Bei uns an der University of Michigan waren bis zu den frühen siebziger Jahren im Grunde keinerlei Sportlerinnen in der Universitätsauswahl, vor allem in den Teamsportarten. Das hat sich über die letzten 20 bis 30 Jahren enorm verändert. An der University of Michigan sind mittlerweile etwa gleich viele Frauen und Männer in den Auswahlmannschaften – circa 380 Männer und 320 Frauen – und Frauen konkurrieren energisch miteinander in Teamsportarten wie etwa Basketball, Volleyball, Softball, Fußball oder Hockey.
Die Gleichstellung der Geschlechter ist jedoch noch nicht komplett vollzogen. So spielen Frauen Softball, eine „weibliche“ Variante von Baseball, die an Hochschulen von Männern gar nicht betrieben wird. Außerdem spielen Frauen weder in Michigan noch an irgendeinem anderen College Football, was wiederum die vorher angeführte Spannung zwischen „women“ und „football“ bestätigt. Ferner beschränkt sich der Eintritt der Frauen in das Feld des Sport seit den 70er Jahren größtenteils auf „das Praktizieren“ – das Mitmachen, Teilnehmen und Aufführen des Sports – und nicht die Konsumption, also das intensive Verfolgen des Sportes, die Anhäufung eines enzyklopädischen Wissens über dessen Geschichte und damit verbundene Anekdoten, sprich: die allumfassende Identifikation mit einer an Wahnsinn grenzenden Leidenschaft. Trotzdem ist der Eintritt der Frauen in die Welt des Sports ein globales Phänomen, das eine wichtige kulturelle Verschiebung in den Geschlechterbeziehungen auf globaler Ebene deutlich macht.
Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der phänomenale Aufstieg des Frauenfußballs einen der Hauptfaktoren des Wandels der Sportwelt in den letzten drei Dekaden darstellt. Sein Erfolg entwickelte sich mit dem Aufkommen des Feminismus und im Zuge der zweiten Globalisierung bzw. mit den damit verknüpften kosmopolitischen, kulturellen Effekten. Sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten waren der Verlauf des Feminismus und der weiblichen Aneignung des Spiels nahezu deckungsgleich. Dank der starken sozialen und kulturellen Veränderungen durch die sogenannte zweite Welle des Feminismus, die in den späten Sechziger und frühen siebziger Jahren begann, ist Frauenfußball in Europa und den Vereinigten Staaten seiner Ghettoisierung und halb offiziellen Existenz entkommen und hat sich von einer Kuriosität und Randerscheinung zu einem Standbein der einheimischen Teamsportarten entwickelt. Sehr wenige amerikanische und europäische Frauen haben in den späten sechziger Jahren und den frühen siebziger Jahren Fußball gespielt. Heute sind es Millionen. Wir haben fertig.
Der amerikanische Weg
Nun ja, fast. Auch wenn der Wandel auf beiden Seiten des Atlantiks quasi identisch verlief, hätte die Art und Weise unterschiedlicher nicht sein können. Beide Entwicklungen waren voller Hindernisse und Schwierigkeiten unterschiedlichster Natur. Einerseits hatten die amerikanischen Frauen es leichter, da sie einen Weg bahnten, der männlichen Fußballpionieren und Spielern aus der Amerikanischen Sportgeschichte bekannt war, den aber nur wenige verfolgt hatten. Überdies waren Amerikas sportbegeisterte Männer weder besonders interessiert an Fußball, noch war dieser Pfad von Bedeutung für ihre Identität und Kultur. Eben weil Fußball schon immer eine untergeordnete Rolle in der Hegemonie der männerdominierten amerikanischen Sportkultur spielte, war dieser Weg zum Erfolg viel einfacher als für ihre europäischen Schwestern. Sie mussten keinen besetzten Raum betreten und sich dort gegen schweren Wiederstand, Hohn und Spott durchsetzen.
Dadurch, dass sie nicht mit Männern im Wettbewerb standen, hatten es die amerikanischen Frauen viel einfacher, in dieser neuen Welt erfolgreich zu sein und sich selbst zu übertreffen. Andererseits, so ließe sich einwenden, sahen sich die Amerikanerinnen einer wesentlich größeren Aufgabe ausgesetzt als ihre europäischen Kolleginnen, da letztere in eine bestehende Struktur eintraten und eine Sprache lernten, die in jeder europäischen Kultur seit fast einem Jahrhundert wächst und gedeiht. Im Gegensatz zur Situation in Europa, wo Frauen lediglich eine bereits existierende Sprache und Kultur bestärkten, wurden die amerikanischen Frauen zu Wegbereiterinnen für einen Sport, der selbst nur eine untergeordnete Rolle in der amerikanischen Sportgeschichte spielte.
Die neuen Großmächte
Beim Vergleich dieser unterschiedlichen Entwicklungen auf beiden Kontinenten in Bezug auf Aufwand und Ertrag könnte man vorbringen, dass der amerikanische Weg kurzfristig von Vorteil war, wie der unmittelbare Erfolg der Fußballerinnen und ihr Aufstieg zu internationalen Stars zeigen. Der Grund, dass die These vom Pfad des geringsten Widerstandes plausibel sein könnte, zeigt sich daran, dass Frauenfußball in China, den beiden Koreas, Dänemark, Schweden und Norwegen ebenfalls schnell aufblühte. In keinem dieser Länder haben Männer jemals eine Art von dauerhaftem Erfolg im Fußball aufweisen können, obwohl Schweden 1958 Vizeweltmeister in der Heimat wurde, 1994 in den USA Dritter, und Dänemark 1992 sogar die Europameisterschaft gewann. Insofern besteht Grund zu der Annahme, dass in der Aufbauphase des Frauenfußballs eine bescheidene Präsenz des Männerfußballs für Frauen von Vorteil ist. Sobald der Frauenfußball sich jedoch vollständig etabliert hat, könnten das vorhandene Talent und die Kompetenz von Seiten des Männerfußballs gewinnbringend auf die Frauen abfärben. Es ist wohl kein Zufall, dass die neuen internationalen Großmächte im Frauenfußball, die zu den USA aufschließen, ausgerechnet Deutschland und Brasilien sind. Zwei Länder also, die wohl zu den herausragenden Nationen in der Geschichte des (Männer-)Fußballs zählen.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie schnell der Frauenfußball von den vorherrschenden Sportstrukturen und -kulturen der beiden Kontinente absorbiert wurde, sobald er sich in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren fest etabliert hatte. Auf europäischer Seite fiel der Frauenfußball schnell in die Domäne des Vereinssports, der genau wie im Männerfußball zum Kernbereich des Sportalltags wurde. In den USA war es dagegen der Collegesport, der all diese Funktionen übernahm. Amerikas Gegenstück zu Arsenal London war dabei gewissermaßen die University of North Carolina. Die Leistungsfähigkeit des amerikanischen Frauenfußballs auf internationalem Parkett wäre undenkbar ohne den Collegefußball und dessen regelmäßige Meisterschaften, Turniere, die wissensbasierte Spielerentwicklung, die professionellen Trainingsmethoden und das moderne Coaching.
Siegesrausch und Schmach
Die weite Verbreitung und das immense Wachstum des Frauenfußballs in den letzten drei Dekaden ist in vielerlei Hinsicht ein Beweis für den Triumph des sogenannten liberalen oder Gleichheitsfeminismus. Es ist dies ein Feminismus, der versucht, die Gleichstellung der Frauen in Bereichen herzustellen, die größtenteils oder sogar exklusiv von Männern beherrscht werden. Die Welt des Sports (vor allem die Teamsportarten und insbesondere die Arenen von Fußball und Football) ist eine Welt des Machismo, in der Frauen – obwohl noch weit von echter Gleichstellung entfernt – es zumindest geschafft haben, einen eigenen Raum einzunehmen, der nicht mehr ignoriert werden kann. Es ist bezeichnend, dass sich eigentlich alle Aktivistinnen dieser emanzipatorischen Bewegung – also die Tausenden, später Millionen von Spielerinnen – selten als engagierte oder ausgewiesene Feministinnen sahen. Es ging ihnen nicht so sehr darum, eine Männerdomäne anzugreifen und deren Sexismus abzuschaffen, sondern vielmehr darum, Fußball zu spielen wie die Männer; mit den gleichen Regeln, den gleichen Betrügereien, den gleichen Bällen, in den gleichen Stadien, mit der gleichen Intensität und Härte. Frauen wollten den Wettbewerb genauso genießen, wie es Männer immer schon getan hatten. Daher überrascht es nicht, dass die starke Rivalität zwischen der amerikanischen und der norwegischen Nationalmannschaft dazu führte, dass die Spielerinnen sich an Hass grenzende Geringschätzung und Abneigung entgegen brachten. Julie Foudys schmerzvoller Bericht über die amerikanische Niederlage im Spiel um die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahre 2000 gegen die Norwegerinnen zeugt kaum von Schwesternschaft und weiblicher Solidarität. Umso mehr erzählt er uns etwas über Wettbewerb, Rivalität, Siegesrausch und die Schmach der Niederlage. Der Bericht könnte von jedem männlichen Fußballsuperstar stammen, der gerade eine Niederlage durch einen Erzrivalen bei einem wichtigen Turnier erlitten hat. Foudys Erzählung zeigt uns auf eine eindringliche Art und Weise die harte Welt der Hochleistungssportler, jenseits von Gender. Sie schrieb klar und einfach über Fußball, nicht über Fußballerinnen.
Indem sie zu Fußballerinnen wurden, betraten Frauen auf beiden Seiten des Atlantiks eine Welt, die von Männern geformt und dominiert wurde. Sie haben sich deren Sprache zu Eigen gemacht und für ihre eigenen Zwecke genutzt. Die Existenz weiblicher Spieler an sich ist kein Sieg des Feminismus, wenn man darunter verstünde, männliche Strukturen zu verändern oder komplett neue Strukturen ohne männliche Einflusszonen zu schaffen. Tatsächlich haben weibliche Spieler selbst in den Hochburgen des Sports bei einigen Feministinnen Irritationen und teilweise Verärgerung hervorgerufen, da diese Fußball und Teamsportarten generell als Ausdruck männlicher Herrschaft und Sexismus begreifen und tendenziell ablehnen. Für diese Feministinnen wären weibliche Fußballer eigentlich nur zu begrüßen, wenn sie ein komplett neues Spiel geschaffen hätten, ohne Verbindungen zum herkömmlichen System.
Innerhalb von drei Dekaden haben Frauen erfolgreich die Welt des Fußballs betreten. Obwohl sie erfolgreiche Sportlerinnen sind und formal den Männern gleichgestellt, besteht kein Zweifel darüber, dass der Frauenfußball im Vergleich zum Männerfußball bislang in einer kleinen Nische existiert. Vor allem sprechen Frauen noch eine andere Sprache, wenn es darum geht, den Sport als Fan zu verfolgen, zu konsumieren, zu analysieren, zu diskutieren, zu träumen und zu leben. Die letzten Jahrzehnte haben den Frauen eine eigene Stimme in der Welt des Profifußballs gegeben. Ob diese Stimme jemals der männlichen in Umfang und Gewicht gleich sein wird, können wir an dieser Stelle nicht einmal vermuten.
© 2010, Andrei S. Markovits und Lars Rensmann. Deutsche Übersetzung von Simon E. Dittrich. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren und Princeton University Press. Der Text ist ein Auszug aus dem Band Gaming The World. How Sports are reshaping Global Politics and Culture.