakter der jeweils zu treffenden Entscheidungen respektiert werden soll. Es ist bedauerlich, dass wir Catherine Ashton und den Rat auf keine klarere und weitergehende Lösung verpflichten konnten und die Rolle der Konfliktprävention und des zivilen Krisenmanagements nicht deutlicher gestärkt wurde. Es ist jedoch ein wichtiger Verhandlungserfolg für die Grünen, dass die Rolle der bisherigen Experten in der Kommission für Krisenreaktion, Konfliktprävention und Peacebuilding in den neuen Strukturen des Auswärtigen Dienstes klar anerkannt wird – ihre zivile und supranationale Expertise kann daher nicht einfach den intergouvernementalen und mehr militärisch geprägten Strukturen des Rates untergeordnet werden. Zudem haben wir erreicht, dass in verbindlicher und uneindeutiger Form im EAD-Gründungsakt nochmals der EU-Verfassungsgrundsatz verankert wurde, der eine Intergouvernementalisierung bestehender Gemeinschaftspolitiken untersagt.

Auch wenn wir damit die Weichen in die richtige Richtung gestellt haben, hängt in diesem Bereich mehr als in jedem anderen vieles von der praktischen Implementierung ab. Die Grünen müssen und werden EU-Außenministerin Ashton daher genau auf die Finger schauen. Wie nötig das ist, hat sich bereits beim Entwurf des EAD-Haushalts für 2011 gezeigt. Würde dieser Vorschlag Realität, würde das wichtigste Gemeinschaftsinstrument für zivile Sicherheitspolitik, das Stabilitätsinstrument, de facto in die Hände von aus den Mitgliedstaaten entsandten Militärs gelegt – bisher kümmerten sich zivile Experten in der Kommission um die jährlich rund 200 Mio. Euro. Das stünde im klaren Widerspruch zu der von Catherine Ashton und dem Rat eingegangen Verpflichtungen gegenüber den Volksvertretern. Auf grünen Druck hin hat das Parlament hier aber bereits reagiert und einen Teil der Gelder des EAD für Krisenmanagement gesperrt, bis beim Budgetentwurf nachgebessert wird.

Das Europäische Parlament konnte Catherine Ashton und den Mitgliedstaaten zudem wichtige Zugeständnisse bei der demokratischen Kontrolle der EU-Außenpolitik abringen. In einer offiziellen Erklärung der EU-Außenministerin ist festgehalten, dass sich neu ernannte EU-Botschafter und EU-Sondergesandte vor Amtsantritt einer Anhörung im Parlament stellen müssen. Zudem erhalten die EU-Parlamentarier erweiterte Einsicht in vertrauliche Dokumente und müssen zukünftig vor der Verabschiedung von außen- und sicherheitspolitischen Strategien und Auslandsmissionen konsultiert werden.

Auch wenn es auf den ersten Blick nur ein technisches Detail ist, war die Frage nach der Platzierung des EAD-Haushaltes in den Verhandlungen bis zum Schluss kontrovers. Das Parlament wollte die volle Budgetkontrolle über den neuen Dienst und ihn gleichzeitig eng an die Kommission anbinden. Daher sprach es sich gegen eine eigene Haushaltssektion für den EAD aus, und wollte seine Gelder stattdessen innerhalb des Budgets der Kommission platzieren. EU-Außenministerin Ashton und die meisten nationalen Regierungen wollten hingegen einen möglichst unabhängigen Dienst. Die gefundene Kompromisslösung ist aus Grüner Sicht sehr zufriedenstellend. Zwar wird der EAD einen eigenständigen Haushalt für seine Verwaltungsausgaben bekommen, an dessen Erstellung wird die Kommission jedoch voll beteiligt und er wird uneingeschränkt der parlamentarischen Budgetkontrolle unterliegen. Zudem bleiben alle operationellen Ausgaben (wie z.B. für zivile Auslandseinsätze) im Budget der Kommission.

Die parlamentarischen Haushaltskontrollrechte werden zudem dank einer Reform der EU-Haushaltsordnung und einer politischen Vereinbarung mit EU-Außenministerin Ashton stark ausgeweitet. Die EAD-Zentrale und die weltweit präsenten EU-Botschaften müssen dem Parlament detailliert Rechenschaft über die Verwendung von Steuergeldern ablegen. Darüber hinaus wird es erstmal eigene Budgetlinien für die wichtigsten zivilen Auslandseinsätze der Union geben (beispielsweise EULEX Kosovo und EUPOL Afghanistan) – das erhöht die Transparenz und gibt den Volksvertretern volles Mitbestimmungsrecht darüber, wo außenpolitische Prioritäten gesetzt werden und wohin Steuergelder fließen.

Die EU-Außenministerin wird wegen der schieren Fülle ihrer Aufgaben unmöglich allen ihren Verpflichtungen persönlich nachkommen können. Die Grünen haben sich deshalb mit weiteren Fraktionen für die Einrichtung politischer Stellvertreter für Catherine Ashton eingesetzt, nach dem Vorbild von Staatssekretären, wie man sie auch in Deutschland kennt. Damit konnten wir uns allerdings nicht gegen den Rat durchsetzen, der die Frage möglichst offen lassen wollte und hier ein neues Betätigungsfeld für nationale Außenminister witterte. Immerhin konnte das Parlament aber erreichen, dass die Frage politisch verbindlich geklärt wurde und die Kommission dabei eine wichtige Rolle spielen wird. In einer formellen Erklärung von Catherine Ashton ist nun festgelegt, dass die EU-Außenministerin von einem EU-Kommissar vertreten wird, wenn es sich um überwiegend supranationale Angelegenheiten in Gemeinschaftskompetenz handelt. Bei Fragen, die überwiegend unter die intergouvernementale Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik fallen, wird die EU-Chefdiplomatin in der Regel vom Außenminister des Mitgliedstaats vertreten werden, der gerade die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Verbunden mit der Frage der politischen Stellvertreter ist ein weiterer wichtiger Erfolg für das Parlament und die Grünen: Entgegen Ashtons ursprünglichen Plänen und französischen Wunschvorstellungen wird der Dienst von keinem allmächtigen Generalsekretär geleitet werden. Dieser unmittelbar keinem Parlament demokratisch verantwortliche Spitzenbeamte darf die EU-Außenministerin nun nicht in politischen Fragen vertreten. Seine Führungsrolle wurde vom Parlament vielmehr auf vorwiegend administrative Aspekte beschränkt; zudem wird er Teil eines weiteren Führungskreises sein, was eine übermäßige Machtkonzentration verhindert.

Auf einen guten Kompromiss konnten sich alle Beteiligten hinsichtlich des Personals des Europäischen Auswärtigen Dienstes einigen. Mindestens 60% der Mitarbeiter des Dienstes werden Beamte der Europäischen Union sein, mindestens ein Drittel des Personals wird von den nationalen Außenministerien für jeweils vier bis zehn Jahre entsandt. Die Lösung stellt einerseits den europäischen Charakter des neuen Dienstes sicher, sorgt gleichzeitig aber für eine enge Anbindung an die nationalen Außenpolitiken – letzteres fördert die Kohärenz zwischen Brüssel und den nationalen Hauptstädten und schafft Vertrauen in den Mitgliedstaaten. Damit die nationalen Diplomaten im EAD aber ihre Loyalität klar gegenüber Europa als Ganzes und nicht gegenüber "ihrer" nationalen Regierung sehen, haben wir zwei wichtige Punkte durchsetzen können. Zum einen entscheiden allein der EAD und der betroffene Mitarbeiter, ob dessen Vertrag beim EAD nach vier Jahren verlängert wird – die jeweilige nationale Regierung erhält hier kein Vetorecht. Zum anderen haben die nationalen Diplomaten nach ihrer Rückkehr aus dem EAD einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in ihrem nationalen Ministerium. Leider ist es uns Grünen nicht gelungen, explizit festzulegen, dass die Mitgliedstaaten auch Mitarbeiter entsenden können, die nicht aus ihrem "diplomatischen Dienst" kommen, wie es nun das EU-Personalstatut fordert. Der EAD könnte zum Beispiel sehr gut Experten aus den Entwicklungs- oder Innenministerien gebrauchen. Es bleibt nun leider allein den nationalen Regierungen überlassen, ob sie solches Personal über den Umweg ihres "diplomatischen Dienstes" trotzdem nach Brüssel senden wollen oder nicht.

Wir Grüne haben uns in diesem Zusammenhang auch für die Gründung einer Europäischen Akademie für Auswärtige Angelegenheiten eingesetzt und dafür die Rückendeckung der zuständigen Parlamentsausschüsse bekommen. Aus rechtlichen Gründen konnte das Parlament die Reform des EU-Personalstatuts leider nicht wie erhofft für die Schaffung einer solchen Einrichtung nutzen. In Verhandlungen konnten wir jedoch erreichen, dass Catherine Ashton sich zu der Idee gegenüber dem Parlament bekannt hat und innerhalb der nächsten zehn Monate einen Vorschlag unterbreiten wird. Gemeinsames Training ist wichtig, da die Mitarbeiter des EAD einen sehr unterschiedlichen Hintergrund haben. Während den EU-Beamten oft diplomatische Erfahrung fehlt, mangelt es nationalen Diplomaten oft an Verständnis für die Europäische Union. In beiden Gruppen fehlt es zudem oft an Kenntnissen für zivile Konfliktbearbeitung und Mediation. Eine Europäische Akademie für Auswärtige Angelegenheiten könnte hier Erhebliches leisten. Mehr noch, nur durch solch gemeinsames Training können die Diplomaten des EAD mit ihren so unterschiedlichen Erfahrungswelten den esprit de corps entwickeln, von dem Kohärenz und Erfolg des Dienstes maßgeblich abhängen werden.

Einen großen Erfolg haben die Grünen mit ihrem Beharren auf Geschlechtergerechtigkeit erzielt. Das Erreichte geht erheblich über die Vorlage von EU-Außenministerin Ashton vom Frühjahr hinaus – sie hatte lediglich vorgeschlagen, dass das Ziel Geschlechtergerechtigkeit bei der Personalauswahl berücksichtigt werden muss. Dank unseres Druckes ist der EAD nun gesetzlich dazu verpflichtet, ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in seinen Reihen sicherzustellen. Darüber hinaus hat sich Catherine Ashton in einer Erklärung formal dazu verpflichtet, proaktive Maßnahmen zum Abbau von strukturellen Hürden für Frauen im Auswärtigen Dienst zu ergreifen. Solche Hindernisse sind zum Beispiel die oft nicht lückenlosen Karrieren von Frauen oder die Tatsache, dass Männer selten bereit sind, beruflich zurückzustecken, um ihren Partnerinnen eine mit häufigen Ortswechseln verbundenen Karriere als Diplomatin zu ermöglichen. Das Erreichte geht damit weit über nette Formulierungen hinaus: Die EU- Außenministerin hat sich erstmals darauf verpflichtet, proaktiv auf mehr weibliche Bewerbungen hinzuwirken, strukturelle Hürden abzubauen und dabei auch auf die weltweiten best practices in nationalen Außenministerien zurückzugreifen. Wie wichtig solche Maßnahmen sind, zeigt ein Blick auf die Statistik: vor der jüngsten Rotation im September 2010 gab es gerade einmal sieben Botschafterinnen an der Spitze der 135 EU-Auslandsvertretungen.

Ein sehr vernünftiger Kompromiss wurde auch mit Blick auf die geographische Ausgewogenheit des neuen Dienstes gefunden. Der Europäische Auswärtige Dienst muss bei seiner Personalauswahl für eine angemessene Repräsentierung aller Mitgliedstaaten sorgen. Zudem muss EU-Außenministerin Ashton einen Maßnahmenkatalog zur Förderung von Bewerbern aus unterrepräsentierten EU-Staaten vorlegen. Dies sind wichtige Bestimmungen, werden doch bisher die EU-Außenbeziehungen vor allem von Westeuropäern gemanagt (vor der jüngsten Rotation im September 2010 stammten beispielsweise nur zwei der 135 EU-Botschafter aus Osteuropa). Einige im Europäischen Parlament meinten es jedoch zu gut und kämpften mit harten Bandagen für die Einführung von nationalen Quoten. Sie gingen soweit, dass Kriterien wie Leistung und Qualität der Bewerber hinter deren Nationalität zurücktreten sollten. Das stünde nicht nur im Widerspruch zum europäischen Geist des EAD, sondern hätte den Dienst und seine Diplomaten diskreditiert. Wir Grüne haben uns daher zusammen mit einer Mehrheit im Parlament gegen solche nationale Quoten und für intelligente Maßnahmen ausgesprochen, die osteuropäische Bewerberinnen und Bewerber fördern, ohne im Widerspruch zum europäischen Charakter des Dienstes und dem Leistungsprinzip zu stehen.

Dossier

Deutsche Entwicklungspolitik im Spannungsfeld Globaler Krisen

Klimawandel, Welternährungskrise, Armut und Finanzkrise: Die deutsche Entwicklungspolitik steht vor Herausforderungen, die nur ressortübergreifend gelöst werden können. Nach einem Jahr schwarz-gelber Regierungsarbeit will die Heinrich-Böll-Stiftung das Spannungsfeld nationaler, europäischer und internationaler Entwicklungspolitik kritisch ausleuchten und Reformperspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit aufzeigen. zum Dossier»