Der Fall Chodorkowskij biegt in die Zielgerade ein. Das Wort hat das Gericht.
Das Gericht ist aufgerufen auf die Frage zu antworten, ob Michail Chodorkowskij in den ihm von der Anklage vorgeworfenen Punkten schuldig oder unschuldig ist. Und wir messen dem, wie sich das russische Gerichtswesen in diesem Fall zeigt, außerordentliche Bedeutung zu.
Viele Menschen in Russland und im Ausland sehen hinter dem gegen Michail Chodorkowskij eröffneten Strafverfahren politische Motive. Michail Chodorkowskij hat offen gegen eine ganze Reihe von wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierung opponiert und damit den Unwillen hochgestellter Staatsbeamter und des Präsidenten selber hervorgerufen. Er hat ebenso offen oppositionelle Parteien finanziert. Michail Chodorkowskij hat auf dem Recht eines Unternehmers bestanden, eine eigenständige politische Position einzunehmen. Und diese Position fand ihren Niederschlag in der Sozialpolitik des von ihm geführten Ölkonzerns JUKOS, der als erster erklärte, danach zu streben, auch das Großunternehmertum transparent zu gestalten und der als Erster reale Schritte in diese Richtung gegangen ist.
Die planmäßige Zerschlagung von JUKOS, des Symbols neuen russischen Erfolgs und wirtschaftlicher Effizienz, die demonstrative Festnahme und Untersuchungshaft Chodorkowskijs, die unzähligen Verfahrensfehler während der Untersuchung, die Umwandlung eines zivilgerichtlichen Verfahrens in eine strafrechtliche Anklage, und, wohl am meisten, die von der Staatsmacht geführte aggressive mehrmonatliche Informationskampagne, all das zerstreut nicht, sondern verfestigt die Überzeugung, dass der Fall politischer Natur ist.
Das offen abschreckenden Charakter tragende Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft und anderer Behörden gibt Anlass, an der Aussicht auf einen objektiven Gerichtsprozess zu zweifeln.
Nicht zufällig hat sich gerade im Lauf des sogenannten „Fall Chodorkowskij" der Begriff „Basman-Gerichtsbarkeit"* herausgebildet.
Die Notwendigkeit zivilgesellschaftlicher Kontrolle im „Fall Chodorkowskij" ist offensichtlich.
Wir erklären, dass wir dem Prozess gegen Chodorkowskij genauestens folgen und alle Handlungen und Argumente der beteiligten Seiten eingehend analysieren und bewerten werden. Wir werden die russische und die internationale Öffentlichkeit über alle von uns im Lauf des Prozesses gefundenen Rechtsverletzungen informieren. Nach Ende des Prozesses werden wir versuchen, eine ausführliche und ausgewogene Bewertung des „Fall Chodorkowskij" im Ganzen abzugeben. Wir werden alles von uns Abhängende tun, damit diese Bewertung ausreichend laut zu hören sein wird.
Wir unterstreichen die Meinung des „Komitee für ein faires Verfahren im Fall Michail Chodorkowskij": „Es gibt keine politischen Umstände, die als Vorwand dienen könnten Michail Chodorkowskij, wie jeden anderen beliebigen Bürger, von seiner Verantwortung vor dem Gesetz zu befreien. Ebenso gibt es aber auch keine wie auch immer gearteten staatlichen Interessen, die es rechtfertigen würden, gegen politische Gegner unter Missbrauch der Justiz vorzugehen."
Wir sind davon überzeugt, dass eine gerechte und auf dem Recht basierende Auseinandersetzung in diesem Fall nicht nur im Interesse der russischen Unternehmer sondern der gesamten russischen Gesellschaft ist.
Unabhängige Gerichte sind die Grundlage eines Rechtsstaates, sie sind notwendige Bedingung für eine transparente, nicht korrupte und effektive Wirtschaft, sie sind das wichtigste Zeichen demokratischer gesellschaftlicher Beziehungen.
Wir rufen alle, denen die Zukunft des Landes nicht gleichgültig ist, auf, sich der zivilgesellschaftlichen Kontrolle des Verfahrens anzuschließen. Verfolgen Sie den Prozess, analysieren sie und ziehen sie selbstständig ihre Schlüsse.
Wir sind davon überzeugt, dass es den Prinzipen der „Basman-Gerichtsbarkeit" unter den scharfen Augen der zivilgesellschaftlichen Kontrolle nicht leicht wird, zu triumphieren.
* Anm. des Übersetzers: Das Basman-Gericht befindet sich in der Moskauer Innenstadt und ist für alle Prozesse mit Beteiligung zentraler Staatsbehörden zuständig. Mit dem Begriff „Basman-Gerichtsbarkeit" werden in Russland Gerichtverfahren bezeichnet, deren Ausgang durch staatliche Einflussnahme vorherbestimmt ist.
UnterzeichnerInnen (Stand 28. Mai 2004):
- Moskauer Helsinki Gruppe
- Internationale Gesellschaft „Memorial"
- Zentrum „Demos"
- Stiftung zur Verteidigung von Glasnost
- Institut Nationales Projekt «Gesellschaftsvertrag»
- Stiftung «Gesellschaftliches Urteil»
- Gesellschaftliche Stiftung für soziale Unterstützung und zivilgeselslchaftliche Initiativen, Barnaul, Gebiet Altaj
- Assoziation „EGIDA" zum Schutz von Rechten und Freiheiten der Menschen und Bürger im Jüdischen Autonomen Gebiet
- „Zentrum sozialer und Bisldungsinitiativen", Ischewsk, Republik Udmurtien
- Institut für die Entwicklung der Presse, Nowosibirsk
- Komitee „Bürgerbeteiligung", Moskau
- Stiftung „Welt der Frauen", Tscheboksary, Republik Tschuwaschien
- Nowosibirsker städtische Organisation der freiberuflichen Ärzte
- „Zentrum zur Unterstützung demokratischer Jugendinitiativen" (Jugend-Memorial, Perm
- „Gesellschaft zur Unterstützung von Unternehmerinitiativen", Perm
- „Union der Soldatenmütter", Regionalgruppe Saratow, Balakowo
- „Zentrum wirtschaftlicher und gesellschftlicher Verbindungen", Smolensk
- Menschenrechtsgruppe „Ein Schritt aufeinander zu", Sneschinsk, Gebiet Tscheljabinsk
- Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands, Moskau
- „Südliche Welle", Krasnodar
- Gesellschaftliche Stiftung „Ekologija", Tscheljabinsk
- Ökologisches Zentrum „Dront", Nischnij Nowgorod
- Stiftung zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten, Moskau
- Ökologischer Klub „Green Club", Murmansk
- Organisation „Für radioaktive Sicherheit", Murmansk
- „Zentrum zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen", Dmitrowgrad, Gebiet Uljanowsk
- Interregionale Gruppe „Menschenrechtsnetzwerk", Rjasan
- Russisches Historisches und Menschenrechtliches Journal „Karta", Moskau
- Rjasaner Schule der Menschenrechte, Rjasan
- Stiftung Andrej Sacharow, Moskau
- Andrej-Sacharow-Museum, Moskau
- Gesellschaft der Opfer des Kommunistischen Terrors, Nischnij Nowgorod
- Zentrum Gesellschaftlicher Initiativen „Alter Vita", Stawropol
- Gazeta.Ru, Internetzeitung, Moskau
- Zeitung „Karelisches Gouvernement", Petrosawodsk, Republik Karelien
- „Kommission für Menschenrechte im Gebiet Tomsk", Tomsk
- Union gesellschaftlicher Organisationen „Junges Wologda", Wologda
- Institut der Regionalpresse, St. Petersburg
- „Jugendzentrum für Menschenrechte und Rechtskultur", Moskau
- Regionalgruppe der Bewegung „Für Menschenrechte", Chabarowsk
- Stiftung „Sozialpartnerschaft", Moskau
- Komitee für Bürgerliche Rechte, Moskau
- „Internews", Moskau
- Memorial Twer, Twer
- Menschenrechtszentrum Solidarität, Saratow
- Strategiezentrum für Soziale Entwicklung, Stawropol
- Memorial Pensa, Pensa
- „Zentrum für humanistische Aufklärung", Pensa
- Regionale Gesellschaftliche Bewegung „Wetsche", Pskow
- „Samara-ISITO", Samara
- „Baikaler Zentrum für Rechtsreformen"
- „Regionales Zentrum für Menschenrechte", Nowgorod
- Institut für Menschenrechte, Moskau
- Informations- und Analysezentrum „SOWA", Moskau
- Nichtkommerzielle Organisation „Zum Schutz der Menschenrechte ‚Golos‘", Samara
- Liga der Wähler von St. Petersburg, St. Petersburg
- „Soziale Ökologie", Nowosibirsk
- Memorial Donezk, Donezk, Ukraine
- Donezker Organisation „Amnesty International – Ukraina-4", Donezk
- Informations- und Menschenrechtszentrum „SKIF", Donezk, Ukraine
- Regionale Gesellschaftliche Stiftung zur Hilfe von alten Menschen „Gute Sache", Moskau
- Wissenschaftliches Informationszentrum Memorial, St. Petersburg
- Menschenrechtszentrum des südliche Kussbas, Nowokusnezk
- „Bürgerkontrolle", St. Petersburg
- Memorial, St. Petersburg
- „Planet und Vernunft", Republik Karbadino-Balkarien
- „Kommission zum freien Zugang zu Informationen", Moskau
- „Sabaikaler Zentrum für gesellschaftliche Entwicklung"
- Pskower Regionale Geselslcahftliche Organisation, Siedlung Pljussa, Gebiet Pskow
- Jugendstudio für Gitarrenlieder „Große Quelle", Tschita
- Internationale Sozial-Ökologische Union, Moskau
- Zentrum zum Schutz der Wildnis, Moskau
- Koordinationszentrum der gesellschaftlichen Bewegung zum Schutz der Wolga „Helfen wir dem Fluss" und das Russische Flüsse-Netzwerk, Nischnij Nowgorod
- Kaliningrader regionale Jugendorganisation „ZUNAMI", Pionersk, Gebiet Kaliningrad
- Memorial Saratow
- „Krasnodarer Menschenrechtszentrum", Staniza Pawlowskaja, Gebiet Krasnodar
- Memorial Tomsk
- Regionalorganisation Tomsk „Für ein gesundes Russland", Tomsk
- Zentrum für zivile Bildung und Menschenrechte", Perm
- Redaktion der Zeitung der Grünen „Bereginja",
- Liga der Wählerinnen von Chibin
- Zentrum zur Vorbeugung vor Drogensucht „Vita"
- Komitee der Soldatenmütter, Apatit, Gebiet Archangelsk
- Jugendorganisation „Der kleine Prinz", Nischnij Nowgorod
- Regionale wohltätige Stiftung für Jugend und Kindheit „Ariston", Republik Karelien
- Ökologische Gruppe „Taiga", Kreis Krasnoarmejsk, Primorskij Gebiet
- Familiäre Gemeinschaft Autochtoner Völker des Fernen Ostens „"Bua Choni", Primorskij Gebiet
- „Ökologische Union des Gebiets Krasnojarsk", Krasnojarsk
- Memorial Krasnojarsk