Übersetzung: Jens Siegert
Bei den Präsidentenwahlen in der Ukraine wurde das Wahlrecht auf schwerste Weise verletzt. Die gegenwärtigen Machthaber haben aktiv ihre administrativen Ressourcen genutzt, um einem der Kandidaten einen Vorteil zu verschaffen, und zwar demjenigen Kandidaten, der sie selbst vertritt.
Konnten sie damit den Sieg von Wiktor Janukowitsch sicherstellen? Es gibt den ernsthaften Verdacht, dass es während der Abstimmung selbst und beim Auszählen der Stimmen zu großangelegten Fälschungen gekommen ist. Das ist die Meinung der Mehrheit der unabhängigen internationalen Beobachter. Wir haben keinen Grund, ihrem Urteil nicht zu trauen, ebenso wie der damit übereinstimmenden Meinung der ukrainischen Memorial-Mitgliederorganisationen.
Im Ergebnis hat sich die politische Auseinandersetzung in der Ukraine zu einer politischen Krise mit möglicherweise hochgefährlichen Folgen für die Ukraine selbst, für den gesamten postsowjetischen Raum und für Europa insgesamt entwickelt.
Es ist zudem kein Geheimnis, dass sich der Kandidat der gegenwärtigen Machthaber in der Ukraine der besonderen Sympathien der russischen Staatsführung erfreut, und dass die offizielle russische Politik, ausgerichtet darauf, das nach Kremlmeinung gewünschte Resultat bei diesen Wahlen zu erzielen, deutlich die Grenzen des Anständigen überschritten hat. Besonders ungehörig erscheinen die voreiligen Glückwünsche des russischen Präsidenten an Janukowitsch „aufgrund der Ergebnisse der Exit-Polls". Solch plumpe und gefährliche Gesten sind, wie auch immer sich die Ereignisse in den kommenden Stunden und Tagen entwickeln werden, lediglich dazu in der Lage, das Verhältnis unserer beiden Brudervölker zu zerstören. Die führenden russischen Außenpolitiker müssen nun maximale Zurückhaltung üben und dürfen keinerlei Handlungen zulassen, die als Rückfälle in imperiales Denken oder als indirekte, ja noch schlimmer als direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates gewertet werden könnten.
Die Internationale Gesellschaft Memorial ist davon überzeugt, dass das ukrainische Volk selbst einen Ausweg aus der Krise findet.
Wir sind mit denjenigen ukrainischen Bürgern solidarisch, die gegenwärtig ihr Recht und ihre Freiheit in ihrem Land verteidigen.
Wir glauben an den Sieg der ukrainischen Demokratie.
Vorstand der Internationalen Gesellschaft Memorial