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Amerikas politische Geografie

16. Juni 2009
von Klaus Linsenmeier.

Während die EuropäerInnen sich für ein eher konservatives Parlament entschieden haben, bläst in den USA den Republikanern der Wind heftig ins Gesicht. Die Parteienlandschaft Amerikas ein halbes Jahr nach der Präsidentschaftswahl, analysiert von Klaus Linsenmeier.

Die amerikanische Politik hat ohne Zweifel eine Reihe von Besonderheiten. Die Analyse der Gefolgschaften von Demokraten und Republikanern seit der letzten Wahl dürfte aber auch für Grüne Analysten aufschlussreich sein.

Die Republikaner – eine Regionalpartei?

Im Laufe ihrer Geschichte waren die Republikaner immer wieder in Gefahr, eine Regionalpartei zu werden. Gegründet etwa zehn Jahre vor Beginn des Bürgerkrieges (1861-1865) führte die Spaltung des Landes entlang der Rassenfrage auch zu einer Spaltung der dominierenden Parteien. Der Republikaner Abraham Lincoln führte den Norden in den Krieg gegen die Sezession des Südens und gegen die Sklaverei. Die Republikaner, im Süden als Partei der Invasoren aus dem Norden verhasst, waren völlig auf die Wählerschaft im Norden des Landes zurückgeworfen. Erst seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist es den Republikanern langsam gelungen,  im Süden Fuß zu fassen.

Erstmals stellten sie 1994 die Mehrheit der aus dem Süden stammenden Senatoren. Inzwischen sind die Republikaner mit ihrem klaren konservativen Profil eine Partei des Südens geworden. Hier können sie bei Kongress- oder Gouverneurswahlen Mehrheiten gewinnen. Im Norden verlieren sie dagegen zunehmend an Einfluss. Inzwischen ist das Problem der Partei geografisch genau umgekehrt gelagert. Schlimmer noch:  In kaum einer relevanten Wählergruppe des Nordens sind die Republikaner erfolgreich.

Demokraten seit Langem im Aufwind

Die Demokraten haben in vier der letzten fünf Wahlen außerhalb des Südens überragende Mehrheiten erreicht.  Die Mehrheiten, die Bill Clinton und Barack Obama gegenüber den Republikanern insgesamt erringen konnten, waren eindeutiger als die von George W. Bush, auch wenn Obamas Sieg nicht als Erdrutsch bezeichnet werden kann.

Wichtiger sind aber die geografischen und vor allem die demografischen Entwicklungen. Die Demokraten lassen den Republikanern in den wichtigen und bevölkerungsreichen Vorstädten des Nordens keine Chance. „Den Republikanern“, zurückgedrängt in die dünn besiedelten ländlichen Gegenden, „gehen die Leute aus“, beschreibt Wahlanalyst Robert Land von der Virginia Tech University das strategische Problem der Republikaner.

Republikaner können in den demokratischen Hochburgen Gouverneurswahlen, bei denen es stark auf die Persönlichkeit des Kandidaten ankommt, durchaus gewinnen. Bei den Kongress- und Präsidentschaftswahlen ist der demokratische Vorsprung jedoch erheblich. Die republikanische Wählerbasis im Süden ist zu klein, um sich gegenüber dem demokratischen Vorsprung im Norden zu behaupten, erläuterte Ronald Brownstein von Atlantic Media, einem Medienforschungsinstitut. Umgekehrt ausgedrückt: Die Republikaner sind im Süden so stark wie nie zuvor. Aber diese relative Stärke der Republikaner hat lange Zeit verdeckt, was der Partei im Norden droht: nämlich politisch verdrängt zu werden.

Demography matters!

Die aufschlussreichsten Erkenntnisse über das Wählerverhalten bieten wohl die demografischen Analysen, die auch weitgehend den anhaltenden Erfolg der Demokraten erklären.

Die letzten Wahlen waren die „diversesten“ in der Geschichte der USA: Der Anteil der weißen Wähler fällt kontinuierlich. Waren 1988 noch 85 Prozent der Wähler weißer Hautfarbe, so erreichte diese Wählergruppe bei der Wahl 2008 nur noch einen Anteil von 76 Prozent. Lediglich bei den weißen Arbeitern hatte Obama weniger Erfolg als sein republikanischer Kontrahent.

Dagegen entschieden sich sämtliche ethnischen Minderheiten mit zum Teil großer Mehrheit für den demokratischen Kandidaten. Entscheidend sind zudem die Mobilisierungserfolge der Demokraten gerade unter der nicht-weißen Bevölkerung:  Die Gruppe mit der größten Wahlbeteiligung sind schwarze Frauen! Hier wird künftig ein weiteres Problem der Republikaner liegen: Der Anteil der weißen Wähler wird in Zukunft weiter abnehmen. Zunehmend drängen Latinos ins Land, ihr Weg führt zumeist über die Südstaaten. Allein in Texas, dem republikanischen Kernland schlechthin, sind inzwischen 37 Prozent der Wähler Nichtweiße. Auch wenn diese Bevölkerungsgruppe nicht automatisch demokratisch wählt, setzt diese Entwicklung die republikanischen Mehrheiten im republikanischen Süden zusätzlich unter Druck.

Ein weiteres Merkmal gibt den Analysten der Republikaner zu denken:  die Bildung. Die GOP, die Große Alte Partei, wie Republikaner gerne genannt werden, erreicht kaum Wähler mit gehobenen Bildungsabschlüssen. Ihre Wähler sind zudem deutlich älter als die demokratische Anhängerschaft. Die Republikaner sind eine hinsichtlich ihrer Wählerbasis „schrumpfende Partei“, titelte kürzlich das meinungsbildende National Journal; begrenzt ist die Partei auf den Süden und auf die ländlichen Gebiete mit einem „weißen“ Profil in einer Gesellschaft, die zunehmend von Minderheiten geprägt wird. Keine leichte Aufgabe für konservative Parteistrategen.

GOP: Where to go?

Die Partei tut sich deshalb schwer, einen Weg aus der Talsohle zu finden. Dick Cheney, der ehemalige Vizepräsident, kämpft um den Erhalt des Ansehens der ehemaligen Regierung und verteidigt unbeirrbar die Vorteile des „waterboarding“ und anderer Verhör- und Haftmethoden, die auch hier inzwischen von den meisten als Folter bezeichnet werden.

Andere rechnen mit „moderaten“ Republikanern wie dem ehemaligen Außenminister Colin Powell, einem Afroamerikaner, ab. Der habe doch überhaupt nichts für die Partei geleistet und sollte besser gehen, poltert Rush Limbaugh, der mediale Scharfmacher der Republikaner. Uneins sind sich derzeit die Republikaner, wie sie sich bei der Ernennung von Sonia Sotomayor zur obersten Richterin verhalten sollen: Sie wäre die erste Latina im ehrwürdigen Obersten Gerichtshof Amerikas. Sie in dem üblichen parlamentarischen Anhörungsverfahren  für höhere Beamte und Amtsträger abzulehnen, wäre eine weitere Belastung für das Verhältnis der Republikaner zu dieser immer wichtiger werdenden Bevölkerungsgruppe. Der Ernennung der eher liberalen Richterin zuzustimmen, widerspricht dagegen so ziemlich allem, wofür aufrechte Konservative in den USA stehen. Eine „No-win“-Situation für die ohnehin gebeutelten Republikaner.

Während die republikanischen Strategen noch darum ringen, wer mit welchen Inhalten für die Partei sprechen soll, erodiert ihre konservative Basis weiter: Zunehmend besinnen sich offensichtlich gerade junge Evangelikale auf die grundlegenden Werte ihrer religiösen Strömung. Waren sie einst Teil der konservativen Koalition, die George W. Bush anführte, so sind diese Menschen immer häufiger in Zusammenhängen anzutreffen, bei denen es um die Solidarität mit der Dritten Welt, Globalisierungskritik oder die Erhaltung der Umwelt geht. 

Die Frage der regionalen Balance bestimmt derzeit die Debatte über den  nächsten republikanischen Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2012.  Sollte er oder sie aus dem Norden kommen, um dort die entscheidenden Wählerstimmen zu mobilisieren oder gilt es die südliche Kernregion zu sichern? Derweil läuft sich eine Reihe von möglichen Kandidaten warm, unter Ihnen Gouverneur Bobby Jindal, ein Hoffnungsträger aus Louisiana mit Vorfahren aus Indien.

In der republikanischen Debatte wird aber auch deutlich, dass die Partei um eine neue personelle und inhaltliche Ausrichtung wird ringen müssen, gleichgültig aus welcher Region der nächste Kandidat kommt. Vorausschauende Parteistrategen der Konservativen geben schon das Jahr 2014 als das entscheidende Jahr an, denn dieses markiert die wichtigen Midterm Elections der dann zweiten demokratischen Präsidentschaft. Diese Wahlen gelten als entscheidende Testwahlen für die darauf folgenden Präsidentschaftswahlen in 2016, zu denen Obama laut amerikanischer Verfassung nicht mehr antreten darf. Die Republikaner werden die Zeit brauchen, um sich neu zu erfinden, die Demokraten können in absehbarer Zeit nur an sich selbst scheitern. Das allerdings wäre auch nicht das erste Mal.

Klaus Linsenmeier leitet das Büro Washington der Heinrich-Böll-Stiftung.