Die Entwaldung in der Amazonasregion – Ursachen und erste Lösungsansätze

Auftakt der Konferenz Klima und Wandel in Amazonien am 27.2.2008

28. Februar 2008
Von Torsten Arndt

Von Torsten Arndt, freier Journalist

Zum Dossier: Klima und Wandel in Amazonien

 

Wer die Abholzung des Regenwaldes im Amazonasbecken jahrelang nur über die negativen Schlagzeilen verfolgt hat, wird vielleicht überrascht sein, dass heute 80 Prozent der Waldfläche gesetzlich vor der Abholzung geschützt sind. In vielen Gebieten ist die Bewirtschaftung verboten oder nur mit Einschränkungen erlaubt. Thomas Fatheuer, der die Konferenz "Klima und Wandel in Amazonien" der Heinrich-Böll-Stiftung 2008 in Berlin als erster Referent eröffnete, verwies noch auf andere Lichtblicke, um die Umweltkrise in Amazonien in eine realistische Dimension zu rücken.

Letztlich blieben jedoch andere Zahlen des ersten Konferenztages in Erinnerung: Seit 1970 ist ein Regenwaldgebiet von der Größe Frankreichs abgeholzt worden. Der Hoffnung gebende Rückgang der Entwaldung seit 2005 ist Ende 2007 abrupt zu Ende gegangen. Das Tempo des Kahlschlags ist gegenwärtig 30 Prozent höher als vor acht Jahren.

Entwaldung und Klimawandel

Die brasilianische Regierung verkündete die unerwartete negative Trendwende im Januar unter großem Aufsehen. Die wachsende nationale wie internationale Besorgnis ist verständlich, da der Zusammenhang zwischen der Abholzung des Regenwaldes und dem globalen Klimawandel mittlerweile allgemein anerkannt ist. Der Wald sorgt nicht nur für die Hälfte der Niederschläge in der Region, er fungiert auch als natürlicher Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) und mildert auf diese Weise die globale Erderwärmung. Wie wichtig diese Funktion ist, zeigt sich daran, dass heute über 70 Prozent aller CO2-Emissionen Brasiliens auf das Abbrennen der Wälder zurückgeführt werden können.

Wer ist schuld?

"Entwaldung lohnt sich." – die von Thomas Fatheuer, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro, in den Raum geworfene Feststellung erscheint nur auf den ersten Blick provokativ. Die an der Auftaktdiskussion teilnehmenden Umweltexperten aus Deutschland und Brasilien waren sich einig, dass ökonomische Ursachen bei der fortschreitenden Entwaldung Amazoniens die bei weitem wichtigste Rolle spielen.

Rinderzucht und Sojaanbau stehen dabei klar an erster und zweiter Stelle. In beiden Wirtschaftssektoren hat die neue "Agrargroßmacht" Brasilien die USA als größten Exporteur der Welt abgelöst. Der legale wie illegale Holzsektor sowie der Zuckerrohranbau tragen ebenfalls zur direkten wie indirekten Schädigung des Waldes bei.

Die Logik des bedingungslosen Wirtschaftswachstums ist auch in der Investitionspolitik der brasilianischen Regierung zu erkennen. Während ein chronischer Finanzmangel das Umweltministerium daran hindert, die fortschrittliche Gesetzgebung zum Schutz des Regenwaldes effektiv umzusetzen, nimmt die Regierung bei der Planung von asphaltierten Fernstraßen und Staudämmen im Regenwald  kaum Rücksicht auf ökologische Bedenken.

Klimastrategien

Der einhellig erscheinende Konsens der Konferenzteilnehmer bei der Analyse der Ursachen der Entwaldung fand bei der Diskussion über die angemessene Strategie zur Begrenzung der Erderwärmung ein Ende.

Paulo Moutinho vom Institut für Umweltforschung in Amazonien und Philip Fearnside vom Nationalen Institut für die Erforschung Amazoniens plädierten für die Integration des Waldschutzes in einen internationalen Handel mit CO2-Emissionen. Mit diesem Schritt könnten kurzfristige und effektive ökonomische Anreize zur Vermeidung der Entwaldung geschaffen werden. Der Beitrag zur Reduktion des globalen CO2-Ausstoßes wäre beträchtlich und relativ kostengünstig zu erreichen. Der Gewinn aus dem Emissionshandel würde direkt in den Schutz des Waldes fließen.

Der deutlichste Widerspruch zu diesem Vorschlag wurde von Christoph Bals von der Organisation GermanWatch formuliert. Er drückte seine Befürchtung aus, dass der internationale Energiesektor und die Industrienationen den Emissionshandel mit dem Amazonasgebiet nutzen würden, um eigene kostenintensive Verringerungen des CO2-Austoßes hinauszuschieben. Eine CO2-Reduktion durch Entwaldungsverhinderung würde die CO2-Reduktion im internationalen Energiesektor ersetzen und nicht ergänzen. Die Folgen für das globale Klima könnten dramatisch ausfallen.

Bals setzte sich in seinem Gegenvorschlag für die Schaffung eines Fonds zur Rettung des Regenwalds ein, der von den Industriestaaten mit den Erlösen aus dem Emissionshandel im Energiesektor gefüllt werden könnte.

Ob es zwischen diesen beiden klar formulierten Positionen einen praktikablen Mittelweg gibt, blieb am ersten Konferenztag noch offen. Dass ein solcher Kompromiss nötig sein könnte, wurde vom grünen Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe wie auch von Imme Scholz vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik bekräftigt.

Die Forderungen der Zivilgesellschaft in Brasilien

Die Diskussion über internationale Maßnahmen zum Schutz Amazoniens werden ohne eine starke lokale Komponente ins Leere gehen. Diese Überzeugung stellte sich am Mittwoch spätestens nach den Redebeiträgen von Almir Surui und Leticia Tura ein. Leticia Tura von der Vereinigung für Sozial- und Bildungsprogramme vermittelte einen Eindruck von der Arbeit, den Zielen und den Problemen brasilianischer Nichtregierungsorganisationen.

Almir Surui, Direktor der Umweltabteilung der Koordinierungsstelle der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonien, erinnerte daran, dass der Schutz des Waldes für die indigene Bevölkerung eine soziale wie ethnische Bedeutung habe und der Erhaltung der unmittelbaren Lebensumstände gleichkomme. Er wies allerdings auch darauf hin, dass es sich um eine "globale Dienstleistung" handele, die von den Industrienationen entsprechend vergütet werden sollte.