Von Roberta Dirosa
Der neue Ratsvorsitz: eine “Team-Präsidentschaft“
Alle sechs Monate übernimmt ein anderer EU-Mitgliedsstaat den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union: Am 1. Juli 2010 war Belgien an der Reihe. Belgiens zwölfte Ratspräsidentschaft ist von besonderer Bedeutung und unterscheidet sich von allen vorhergehenden: Sie findet auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon statt und erstmalig ist die belgische Ratspräsidentschaft Teil einer Trio-Präsidentschaft, in der drei Länder – Spanien, Belgien und Ungarn – ihre Aktivitäten koordinieren. Die Trio-Präsidentschaft begann mit dem sechsmonatigen Ratsvorsitz Spaniens, den nun Belgien übernommen hat. Im Januar 2011 wird Belgien von Ungarn abgelöst, das nach weiteren sechs Monaten diese Trio-Präsidentschaft beenden wird. Dies ist die erste Präsidentschaft, die nicht mehr auf traditionelle Weise rotiert und kann daher auch besser als ,,Team-Präsidentschaft“ bezeichnet werden.
Der Rat der Europäischen Union ist ein einheitliches Gremium; aus arbeitsorganisatorischen Gründen tagt er jedoch je nach behandeltem Sachgebiet in unterschiedlichen Formationen, in denen die für das betreffende Sachgebiet zuständigen Minister der Mitgliedstaaten und Mitglieder der Europäischen Kommission zusammenkommen. Den Vorsitz über die verschiedenen Arbeitsgruppen, die an den Vorbereitungen des Ministerrates beteiligt sind, führen nun die belgischen Experten. Die Präsidentschaft des Rates spielt eine wesentliche Rolle für die Organisation der Arbeit der Institution, insbesondere für die Beschleunigung des legislativen und politischen Entscheidungsprozesses. Sie trägt die Verantwortlichkeit für die Organisation und den Vorsitz aller Sitzungen und der zahlreichen Arbeitsgruppen, sowie auch für die Erarbeitung von Kompromissen.
Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 hat der Rat der Europäischen Union mehr Mitspracherecht über Polizei- und Justizplanung, Außenpolitik sowie konstitutionelle Fragen wie die Zusammensetzung von Parlament und Kommission, Angelegenheiten, die die rotierende Präsidentschaft betreffen, die Suspendierung von Mitgliedsrechten, Änderungen der Wahlsysteme in den Überbrückungsklauseln der Verträge und insbesondere die Nominierung des Vorsitzenden der Europäischen Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Das heißt, dass der Mitgliedstaat, der den Vorsitz innehat, zwar verantwortlich ist für die externe Repräsentation der EU Außen- und Sicherheitspolitik, dass er aber in dieser Rolle zur Seite gestanden wird von einem Hohen Vertreter, der für zweieinhalb Jahre ernannt wird. Dieser neue Hohe Vertreter wird gleichzeitig Vize-Präsident der Kommission und Verwalter der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), jedoch nicht General-Sekretär des Ministerrates. Dies ist zurzeit der Franzose Pierre de Boissieu.
Neben Aufgaben wie der Organisation und Durchführung von Treffen mit Organen, die an den Vorbereitungen beteiligt sind, sucht der EU-Ministerrat auch nach Lösungen und Kompromissen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und den anderen Institutionen der Europäischen Union. Der Mitgliedstaat, der den Vorsitz innehat, ist verpflichtet, für die kommenden sechs Monate ein Schwerpunktprogramm vorzustellen, obwohl die Aktivitäten auf EU-Ebene in der Regel nicht in so kurzer Zeit durchgeführt werden. Aus diesem Grund muss die belgische Ratspräsidentschaft auch die Arbeit an laufenden Initiativen oder an der „rolling agenda“ fortsetzen.
Als Yves Leterme das Programm der belgischen Präsidentschaft am 7. Juli 2010 im Europäischen Parlament in Straßburg vorstellte, sagte er, dass „Belgien besonderen Wert darauf legt, eine gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik sowie effektive Maßnahmen zur Terrorbekämpfung zu entwickeln. […] Die fünfte Herausforderung für die Union ist ihre Rolle auf der internationalen Ebene, auf der sie gewaltigen Problemen gegenübersteht: der Kampf gegen den Klimawandel, die Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens, die Förderung der offenen Verwaltung, der Kampf gegen den Terrorismus, die Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Beendigung der eklatanten Verletzung der Menschenrechte in Krisengebieten, mit besonderem Augenmerk auf die Gewalt gegen Frauen. […]”.
Schwerpunkt Menschenrechte
Die belgischen Landes-, Regional- und Kommunalregierungen haben gemeinsam die Schwerpunkte für „ihre“ EU-Ratspräsidentschaft beschlossen. Zum einen wird, wie bereits gesagt, die Arbeit an einer Reihe von Themen, die von der Europäischen Agenda vorgegeben sind, fortgesetzt, zum Anderen hat Belgien auch seine eigenen thematischen Schwerpunkte vorgelegt.
Das belgische Programm basiert auf fünf wesentlichen Komponenten:
- Einer sozialökonomischen Komponente, die darauf abzielt, ein anhaltendes und nachhaltiges Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern;
- einer sozialen Komponente zur Förderung des sozialen Zusammenhalts;
- einer Umweltkomponente, die darauf abzielt, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen („ grünen“) Wirtschaft zu fördern;
- einer Komponente der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit (Stockholm-Programm 2010-2014), die darauf abzielt, die Politik der Europäischen Union bezüglich Justiz, Innenpolitik, Asyl und Migration zu konsolidieren und vervollkommnen;
- einer außenpolitischen Komponente, die darauf abzielt, die Rolle der Europäischen Union als Kraft für Frieden und Sicherheit in der Welt zu stärken.
Diese Aspekte werden in 13 thematischen Kapiteln zu spezifischen Prioritäten weiter ausgeführt.
Die Menschenrechte sind ebenfalls Teil der im gemeinsamen Arbeitsprogramm genannten Hauptziele. Der Schutz der Menschenrechte überall auf der Welt ist seit vielen Jahren eines der Hauptanliegen der Europäischen Union, die sich stets dafür eingesetzt hat, menschenrechtsrelevante Fragen von gemeinsamen Interesse vorrangig zu behandeln und in allen Programmen und Richtlinien zu verankern. Ein gutes Beispiel hierfür ist in den Schlussfolgerungen zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu finden, aus dem mehrere Lehren für die Zukunft gezogen werden können. In diesen wurde vorgeschlagen, dass der Rat auch Schlussfolgerungen zu Kinderarmut, zum allgemeinen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsfürsorge, zu Obdachlosigkeit und zur Armutsbekämpfung annehmen sollte.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen. Der Rat wird Schlussfolgerungen bezüglich einer neuen Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern (2011-2015) verabschieden, sowie im Rahmen der Umsetzung des Pekinger Aktionsprogramms (UN-Konferenz 1995) zu der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern). Parallel dazu wird er sich weiterhin mit der Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung befassen.
Eine Konferenz zur Koordinierung und Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention fand statt am 18. und 19. Oktober 2010.
Ein weiteres Ziel der aktuellen Ratspräsidentschaft ist die Erweiterung der sozialpolitischen Agenda um Bedürfnisse junger Menschen und den Kampf gegen Geschlechterdiskriminierung und Armut.
Um diese Ziele zu erreichen, muss die EU immer mehr ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts werden und einen Schritt in Richtung einer europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik mit einheitlichen Asylverfahren und einem standardisierten internationalen Schutz machen. Damit würde auch dazu beigetragen, Terrorismus, die organisierte Kriminalität, illegale Immigration und Menschenhandel zu bekämpfen und eine gegenseitige Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen zuwege zu bringen.
Diese Agenda zeigt, dass die Ratspräsidentschaft, die sich auch damit befasst, den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst aufzubauen, großen Wert auf den Schutz und die Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten legt.
Handlungsfelder
In den Bereichen Justiz und Inneres hat die Präsidentschaft ein Programm für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten erarbeitet. Die vollständige Einbindung dieser Agenda in sämtliche Tätigkeitsfelder der Europäischen Union ist nach wie vor eine Priorität für die Außenbeziehungen der EU. Dies zeigt sich in den Vorbereitungen des hochrangigen Treffens der UN-Vollversammlung am 10. Jahrestag der Millenniumserklärung im September.
Diese unterstrich die gemeinsame Verantwortung mit den Vereinten Nationen, die acht UN-Millennium-Entwicklungsziele zu erreichen:
- Beseitigung extremer Armut;
- Verwirklichung der allgemeinen Primärschulbildung;
- Förderung der Gleichstellung der Geschlechter;
- Senkung der Kindersterblichkeit;
- Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern;
- Bekämpfung von HIV/Aids und anderen Krankheiten;
- Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit;
- Aufbau globaler Entwicklungspartnerschaften.
Was den europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts betrifft, setzt sich die belgische Ratspräsidentschaft für die Schaffung einer offenen und sicheren Union ein, die ihren Bürgern dient und deren Grundfreiheiten garantiert und schützt − eine gewaltige Herausforderung.
Die Verhandlungen mit dem Europarat bezüglich des Beitritts der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention wurden auf der Grundlage des Mandats vom Rat der Europäischen Union initiiert.
Weitere Prioritäten sind der Kampf gegen den Menschenhandel, die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die Entwicklung eines europäischen Systems der Beweisaufnahme gemäß der Beschreibung im Stockholmer Programm. Die Aktivitäten in diesem Bereich basieren dabei auf einer Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten. Auch die Stärkung von Frontex, der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, ist wichtig für die belgische Präsidentschaft.
Die Entwicklung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik erfordert eine globale Herangehensweise sowie eine Vision für die Zukunft legaler Zuwanderung. Das Stockholmer Programm bestätigt die Zielsetzung, bis 2012 ein gemeinsames Asylverfahren sowie einen einheitlichen Status für Personen, die internationalen Schutz genießen, zu implementieren.
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe schenkt die Europäische Union den fragilen Staaten sowie dem Thema der verantwortungsvollen Regierungsführung und der Achtung und Förderung von Demokratie und Menschenrechten besondere Aufmerksamkeit. Der Ratsvorsitz wird bis zum Ende des Mandats seine Anstrengungen fortsetzen, die Entwicklungshilfe effektiver zu gestalten und sich konkret mit den Problemen bezüglich der Haushaltszuschüsse und der Rechenschaftspflicht zu befassen. Darüber hinaus wird er daran arbeiten, die Synergien zwischen Entwicklung und dem Kampf gegen den Klimawandel zu stärken.
Jüngste Krisen, wie etwa das Erdbeben in Haiti im Januar 2010, haben aufgezeigt, dass eine Verbesserung der Koordinierung der humanitären Hilfe auf europäischer Ebene dringend notwendig ist. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, in das Programm eine Halbzeitüberprüfung des Europäischen Konsenses zur humanitären Hilfe einzubauen. Schließlich wird die Schaffung eines Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe in die Wege geleitet werden.
Zusammen mit der Europäischen Kommission wird Belgien am 6. und 7. Dezember die 5. Europäischen Entwicklungstage organisieren.
Das COHOM-Programm
Als das Programm der Arbeitsgruppe für Menschenrechte (COHOM) im Juli 2010 bekannt gegeben wurde, stellte die belgische Ratspräsidentschaft ihren Arbeitsplan für die kommenden sechs Monate unter der Aufsicht der Hohen Vertreterin der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vor. Diese Gruppe wurde vom Rat der Europäischen Union ins Leben gerufen, um die Menschenrechtspolitik der EU im Rahmen ihrer auswärtigen Beziehungen zu entwickeln. Sie überwacht weltweit die Entwicklung der Menschenrechtssituation und erarbeitet die grundsätzliche Position der EU gegenüber bestimmten Themen und Einzelereignissen. Diese Positionspapiere werden jeweils vor den Jahresversammlungen des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und des Dritten Ausschusses der Generalversammlung sowie anderer Treffen und Konferenzen erarbeitet. Die Gruppe erörtert die Vorgehensweise der EU in ihren bilateralen Beziehungen mit Nicht-EU-Ländern hinsichtlich der Menschenrechte und bereitet Schlussfolgerungen zum Thema Menschenrechte für den Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vor. Über die Jahre hat die Gruppe Leitlinien für die Vorgehensweise der EU in verschiedenen Gebieten (etwa zur Todesstrafe, Folter und zum Menschenrechtsdialog mit Nicht-EU-Ländern) entwickelt.
Das Arbeitsprogramm der COHOM ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Belgien und den Diensten der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Baroness Ashton und berücksichtigt dabei die Vorarbeit der spanischen Ratspräsidentschaft. Die regionalen Organisationen werden unter Einhaltung der Bestimmungen des Vertrags von Lissabon und unter Berücksichtigung der Menschenrechtsdialoge und Konsultationen mit Drittländern von den Diensten der Hohen Vertreterin geführt. Belgien nimmt an diesen Treffen als Mitglied des Vorsitzes von COHOM teil.
Um die EU-Menschenrechtspolitik umzusetzen, zu konsolidieren und weiterzuentwickeln, wurde besonders darauf geachtet, die bestehenden Instrumente der EU möglichst effektiv einzusetzen und die Möglichkeiten, die der Vertrag von Lissabon bietet, voll auszuschöpfen, um die Bemühungen zu verstärken, die allgemeinen Menschenrechte und Grundwerte in der Außenpolitik zu fördern.
COHOM-Gespräche umfassen eine strategische Analyse aller Aspekte der Menschenrechtspolitik der EU, ihrer Auswirkungen und das Zusammenspiel der eingesetzten Instrumente (informelle COHOM-Sitzungen). Dazu berücksichtigt die Gruppe die Ansichten aller beteiligten Interessengruppen. Insbesondere stellen der gemeinsame Brief der Außenminister Deutschlands und Dänemarks Speaking with one Voice on Human Rights and Global Values sowie die Ergebnisse des jährlichen EU-NRO-Menschenrechtsforums (12. -13. Juli 2010) zum Thema Menschenrechtsinstrumente der EU und der Vertrag von Lissabon: Bestandsaufnahme und Perspektiven eine Blaupause für diese Gespräche dar.
Die Position der Zivilgesellschaft spielt in dieser strategischen Analyse ebenfalls eine Rolle. Den von Amnesty International vorgebrachten Empfehlungen und Eckdaten zu einer notwendigen Überprüfung des Instrumentariums der EU zum Thema Menschenrechte und denen des UNHCR zu den Fortschritten, die im Bereich des Flüchtlingsschutzes zu erzielen sind, wird daher gebührend Rechnung getragen.
Die institutionellen Veränderungen stellen eine Chance dar, diese Ziele anzugehen. Der Fokus sollte dabei auf vier Hauptbereichen liegen: Anpassung der Arbeitsweise von COHOM, Implementierung und Rationalisierung der EU-Instrumente, Förderung der Rolle der EU im Menschenrechtsrat und in der Generalversammlung der Vereinten Nationen sowie Mainstreaming der Menschenrechte und eine größere Kohärenz zwischen der internen und externen Menschenrechtspolitik der EU, sowohl im Allgemeinen als auch im Speziellen.
Einige der Aspekte, welche diese vier Bereiche umfassen, sollten ausführlicher behandelt werden. Aufgrund der höheren Arbeitsbelastung musste COHOM seine Arbeitsweise ändern und trifft sich nun regelmäßiger. Die Ratspräsidentschaft hält folgende Aktivitäten für sinnvoll: Diskussion über das Taskforce-System, die Stärkung der praktischen Schlussfolgerungen, eine deutlicher erkennbare politische Position, die Intensivierung der Interaktion mit dem PSK und dem AstV und rechtzeitige Gespräche im Rat für Auswärtige Angelegenheiten. Neben der Implementierung und Rationalisierung des EU-Instrumentariums hat die Präsidentschaft verschiedene Leitlinien, Werkzeuge und Aktionspläne in die Tat umgesetzt und dabei für straffere Anforderungen gesorgt. Um eine möglichst große Wirkung zu erzielen, müssen die Vorbereitungen entsprechend überprüft und die verschiedenen Dialoge und Konsultationen nachverfolgt werden.
Bezüglich der Problematik von Kindern in bewaffneten Konflikten wurde die Umsetzungsstrategie der betreffenden Leitlinien überprüft und ein Seminar mit dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu Kindern in bewaffneten Konflikten abgehalten.
Was die Todesstrafe betrifft, war das Hauptanliegen für das zweite Semester, die Resolution der 65. UN-Vollversammlung zum Moratorium für den Vollzug der Todesstrafe voranzubringen. Ziel ist es, mehr Länder für die Unterstützung dieser Resolution zu gewinnen. Am 8. Oktober 2010 gaben der Europarat und der Rat der Europäischen Union eine Erklärung ab, um den Europäischen und den Internationalen Tag gegen die Todesstrafe zu begehen. Bei dieser Gelegenheit bekräftigten sie ihre Ablehnung der Anwendung der Todesstrafe unter allen Umständen und ihr Engagement für ihre Abschaffung überall auf der Welt. Außerdem riefen sie die europäischen Staaten, die die Todesstrafe de jure noch nicht abgeschafft haben, dazu auf, die entsprechenden Protokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ratifizieren.
Was die Situation der Menschenrechtsverteidiger angeht, ist es erforderlich, die Strategien auf lokaler Ebene umzusetzen und auf den neuesten Stand zu bringen sowie deren Schwerpunkte zu definieren und jährliche Treffen in problematischen Ländern zu organisieren. Unter Berücksichtigung der jüngsten Entschließung und des Berichts des Europäischen Parlaments zu diesem Thema erwägt COHOM des Weiteren, die Initiative „Shelter Cities“ zu unterstützen und ein informelles Netzwerk von Anlaufstellen aufzubauen, auf der Grundlage des von der Tschechischen Republik über nationale Schutzprogramme erarbeiteten Fragebogens.
Im Bereich der Kinderrechte müsste COHOM über die praktische Fortsetzung der Empfehlungen des Menschenrechtsforums EU-NRO von 2009 und der Schlussfolgerungen des Rates zu Kinderarbeit vom Juni 2010 diskutieren. COHOM wird zudem eine strategische Diskussion über das neue Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention führen, die Beschwerdeverfahren zu einzelnen Fällen einleiten wird.
Zum Thema Folter ist die Fortsetzung der Initiative zu einer besseren Umsetzung der Leitlinien auf lokaler Ebene unter der schwedischen Präsidentschaft geplant, einschließlich der Präsentation eines Diskussionspapiers der Kommission unter anderem zu Rehabilitationszentren, zum Handel mit Folterausrüstung und Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können.
Die belgische Ratspräsidentschaft sieht es als ihre Aufgabe an, die Schlussfolgerungen des Rates zu Religions- bzw. Glaubensfreiheit umzusetzen, in Erwartung eines Tätigkeitsberichts der Dienste der Hohen Vertreterin, einschließlich einer vorgeschlagenen Auflistung von Pilotländern als Nachbereitung der Schlussfolgerungen des Rates 2009 ,,Zur Demokratieförderung in den Außenbeziehungen der Europäischen Union“.
Das Recht auf Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität ist ein Hauptanliegen der belgischen Ratspräsidentschaft. Die EU-Leitlinien 2008 zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zur Bekämpfung ihrer Diskriminierung in jeglicher Form sowie die EU-Leitlinien betreffend Folter und MenschenrechtsverteidigerInnen enthalten konkrete Hinweise auf LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender). Um die genannten Leitlinien zu rationalisieren und besser nutzen zu können, sieht die Präsidentschaft vor, mit Unterstützung anderer Mitgliedstaaten und unter Zuhilfenahme ihrer Best Practices das „LGBT Toolkit“ für EU-Botschaften und Delegationen vollständig umzusetzen. Dieses Instrument soll dazu beitragen, die Förderung und den Schutz der Rechte von LGBT über bereits bestehende Maßnahmen, Leitlinien und andere Mittel weiter zu rationalisieren. Darüber hinaus führt die neue Präsidentschaft eine wichtige Erfolgskontrolle der UN-Deklaration von 2008 über sexuelle Orientierung und Gender-Identität durch.
Bezüglich der Rechte von Menschen mit Behinderungen lautet das vorrangige Ziel der neuen Präsidentschaft, die hervorragende Arbeit ihrer Vorgänger fortzusetzen und auf dem Beitritt der EU zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufzubauen, mit der Absicht, einen Verhaltenskodex zu verabschieden. Um die Menschenrechtsprinzipien der EU weltweit erfolgreicher voranzutreiben, wurden strategische Überlegungen zu den Prioritäten der EU für den Menschenrechtsrat (2010-2011) angestellt und eine Ad-hoc-Kommission geschaffen, die ergänzende Standards zum Thema Rassismus erarbeiten soll.
Die Präsidentschaft setzt sich für die allgemeine Beachtung der Menschenrechte und für mehr Kohärenz zwischen Innen- und Außenpolitik der EU ein, sowohl im Allgemeinen als auch bezüglich spezifischer Themen. Besonderes Augenmerk gilt auch den Themen Frauen, Frieden und Sicherheit. Dies zeigt sich im ersten EU-Bericht über die Implementierung des umfassenden Ansatzes der EU für die Umsetzung der Resolutionen 1325 und 1820 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNSCR).
So überwachte die Ratspräsidentschaft die Organisation und die Ergebnisse der 10-Jahr-Feier der UNSCR 1325 auf UN-Ebene und bot als EU in New York die entsprechende Unterstützung. Erstmalig sprach der UN-Sicherheitsrat die spezifischen Erfahrungen und Beiträge von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit an. In seiner Resolution 1325 spricht sich der Sicherheitsrat für die umfassende und gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen und die Einbindung der Gender-Perspektive in alle Friedens- und Sicherheitsinitiativen aus. Sie befasst sich mit den miteinander verbundenen thematischen Bereichen Mitwirkung, Schutz, Prävention und Wiederaufbau. Die Resolutionen 1820, 1888 und 1889 untermauern und ergänzen die Resolution 1325 und alle vier sollten als Grundlage für die Verpflichtungen in Bezug auf Frauen, Frieden und Sicherheit (WPS) angesehen werden. Die Umsetzung dieser Verpflichtungen ist ein gemeinsames Anliegen und die Verantwortung aller UN-Mitgliedstaaten, sowohl von Konfliktgebieten als auch von Geberländern und anderen.
In seinem Bestreben, die Sicherheitsratresolution 1325 u. a. umzusetzen, ist Europa Spitzenreiter: Die meisten nationalen WPS-Aktionspläne haben hier ihren Ursprung. Auf EU-Ebene gibt es einen umfassenden Ansatz, die UNSCR 1325 und 1820 zu Frauen, Frieden und Sicherheit umzusetzen, ergänzt durch die Umsetzung der UNSCR 1325, die durch UNSCR 1820 im Kontext der Europäischen Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekräftigt wird.
Bei der Annahme des EU-Jahresberichts zur Menschenrechtslage wird dem vom Europäischen Parlament verliehenen Sacharow-Preis für geistige Freiheit, einem deutlichen Zeichen des Engagements der EU für MenschenrechtsverteidigerInnen, viel Gewicht beigemessen werden. Und schließlich erwägt die Präsidentschaft eine angemessene Reaktion oder Folgemaßnahmen auf die Untersuchung des Europäischen Parlaments über Meinungsfreiheit und neue Technologien, mit besonderem Augenmerk auf Folgen, Chancen und Gefahren moderner Kommunikationsmittel (z. B. des Internets und insbesondere sozialer Netzwerke).
Fazit
Die aktuelle Ratspräsidentschaft verfolgt eine umfassende Vision und setzt alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente ein, um den Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte zu begegnen, vor Ort praktische Erfolge und einen Mehrwert zu erzielen. Die belgische Präsidentschaft arbeitet eng mit den EU-Missionen und der Zivilgesellschaft zusammen und folgt einem Säulen übergreifenden Ansatz, über den die Sichtbarkeit der Handlungen der EU zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte überall auf der Welt erhöht werden soll.
Unter der Führung der Hohen Vertreterin für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union, Baroness Ashton, hat die spezifische Struktur und Integration der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte im Rahmen der Außenbeziehungen der EU schrittweise Form angenommen.
Die Präsidentschaft profitiert von der engen Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und dem Europäischen Parlament und insbesondere von der konsequenten Unterstützung durch COHOM, dem maßgeblichen Forum zur Sicherstellung der Kohärenz zwischen den verschiedenen Menschenrechtsinstrumenten und -mechanismen und zur Förderung der Integration der Menschenrechte in den verschiedenen Politikbereichen.
Die Präsidentschaft der Arbeitsgruppe legt großen Wert darauf, sich aktiv im Menschenrechtsrat zu engagieren und die Rolle des Rates in seiner Arbeit, für die Wahrung der internationalen Standards und Normen zu sorgen und in Situationen grober Verletzung der Menschenrechte einzuschreiten, zu verteidigen.
Die belgische Ratspräsidentschaft hat nun mehr als die Hälfte ihrer Mandatszeit hinter sich. Trotz zahlreicher Herausforderungen trägt sie auf der Grundlage des acquis der EU im Bereich der Menschenrechte zum Schutz, zur Förderung und zur Implementierung der Grundrechte und der Menschenwürde bei und konzentriert sich insbesondere darauf, die Maßnahmen der Union in diesem Bereich kohärenter und einheitlicher zu gestalten.
Roberta Dirosa wurde am 14. April 1983 in Catania (Italien) geboren. Sie studierte Internationale Beziehungen an der Sorbonne in Paris und an der Universität von Florenz bis zu ihrem Abschluss in 2007. An der Universität von Bologna erwarb sie 2009 den Magistergrad für Internationale Beziehungen und Menschenrechte. Roberta Dirosa arbeitete zwei Jahre am Interdisziplinären Forschungszentrum für EU-Recht in Bologna. In 2010 absolvierte sie erfolgreich ein Praktikum in der Menschenrechtseinheit des Europäischen Parlaments, wo sie sich aktiv einbrachte. Veröffentlichungen: „Aung San Suu Kyi and the non violent struggle for human rights in Burma“ und „Human Rights between Universalism and Relativism: Female genital mutilation“. Roberta Dirosa wird ihre Karriere bei EuropAid, einer Generaldirektion der Europäischen Kommission, verantwortlich für die Implementierung von Auslandshilfe und weltweiten Hilfsprojekten, fortsetzen.