Wahlen im Iran: Sieg für Konservative, Opposition wirft der Regierung Wahlmanipulation vor

Wahlen im Iran

19. März 2008
Von Bahman Nirumand

Von Bahman Nirumand*

Bei den Parlamentswahlen im Iran am 14. März haben die Konservativen die absolute Mehrheit errungen. Laut offiziellen Angaben haben mehr als 70 Prozent der Wähler für den Block der Konservativen gestimmt. Der Rest der Stimmen verteilte sich auf Reformer und Unabhängige. Das Innenministerium erklärte, die Auszählung sei korrekt verlaufen. Oppositionelle warfen der Regierung Manipulation vor. Einschließlich der Ergebnisse aus der Hauptstadt Teheran kamen die konservativen Kräfte auf 132 der 290 Sitze im Parlament. Die Reformer gewannen 31 Sitze. 39 gingen an unabhängige Kandidaten. Mehr als 70 Sitze werden erst in der Stichwahl im April oder Mai vergeben werden.

Wahlergebnisse widersprechen der allgemeinen Stimmung im Iran

Wären die Wahlen demokratisch und frei gewesen, hätte das Ergebnis völlig anders ausgesehen. Denn die Lage des Landes schreit geradezu nach einem Wechsel. Die Radikalislamisten unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad haben seit ihrer Machtübernahme im August 2005 viel Unheil angerichtet. Entgegen ihrem Versprechen, die Massen aus ihrer Armut zu retten und die hohen Öleinnahmen endlich dem Volk zugutekommen zu lassen, haben sie das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise geführt. Die Inflationsrate hat bereits die 20-Prozent-Marke erreicht. Von den enorm gestiegenen Öleinnahmen profitiert weiterhin nahezu ausschließlich eine kleine korrupte Minderheit.

Auch die politische Repression hat im Vergleich zu der Ära Chatami (1997-2005) stark zugenommen. Die sich häufenden Hinrichtungen, die Wiederaufnahme der Steinigungen, die Verfolgung von Andersdenkenden erinnern an die ersten Jahre der Revolution. Zahlreiche Frauen, die sich aktiv für Gleichberechtigung einsetzen, Jugendliche und Studenten, die gegen verschärfende Einschränkungen rebellieren oder Gewerkschaftler, die ihre Unabhängigkeit von der Regierung fordern, werden in Haft genommen und Folterungen ausgesetzt.

Außenpolitisch hat Ahmadinedschad durch seine starrsinnige Atompolitik, die Attacken gegen Israel und die Unterstützung radikaler Kräfte in der Region das Land in eine höchst bedrohliche Lage gebracht. Wirtschaftssanktionen, die nicht das Regime, sondern das Volk belasten, und die permanente Angst vor einem möglichen Krieg haben in der Bevölkerung Unmut und Unzufriedenheit erzeugt.

Konservativer Wächterrat verweigert die Kandidatur der Reformer von vornherein

Vor diesem Hintergrund rechneten die oppositionellen Reformer mit einem großen Erfolg bei den Parlamentswahlen. Doch sie machten die Rechnung ohne den Wirt. Der konservative Wächterrat, der die Eignung der Bewerber für einen Parlamentssitz zu prüfen hat, ließ von 7200 Bewerbungen lediglich 4500 zu. 80 Prozent der Abgelehnten gehörten dem Block der Reformer an. Übrig blieben Kandidaten, die kaum jemand kannte. In zahlreichen Wahlbezirken waren die Reformer überhaupt nicht vertreten. Damit war die absolute Mehrheit der Konservativen von vornherein gesichert.   

Einmalig in der Geschichte der Islamischen Republik war auch die direkte Einmischung des Revolutionsführers Ali Chamenei, der den Wählern empfahl, Kandidaten zu wählen, die die Regierung von Mahmud Ahmadinedschad unterstützen.

Interessant bei den Wahlen war demnach nicht das Ergebnis, sondern die Wahlbeteiligung bzw. das Kräfteverhältnis im Block der Konservativen.

Nach Angaben des Innenministeriums lag die Wahlbeteiligung landesweit bei mindestens 60 Prozent, in Teheran bei 40 Prozent. Unabhängige Beobachter halten diese Angaben als zu hoch gegriffen. Aber selbst wenn sie zutreffen würden, verdeutlichen sie die Unzufriedenheit der breiten Schichten der Bevölkerung mit dem herrschenden Regime.

Konflikte unter Konservativen spitzen sich zu

Die massive Ablehnung der Bewerber aus dem Lager der Reformer hat zwar die absolute Mehrheit der Konservativen gesichert, dieser  Block ist jedoch keineswegs monolithisch. Hier spitzen sich schon seit langem Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Ahmadinedschads und moderateren Konservativen zu. Grund ist allerdings nicht die Zunahme der Repressionen gegen Andersdenkende, auch nicht die rückwärts gerichtete Kultur- und Bildungspolitik der Regierung. Ideologisch sind sich beide Fraktionen einig, beide bekennen ihre uneingeschränkte Loyalität zum System des Welayat-e Faghieh (der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit).

Die Kritik richtet sich gegen die miserable Wirtschafts- und Außenpolitik, die bei großen Wirtschaftsunternehmen – im Öl- und Gasgeschäft, in der Außenwirtschaft und auf dem Binnenmarkt – zu großer Unzufriedenheit geführt haben. Sie würden die durch Wirtschaftssanktionen, anhaltenden Kaufkraftmangel, Kapitalflucht und Ausbleiben ausländischer Investitionen verursachte Krise lieber heute als morgen beendet sehen. Sie fordern eine offenere Wirtschaft zugunsten des Privateigentums und eine moderatere Außenpolitik.

Die Radikalislamisten wollen demgegenüber die Rückkehr zu den Idealen der islamischen Revolution und eine Verschärfung der Konfrontation mit dem Westen. Ahmadinedschad hat inzwischen alle Schlüsselpositionen im Staat mit ehemaligen Kampfgefährten bei den Revolutionswächtern und Geheimdiensten besetzt und damit eine Militarisierung der Staatsführung und Verwaltung herbeigeführt. Diese Umwandlung richtet sich zum Teil auch gegen das geistliche Establishment, gegen hohe Würdenträger und ehemalige Kampfgefährten Ayatollah Khomeinis, die fast drei Jahrzehnte lang den Gottesstaat gelenkt haben. Ahmadinedschad und seine Anhänger gehören der nachfolgenden Generation an, einer Generation von fanatischen Gläubigen, die - wie sie sagen - stets das Rückgrat des Gottesstaates gebildet und bisher die ganze „Drecksarbeit“ gemacht haben. Sie werfen den Grauen Eminenzen Verrat an den Idealen der Revolution und Selbstbereicherung vor.

Unklare Kräfteverhältnisse

Das sind die Hintergründe der Auseinandersetzungen, die im Lager der Konservativen geführt werden und bereits zu Spaltungen und zu Fraktionsbildungen bei den Wahlen geführt haben.

Beide Fraktionen haben sich nach den Wahlen als Sieger bezeichnet. So erklärte Ali Asghar Zarei von der „Einheitsfront der Prinzipientreuen“, die die Regierung unterstützt, die Front habe einen „großen Sieg“ errungen. Er hoffe, das künftige Parlament werde die Regierung voll unterstützen und in enger Zusammenarbeit mit ihr die anstehenden Probleme der Menschen im Land lösen.

Demgegenüber sagte der Sekretär der regierungskritischen „Umfassenden Koalition der Prinzipientreuen“, im nächsten Parlament würden die Kritiker der Regierung die Mehrheit stellen. Sollte die Regierung ihre bisherigen, „in einigen Bereichen umstrittenen Kurs“ fortsetzen, werde sich das Parlament dem entgegenstellen.

Wie das Kräfteverhältnis tatsächlich aussieht, wird sich schon bei der Wahl des Parlamentspräsidenten herausstellen. Wunschkandidat der Regierungstreuen ist der bisherige amtierende Präsident Haddad Adel. Die konservativen Regierungskritiker wollen dagegen ihren Kandidaten, den ehemaligen Atomverhandlungsführer Ali Laridschani, zum Präsidenten wählen. Laridschani wurde in der heiligen Stadt Ghom, dem Sitz der konservativen Geistlichkeit, mit den meisten Stimmen gewählt. Sollte er zum Parlamentspräsidenten gewählt werden, würden durch diesen Erfolg auch die Weichen für die Wahl des Staatspräsidenten im nächsten Jahr gestellt werden.      

* Hinweis: Der Artikel ist in leicht veränderter Form am 19.03.2008 in der taz erschienen.