Der russische Atomsektor: Wettbewerbsverzerrung und Korruption

Sergey Kirienko, Generaldirektor von Rosatom, Quelle: flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Teaserbild: Gebäude der russischen Föderalen Agentur für Atomenergie, Quelle: commonswikimedia, Lizenz: gemeinfrei

7. Juli 2011
Ivan Ninenko und Julia Tkacheva

Der russische Staatskonzern für Atomenergie Rosatom, die bevollmächtigte Organisation zur Verwaltung der Atomenergie in Russland, genießt eine besondere rechtliche Stellung. Dem Gesetz zufolge ist Rosatom weder ein Unternehmen, ein Staatsorgan, noch eine gemeinnützige Gesellschaft, sondern ein ganz spezielles Rechtssubjekt, das jedoch viele Ähnlichkeiten mit traditionellen staatlichen Verwaltungsorganen hat. Eine Analyse der Unternehmenseinkäufe sowie der ineffizienten und intransparenten Ausschreibungsverfahren ermöglicht eine Einschätzung der Wettbewerbsbehinderungen und Korruptionsrisiken im russischen Atomsektor.

Der gesamte russische Atomsektor wird vom russischen Staat durch den Staatskonzern Rosatom kontrolliert. Dieser Staatskonzern umfasst Forschungsinstitute, Atomkraftwerke, Fabriken zur Produktion der Kraftwerksbauteile, Deponien zur Lagerung des Atommülls und weitere Objekte, die aus dem Erbe der Sowjetunion erhalten geblieben sind. Vor dem Hintergrund des Tätigkeitsumfangs dieses Staatskonzerns sowie der öffentlichen Bedeutung dieses Themas ist es unerlässlich, detailliert zu klären, wie dieses Unternehmen aufgebaut ist und welche Gefahren der Korruption seiner Arbeit innewohnen. Zu Beginn wird der Begriff »Staatskonzern« näher erläutert.

Die rechtliche Stellung der Staatskonzerne

Wenn von der weltweiten Praxis der Gründung von Staatsunternehmen und Staatskonzernen gesprochen wird, so ist deren Existenz teilweise auf die geringe Effektivität der traditionellen Verwaltungsorgane zurückzuführen. Diese dezentralisierten Einrichtungen sind finanziell wie administrativ vom Staat getrennt, genießen weitreichende Leitungsbefugnisse und verfolgen darüber hinaus kommerzielle Interessen. Gerade auf Grund der effektiveren Kontrolle übergeben Staaten die Leitung strategischer Wirtschaftszweige häufig Staatsunternehmen und Staatskonzernen.

Im russischen Fall ist interessant, dass das Bürgerliche Gesetzbuch Russlands den Begriff des »Staatsunternehmens« nicht kennt. Die Entstehung dieses Begriffs wird von Zivilrechtsexperten als die Aufweichung der rechtlichen Regelung der Kategorie »gemeinnützige juristische Personen« und des Rechtsstaatsprinzip angesehen. Anstelle einer Trennung des Staatsapparates von der Wirtschaft findet eine Umwandlung ganzer Bereiche der Exekutivgewalt in besondere Formen der Wirtschaftsaktivität statt, die auf einem Missbrauch der Machtbefugnisse basieren. Dem russischen Gesetz zufolge ist ein Staatskonzern eine gemeinnützige Gesellschaft, die jedoch berechtigt ist, wirtschaftlichen Tätigkeiten in Übereinstimmung mit ihren Gründungszielen nachzugehen. Von Unklarheiten und Ungenauigkeiten der Statusbestimmung von Staatsunternehmen zeugt das Gesetz selbst.

Staatskonzerne sind dem zufolge weder Unternehmen (es gibt keine Beteiligungsmöglichkeit), Staatsorgane (da sie private Besitzer ihres Eigentums sind) noch sind sie gemeinnützige Gesellschaften, da sie in einigen Fällen unternehmerischen Aktivitäten nachgehen. Dabei sind die Grundsätze zur zweckmäßigen Bestimmung des Vermögens von Staatskonzernen gesetzlich geregelt, wie dies auch bei staatlichen Einrichtungen der Fall ist.

Die gesetzlichen Bestimmungen über den Status von Staatskonzernen beinhalten unterschiedliche und vielfältige Ausnahmen vom allgemeinen Status der juristischen Person. Unter anderem sind sie von der allgemeinen Verpflichtung gemeinnütziger Gesellschaften befreit und von einer bevollmächtigten Instanz ist ein regelmäßiger Bericht über ihre Tätigkeiten und die Verwendung ihrer Gelder vorzulegen. Auch sind Staatskonzerne von der Überwachung durch Finanz- und Steuerbehörden befreit. Zudem sind die allgemeinen Regeln über die Abschaffung der juristischen Person in Folge eines Bankrotts gegenüber Staatsunternehmen nicht anwendbar. De facto ist ein Staatskonzern im gesetzlichen Sinne organisationsrechtlich keine juristische Person, sondern ein spezielles Rechtssubjekt, das in seinem Status einmalig ist.

Hervorzuheben ist, dass sich Präsident Medwedew schon mehrfach kritisch über diese sonderbare rechtliche Situation geäußert hat. Er hat davon Abstand genommen, neue Staatskonzerne zu gründen, und ordnete an, mit einer Umgestaltung der bestehenden Staatskonzerne in traditionellere Eigentumsformen zu beginnen.

Rosatom als Staatskonzern

Der Staatskonzern für Atomenergie Rosatom (im Folgenden Rosatom) ist dem Gesetz zufolge, wie oben angeführt, eine gemeinnützige Gesellschaft. Rosatom hat nicht den Status eines Staatsorgans, sondern ist ein bevollmächtigtes Organ zur Verwaltung der Atomenergienutzung.

Unserer Ansicht nach besitzt Rosatom jedoch viele Merkmale, die traditionellen staatlichen Verwaltungsorganen eigen sind. Infolgedessen ist eine Analyse der Existenz effektiver Rechtsgarantien und der Möglichkeit ihrer Ausweitung auf das Unternehmen unerlässlich.

Die im Folgenden aufgeführten Elemente von Rosatom bezeugen ein hohes Maß an Ähnlichkeit mit allgemeinen Merkmalen staatlicher Organe:

  • Das Unternehmen wird durch einen öffentlichen Akt gegründet, ein föderales Gesetz regelt die Ziele, Aufgaben und den Status und definiert den Aufgabenbereich;
  • Dem Unternehmen werden – wie auch staatlichen Organen – konkrete Befugnisse auf der Grundlage von normativen Rechtsakten zugewiesen und es handelt im Rahmen dieser festgelegten Kompetenzen; 
  • Rosatom ist der einzige Staatskonzern, der, neben der Zusammenarbeit mit föderalen Organen der Exekutivgewalt, die Funktion eines föderalen Organs (zum Beispiel im Bereich des Schutzes von Staatsgeheimnissen) ausübt;
  • Das Unternehmen besitzt Befugnisse zur normativ-rechtlichen Regulierung in dem ihm zugeteilten Aufgabenbereich. Diese Regulierungen unterliegen den gleichen Bestimmungen zur Registrierung und Veröffentlichung wie die normativen Rechtsakte der föderalen Organe der Exekutivgewalt;
  • Das Unternehmen organisiert und führt staatliche Kontrollen in den definierten Tätigkeitsbereichen durch.

Rosatom hat zwar einige Merkmale von Staatsunternehmen, jedoch nicht den Status eines Staatsorgans, was logischerweise zum Fehlen bestimmter Rechtsgarantien für die Gesellschaft als Ganze führt. Die Frage zur Existenz oder Fehlen von Rechtsgarantien ist aus folgenden Gründen relevant:

Im Zuge der Eigentumsübertragung von der Russischen Föderation auf Rosatom, die auf der Grundlage von Gesetzen und gesetzlichen Bestimmungen basierte, wechselten für die Ausübung der Unternehmensziele ganze Unternehmenskomplexe, Einrichtungen und andere Besitztümer den Eigentümer. So fanden zum Beispiel die Aktien der Aktiengesellschaft »Atomarer Energie-Industrieller Komplex« einen neuen Eigentümer. Bisher befanden sich diese in föderalem Besitz und wurden von der Föderalen Agentur für Atomenergie verwaltet. So auch die Aktien von Gesellschaften, die auf einer Liste standen, welche nach Bestätigung durch den russischen Präsidenten aus dem Eigentum der Russischen Föderation herausgelöst wurden; Vermögenspakete von föderalstaatlichen, integrierten Unternehmen, die auf der selben, vom Präsidenten bestätigten Liste aufgeführt wurden, sowie weitere Besitztümer;

Der Atomsektor, der durch Rosatom geleitet wird, stellt einen strategisch wichtigen Sektor der russischen Wirtschaft dar, der die Sicherheit der Gesellschaft unmittelbar berührt und demnach ein erhöhtes Maß an Garantien darüber verlangt, dass die Leitung dieses Sektors effektiv und die Verwendung der übertragenen Besitztümer ordnungsgemäß erfolgt.

Die Frage der Garantien berührt mehrere Gesetze sowie die Effektivität der in diesen Gesetzten verankerten Mechanismen, die diese Garantien einhalten sollen.

Die Ausschreibungen von Rosatom und deren Effizienz

Die Untersuchung der Effektivität von Einkäufen für den Unternehmensbedarf ist aus mehreren Gründen aktuell:

  • De facto gewährleisten die Anschaffungen von Rosatom das Funktionieren des Atomkomplexes, was ein Bestandteil der Leitung ist;
  • Die Anschaffungen spiegeln die Effektivität der Verwendung der finanziellen Mittel wider, die durch die Verwaltung des übertragenen Eigentums und des Atomkomplexes als Ganzem eingenommen werden;
  • Die Einkäufe für Rosatom haben einen relativ großen Marktanteil und vereinen einen großen Teil der Geldflüsse auf sich. Das bedeutet, dass die Einkäufe für den Atomkomplex auf die eine oder andere Weise einen Einfluss auf die Entwicklung marktwirtschaftlicher Mechanismen nehmen, wie zum Beispiel die Entwicklung der Konkurrenz;
  • Aktuell bestehen bei den Einkäufen für Rosatom eine ganze Reihe von Problemen im Bereich der normativen Regulierung der Einkaufstätigkeiten, der Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Tätigkeiten sowie im Bereich der Qualitätssicherung der Ergebnisse; 
  • Eine Reihe von Mechanismen, die das Funktionieren der rechtlichen Garantien gewährleisten, sind in föderalen Gesetzen verankert. Deren Zuständigkeiten erstrecken sich im jeweiligen Fall jedoch nicht auf die Tätigkeiten von Rosatom. Hierbei wurde ein spezieller, interner Standard geschafften, der zwar Ausschreibungen für den Unternehmensbedarf regelt, sich von der föderalen Gesetzgebung jedoch unterscheidet; 
  • Die Durchführung von Einkaufstätigkeiten ist ein Indikator der Ausprägung von Korruptionsrisiken.

In der Tat gibt es eine Vielzahl von Gründen, derer zufolge die Untersuchung der Effektivität von Einkäufen immer aktuell bleiben wird. Indes sollen die einen oder anderen Untersuchungsergebnisse über Ausschreibungen für den Unternehmensbedarf ein Indikator für die Effektivität des Konzerns sein.

Die Untersuchung von Transparency International Russland und Ecodefense

Die Ergebnisse einer Untersuchung von Transparency International Russland und Ecodefense, brachten einige Erkenntnisse über die effektive Verwendung finanzieller Mittel des Unternehmens Rosatom. Bis zum heutigen Tag werden die Untersuchungen fortgesetzt, viele der Erkenntnisse wiederholen sich.

1. Öffentlichen Statistiken zufolge werden aktuell bei Ausschreibungen weiterhin weniger transparente und effektive Verfahren angewendet (Preis- und Angebotsanfragen). Weniger effektiv und transparent sind diese Verfahren aus dem Grund, weil durch sie in bedeutendem Maße der Kreis potentieller Ausschreibungs-Teilnehmer eingegrenzt werden kann, was negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Konkurrenz auf dem Waren-, Arbeits- und Dienstleistungsmarkt hat. Dabei lassen sich die möglichen Einschränkungen faktisch im Ermessen des Auftraggebers anwenden und können in unterschiedlichsten Formen auftreten. Solche Mechanismen sind nicht immer dazu bestimmt, Qualität zu gewährleisten und befördern manchmal sogar direkt die Korruptionsgefahr.

Der Föderale Antimonopoldienst Russlands (FAS) weist übrigens ebenso auf Unzulänglichkeiten bei Ausschreibungsarten wie der Preisanfrage hin. Dabei ist eine der Thesen: "Verdeckte Gefahren durch vereinfachte Verfahren". Dem FAS zufolge ist die Preisanfrage auf den ersten Blick ein attraktives Mittel zur Vereinfachung von Ausschreibungen. Praktisch jedoch verliert der Auftraggeber bei der Wahl dieses Verfahrens viele Möglichkeiten zum Schutz vor unseriösen Lieferanten. Das größte Manko ist jedoch die Möglichkeit, zusätzliche Forderungen gegenüber den Beteiligten oder der Zusammensetzung der Preisanfrage aufzustellen, sowie ein Preisangebot aus unvorhergesehen Gründen abzulehnen.

Demgegenüber steht die online durchgeführte Auktion, die auf Grund des Umfangs an zugänglichen Informationen über die Ausschreibung transparenter ist. Der Handel selbst wird über das Internet abgewickelt, die Möglichkeit der Preisabsprache reduziert sich dabei spürbar. Zudem bestehen bei online durchgeführten Auktionen nach dem föderalen Gesetz klare Anforderungen, die den Beteiligten präsentiert werden können. Alleiniges Bewertungskriterium bleibt hierbei im Wesentlichen der Preis.

Prozentuale Verteilung der Ausschreibungsarten in der Einkaufspraxis von Rosatom

Wie zu erkennen ist, werden weniger als die Hälfte der Aufträge online veröffentlicht, was von einem geringen Maß an Transparenz der Unternehmenseinkäufe zeugt. Hervorzuheben ist, dass sich Transparenz nicht nur auf den Zugang zu Protokollen und Dokumenten, sondern auch auf das Verfahren selbst bezieht. Das Fehlen eines internetbasierten Verfahrens bedeutet, dass es sich stattdessen um versiegelte Angebotsumschläge handelt. Da solch ein Verfahren von Natur aus undurchsichtig ist, bestehen unbeschränkte Möglichkeiten der Absprache zwischen dem Auftraggeber und den Beteiligten sowie zwischen den Beteiligten.

Wie aus der angeführten Tabelle (siehe Gesamtreport) zu entnehmen ist, werden mehr als siebzig Prozent aller Aufträge nach Preisanfragen vergeben. Nebenbei bemerkt liegt den Einkaufsrichtlinien von Rosatom zufolge der Grenzwert für Einkäufe durch Ausschreibungen mittels Preisanfragen bei drei Millionen Rubel (€ 75.000). Bei föderalen Einkäufen liegt dieser Grenzwert bei 500.000 Rubel (€ 12.500). Daraus resultiert, dass die überwiegende Mehrheit der Aufträge (deren Kosten belaufen sich in der Regel auf drei Millionen Rubel) in weniger effektiven und intransparenten Verfahren vergeben werden.

Ein Großteil der Verstöße bezieht sich gerade genau auf diese Überschreitung der oben angegebenen Grenze, vor allem aber auf grobe Verstöße gegen die eigenen Standards. Die vorgegebene Grenze für Einkäufe mittels Preisanfragen wurde häufig um das Vielfache übertroffen. So zum Beispiel kam der Kauf von Rohren bei einem Ausgangspreis von neunzehn Millionen Rubel (€ 470.000) durch nur eine Preisanfrage zustande. Es wurde ein einziges Angebot abgegeben. Schlussendlich wurde der Preis noch nicht einmal reduziert und der Vertrag ohne Mühe mit dem einzigen Beteiligten abgeschlossen. Ähnlich verliefen der Einkauf von Rohren im Wert von 29 Millionen Rubel (€ 720.000), die Auswahl einer Leasingfirma mit einem endgültigen Vertragspreis von mehr als 20 Millionen Rubel (€ 620.000), die Auswahl eines Anbieters für eine lizensierte Software über mehr als acht Millionen Rubel (€ 200.000) und viele weitere Einkäufe, die durch ein solches Verfahren, unter Verstoß gegen eigene Standards bei der Wahl der Ausschreibungsart, abgeschlossen wurden. Diese Tatsache führt zweifellos zu folgendem Schluss:

2. Die Effektivität der Kontrollmechanismen bei der Durchführung von Ausschreibungen ist viel zu gering, was die unbestrafte Verletzung eigener Standards möglich macht. So wurden im Verlauf der Untersuchung unterschiedlichste Verstöße gegen die Einkaufsrichtlinien für den Unternehmensbedarf von Rosatom aufgedeckt. Aus zweihundert ausführlich analysierten Aufträgen wurden – nach Meinung der Experten von Transparency International Russland – mehr als ein Drittel unter Verstößen vergeben. Diese Zahl ist sehr beeindruckend. Verstöße finden auch heute noch statt, wobei sie jene Bereiche betreffen, die die Basis von Ausschreibungen bestimmen (zum Beispiel die Wahl der Ausschreibungsart).

3. Des Weiteren fehlt ein effektiver Kontrollmechanismus über die Qualitätssicherung der abgeschlossenen Verträge. Dies ist einer der Gründe für das Entstehen von Korruptionsrisiken. Es sollte jedoch bemerkt werden, dass solche Mechanismen, auf föderaler Ebene wie auch bei Rosatom selbst, gerade geschaffen werden. Die Lösung dieses Problems ist hierbei ein zentrales Element zur Reduzierung von Korruptionsrisiken.

4. Die Durchführung von Unternehmenseinkäufen ist unmittelbar mit der Entwicklung des Wettbewerbs verbunden. Dass dieser weiterhin problematisch ist, zeigen sowohl die dargestellten Verstöße wie auch eine Analyse der Ausschreibungs-Ergebnisse aus Sicht der Zahl der Angebote je Ausschreibung. Hierbei geht es nicht um jene Einkäufe, die mit einem erhöhten Sicherheitsniveau einhergehen. Das Problem besteht in den Möglichkeiten, unbegründete Forderungen gegenüber potentiellen Handelspartnern festzulegen.

Dieses Problem lässt sich am Besten an einem der Verstöße deutlich machen, der während der Untersuchung aufgedeckt wurde. In der Dokumentation zu einer der Ausschreibungen wurde als Kriterium, um die Angebote der an der Ausschreibung beteiligten Unternehmen zu bewerten, eine Entfernung der Produktionsstätte vom Ort der Auftragsarbeit festgelegt, die nicht mehr als zehn Kilometer betragen sollte. Dabei wurde dieses Kriterium durch den Auftraggeber der Kategorie »Dauer der Bereitstellung der Dienstleistung« zugeordnet. Dieses Kriterium schloss einen Großteil der potentiellen Anbieter von der Teilnahme an der Ausschreibung aus (jene, die sich weiter als zehn Kilometer vom Einsatzort entfernt befanden), da ihre Angebote gar nicht erst mit den Ausschreibungskriterien übereinstimmten. Hiervon zeugt ein eingereichtes Angebot, welches schlussendlich angenommen wurde.

Wettbewerbsbedingungen werden genau dann verletzt, wenn der Auftraggeber in der Ausschreibung erhöhte Anforderungen an die Teilnehmer festlegt, in deren Folge nur noch ein Teilnehmer übrig bleibt, mit welchem der Auftragsgeber wiederum verpflichtet ist, einen Vertrag abzuschließen. Häufig geschieht dies ohne jegliche Reduzierung des Ausschreibungspreises.

Fazit

Die Lösung der angeführten Probleme ist unmittelbar mit der Gewährleistung von Transparenz und dem Rückgang der Korruptionsrisiken im Bereich der Unternehmenseinkäufe von Rosatom verbunden. Obwohl die Probleme weiterhin bestehen, sollte angeführt werden, dass es kleinere Veränderungen in Richtung einer Verbesserung der Situation gibt. So lässt sich zum Beispiel eine Verbesserung der Transparenz durch den Zugang zu einer Reihe von normativen Dokumenten von Rosatom feststellen. Dies zeigt sich daran, dass in vielen Fällen die Ergebnisse von Beschwerdeverfahren zu einigen Auktionen öffentlich gemacht wurden oder die Anschaffungspläne zu Beginn eines Jahres veröffentlicht werden.

Alles in Allem lässt sich zusammenfassen, dass die spezifische Verwaltungsform des Atomsektors – der Staatskonzern – keinen gesunden Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Technologien ermöglicht, die einen Anspruch auf die Energietechnologie der Zukunft erheben. Jegliche Ausnahmeregeln sind in erster Linie nur jenen nützlich, welche die Kontrollmöglichkeit über ihre Handlungen reduzieren wollen und mögliche Verstöße zu verbergen suchen.

Übersetzung: Christoph Laug
Über die Autoren:

Ivan Ninenko ist Stellvertretender Direktor von Transparency International Russland und Julia Tkacheva ist Expertin bei Transparency International Russland.

Dem Text liegt eine im Auftrag der hbs erstellte Studie über den Rosatom-Konzern zugrunde (abrufbar in russischer Sprache, pdf, 61 S., 566 KB)

Deutsche Erstveröffentlichung der Texte am 1.7.2011 in den "Russlandanalysen Nr. 223". Wir bedanken uns für die Bereitstellung der deutschen Übersetzungen der Beiträge.

Zum gesamten Themenkomplex Atomwirtschaft in Russland vgl.:

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