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Festung oder Raum der Freiheit? EU-Grenzpolitik im Mittelmeerraum

Lesedauer: 5 Minuten

19. Mai 2009
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Ladies and Gentlemen,
Mesdames et Messieurs!

Ich freue mich, Sie zu dieser internationalen Konferenz begrüßen zu können, darunter viele Teilnehmer aus Ministerien, Botschaften, von der EU-Kommission, Parlamentsfraktionen, aus Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft.

Die hochkarätige Zusammensetzung der Tagung lässt hoffen, dass aus ihr Impulse für praktisch-politisches Handeln hervorgehen, um die Rechtssicherheit und die humanitäre Situation an den südlichen Grenzen der Europäischen Union zu verbessern. Denn der Handlungsbedarf ist groß.

Zwei Mittelmeerländer – auf der afrikanischen Seite Libyen und auf der europäischen Seite Italien – haben vor drei Tagen ihren Freundschaftsvertrag erneuert und angekündigt, enger zusammenzuarbeiten. Libyen und Italien sind in besonderem Maße von der afrikanisch-europäischen Migration betroffen. Doch mit der feierlich angekündigten Allianz soll das Mittelmeer für Flüchtlinge noch unüberwindbarer werden.

Nach den Wünschen des italienischen Premiers Silvio Berlusconi und des libyschen Revolutionsführers Muamar al-Gaddafi sollen ab dem 15. Mai alle Überfahrten von Libyen in Richtung Lampedusa endgültig unterbunden werden. Die Mittelmeer-Patrouillen beider Seiten werden aufgerüstet. Nicht zum ersten Mal wurde eine solche Zusammenarbeit angekündigt. Doch das Ergebnis der fortschreitenden Militarisierung der Grenze im Mittelmeer war und bleibt auch in Zukunft: höhere Preise und höhere Risiken für die Flüchtlinge und mehr Tote – die Menschenrechte gehen dabei im doppelten Sinn des Wortes baden.

Bei dem Versuch, Armut, Krisen und Diktaturen zu entkommen oder ihren Angehörigen eine bessere Lebensperspektive bieten zu können, nehmen jährlich Zehntausende von Menschen - vorwiegend aus Asien und Afrika - beschwerliche und lebensgefährliche Migrationswege nach Europa in Kauf. Manche Migranten durchqueren den halben afrikanischen Kontinent zu Fuß, um die südlichen Grenzen des Mittelmeeres zu erreichen. Aber für viele endet der Traum vom besseren Leben in den Auffanglagern Nordafrikas. Oder sie gehen bei dem Versuch zugrunde, auf einem der kleinen, veralteten und völlig überfüllten Boote das Mittelmeer zu überqueren. Statt eines besseren Lebens finden Tausende so den Tod.

Zuwanderungskontrolle und Flüchtlingsschutz

Im Spannungsfeld von Zuwanderungskontrolle und Flüchtlingsschutz liegt das Gewicht der europäischen Politik bisher eindeutig auf den restriktiven Aspekten. Als Folge der immer höher gelegten Hürden in der Asylpolitik ist auch die Zahl der Asylanträge in den meisten Mitgliedstaaten so drastisch zurückgegangen, dass sich die Frage stellt, ob die EU überhaupt noch einen substanziellen Beitrag zum internationalen Flüchtlingsschutz  leistet.

Doch der Fortbestand des UN-Flüchtlingsregimes liegt auch im Interesse der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Eine der Problematik angemessene Flüchtlingspolitik könnte auch zur Reduzierung der irregulären Migration beitragen, und sie würde die Glaubwürdigkeit der EU stärken, die sie benötigt, wenn sie von anderen Staaten verlangen will, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Wir verstehen durchaus, dass Europa nicht einfach seine Tore für alle öffnet, die bereit sind, ihre Heimat zu verlassen, um ein besseres Leben für sich und ihre Familien zu erreichen. Es gibt nur begrenzte Aufnahmekapazitäten unserer Arbeitsmärkte, Sozialsysteme und auch unserer Gesellschaften. Aber die Schotten möglichst dicht zu machen und vorrangig auf polizeiliche und militärische Grenzsicherung zu setzen, ist keine Lösung.

Stattdessen brauchen wir drei miteinander verbundene Vereinbarungen zwischen der EU und ihren Nachbarn erstens zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern, zweitens für die Ausweitung der regulären Arbeitsmigration und drittens zur Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes.

Europa muss auch aus Eigeninteresse Zuwanderern aus anderen Kontinenten eine Chance geben. Auch wenn die aktuelle Wirtschaftskrise kurzfristig auf die Arbeitsmärkte in der Europäischen Union durchschlagen wird, bleibt die paradoxe Konsequenz, dass viele EU-Staaten aufgrund des demografischen Wandels mittel- und langfristig Schwierigkeiten haben werden, ihren Bedarf am Arbeitsmarkt zu befriedigen.

Afrika und Europa sind historisch, ökonomisch und politisch vielfach miteinander verflochten und aufeinander angewiesen. Das gilt auch für die Aufgabe, eine Migrationspolitik zum gegenseitigen Vorteil zu entwickeln. Dazu gehören neue Konzepte für Pendelmigration, Qualifikationsprogramme für Migranten sowie Hilfen zur Existenzgründung für Rückwanderer.

Die Konferenz

Als follow-up der großen internationalen Konferenz im vergangenen Jahr zu „European Governance of Migration“ sollen auf dieser Tagung die Triebkräfte, Mechanismen und Gestaltungsmöglichkeiten für die Auswanderung aus Afrika nach Europa erörtert werden. Gleichzeitig wollen wir die Flüchtlings- und Grenzschutzpolitik der Europäischen Union im Mittelmeerraum kritisch hinterfragen.

Die Konferenz soll ein Forum für den Austausch zwischen Entscheidungsträgern, Wissenschaftlern, Journalisten und Akteuren aus zivilgesellschaftlichen Organisationen sein. Als Redner und Teilnehmer der Podiumsdiskussionen konnten wir herausragende Persönlichkeiten aus Europa, Afrika und dem Nahen Osten gewinnen.

Sicher ist Ihnen schon aufgefallen, dass neben den genannten Fachleuten auch eine Reihe von herausragenden Schriftstellern, Filmemachern und Künstlern im Programm vertreten sind. Mit der Vielfalt von Impulsen und Formaten hoffen wir, das Thema angemessen behandeln zu können und einen kreativen Raum für Austausch, Kooperation und Unterhaltung bieten zu können.

Kooperationspartner

All dies konnten wir natürlich – wie in der Vergangenheit auch – nur mit der Unterstützung unserer wichtigen Kooperationspartner – der Robert Bosch Stiftung und dem British Council – verwirklichen. Durch ihre Mitwirkung und ihre großzügigen finanziellen Beiträge haben sie diese außergewöhnliche Konferenz erst möglich gemacht.  Unser Dank geht vor allem an Frau Viola Seeger von der Robert Bosch Stiftung sowie an Guido Jansen und Marijke Brouwer vom British Council.

Nicht vergessen möchte ich einen Hinweis auf unsere Medienpartner: den Rheinischen Merkur, die tageszeitung, das Funkhaus Europa (WDR) und Le Monde Diplomatique. Zum Schluss wünsche ich Ihnen für die beiden Konferenztage anregende Diskussionen, einen konstruktiven Austausch und einen angenehmen Aufenthalt in Berlin.


Zur internationalen Konferenz:
Festung oder Raum der Freiheit? EU-Grenzpolitik im Mittelmeerraum

Ralf Fücks ist Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.

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