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Substanz oder Greenwash-Show? Die Zeit für Halbheiten ist vorbei

Das Erreichen der Langfristziele hängt stark von den kurzfristigen Zielen ab. Der Gipfel in Kopenhagen birgt verschiedene Gefahren des Greenwashings. Diese werden im Hintergrundpapier von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung ausführlich beschrieben.

7. Dezember 2009
Von Christoph Bals
Bis zum Beginn des Klimagipfels von Kopenhagen ist noch unklar, wieviel Substanz, wieviel Show er bringen wird. Die Regierungschefs stehen vor einer Entscheidung, die von der Größenordnung her mit der Abschaffung der Sklaverei vergleichbar ist: den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft und den Einstieg in ein neues Wohlstandsmodell zu beschließen. Mehr als 100 Regierungschefs werden in Kopenhagen erwartet. Klar ist: sie wollen der Weltöffentlichkeit ein Ergebnis präsentieren. Unklar aber ist, ob sie der Versuchung erliegen, die größte Greenwash-Show der Geschichte zu inszenieren.

Das gemeinsame Hintergrundpapier von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung (19 Seiten, hier als PDF downloaden) klärt umfassend über mögliche Greenwash-Fallen auf:


Gefahr Nr. 1 für ein Greenwash-Abkommen: Langfristziele ohne Kurzfristziele
Es kann sein, dass in Kopenhagen zwar ein 2-Grad-Limit und unverbindliche Langfristziele mit viel schönen Worten verkündet werden, aber dass die gleichzeitig verbindlich vereinbarten Kurzfristziele für 2020 dann deutlich hinter der in Kopenhagen gesetzten Messlatte zurückbleiben. Verbindliche Kurzfrist-Reduktionsziele sind der einzige realistische Weg für das Erreichen von Langfristzielen.

Gefahr Nr. 2 für ein Greenwash-Abkommen: Die Gefahr von Schlupflöchern
Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand muss mit erheblichen Schlupflöchern gerechnet werden. Danach wären selbst die zu niedrigen Reduktionsziele der Industrieländer
nicht das Papier wert, auf dem sie stehen.

Gefahr Nr. 3 für ein Greenwash-Abkommen: "Politisch Verbindlich"
Der Begriff "Politisch verbindlich" ist eine Nebelkerze. Ein "politisch verbindliches" Abkommen würde den poltischen Willen sozusagen in ein Sieb gießen, durch das er schnell
herausfließen kann: Spätestens bei einem Regierungswechsel wäre ein Staat nicht mehr daran gebunden. Ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen hingegen würde den Willen in einen Eimer gießen, um ihn auf Dauer transportieren zu können. Wenn am Ende der Klimakonferenz ein politisch verbindliches Abkommen steht, wäre das ein Greenwash, weil es der Öffentlichkeit ein Sieb als Eimer verkaufen wollte.

Gefahr Nr. 4 für ein Greenwash-Abkommen: "Pledge and Review"
Wenn jedes Land einfach seine Vorstellungen für Klima- und Finanzziele auf den Tisch legt und diese akzeptiert werden, finden eigentlich gar keine Klimaverhandlungen mehr
statt. Der Sinn des multilateralen Ansatzes, dass alle mitmachen und sich alle weiter bewegen, als sie dies sonst täten, ginge verloren.

 

Hintergrundpapier zum Klimagipfel in Kopenhagen:

"Substanz oder Greenwash-Show? Die Zeit für Halbheiten ist vorbei" Hintergrundpapier zum Klimagipfel in Kopenhagen, 7.-18. Dezember 2009 als PDF downloaden



Hauptforderungen von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung auf einen Blick:

  • Verabschiedung des 1,5 bis 2-Grad-Limits und der Langfristziele für 2050 in der gemeinsamenVision
  • Rechtlich verbindliche Kurzfristziele (bis 2017 bzw. 2020) für die Industrieländer und verbindliche, ambitionierte Klimaschutzaktionen für die Schwellenländer
  • Sanktions- und Anreizmechanismus für Zielerreichung (Emissions- und Finanzziele)
  • Reduktion der Industrieländer-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990.
  • Gemeinsame Standards für Bericht und Review der Treibhausgasemissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF).
  • Gemeinsame Standards für nationale Treibhausgasregister und den Transfer von Treibhausgaseinheiten in verschiedene Länder.
  • Gemeinsame Standards für den globalen Emissionshandel.
  • Umfassende Aktionsprogramme für die Einführung von Klimaschutzmaßnahmen und Anpassungsprogrammen in den Entwicklungsländern; verbindliche relative Reduktionsziele (Steigerung der Energieeffizienz) in Schwellenländern.
  • Nutzung international akzeptierter Methodiken beim Bericht der Emissionen und internationale Überprüfung der Umsetzung der versprochenen Ziele.
  • Erreichen des globalen Peaks (Scheitelpunkt des globalen Emissionsausstoßes) vor 2017.
  • Schlupflöcher durch "Hot Air" vermeiden.
  • Umfassender, transparenter und zeitnaher Bericht und Review (Überprüfung) der nationalen Treibhausgasemissionen sowie der zugesagten Ziele und politischen Aktivitäten im Jahr 2015
  • Möglichkeit einer Notfall-Überprüfung (Emergency Review)
  • Finanzierung in Höhe von 110 Milliarden Euro jährlich für Klimaschutz, Regenwaldschutz sowie Anpassung; dies sollte mit neuen und zusätzlichen öffentlichen Mitteln
    erfolgen, also nicht im Rahmen des 0,7-Prozent-Ziels.
  • Instrumente der internationalen Risikoteilung etablieren, die nach Großkatastrophen einspringen, u.a. Rahmenbedingungen für Mikro-Versicherung gegen Klimaschäden in den ärmsten Entwicklungsländern.
  • Anpassungsfonds weiter und unter US-Beteiligung ausbauen.
  • Instrumente, welche die Finanzmittel generieren: Versteigerung oder Verkauf der verbleibenden Emissionsrechte an die Industrieländer, Abgaben oder Versteigerungserlöse aus dem Emissionshandel im internationalen Flug- und Schiffverkehr, Versteigerungserlöse aus den nationalen Emissionshandelssystemen.
  • Rechtlich verbindliches, internationales Abkommen – keine bloß "politisch verbindliche" Absprache.
  • Zunächst sollte die Substanz der Verpflichtungen für Industrie- und Schwellenländer in den beiden Verhandlungsforen – der Arbeitsgruppe zur zweiten Verpflichtungsperiode zum Kyoto-Protokoll (AWG-KP) und der Arbeitsgruppe innerhalb der Klimarahmenkonvention (AWG-LCA) – getrennt verhandelt werden. Erst wenn die Substanz geklärt ist und sich keiner über den Tisch gezogen fühlt, kann man konstruktiv darüber verhandeln, ob man die Ergebnisse in einem Abkommen zusammenführt

 

Weitere Informationen zum Klimagipfel:

 

Hintergrundpapier von Germanwatch und der Heinrich-Böll-Stiftung zum Klimagipfel in Kopenhagen

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